Kleopatras Geheimnis

„Aufgewacht Prinzessin und raus aus den Federn… ich strecke mich, gähne ins Kissen und hasche nach dem Traum… voll Neugier auf den neuen Tag.“ Wer jetzt meint, er hätte den Anfang meines ersten Frauenromans gelesen, der irrt. Diesen Text entdeckte ich vor kurzem auf einem Peeling im Drogerieregal. Natürlich musste ich die vielversprechende grüne Tube direkt kaufen, denn allzu oft werde ich ja nicht mit „Prinzessin“ angesprochen und die Versprechen mit der Prinzessin und so hörten auf der Rückseite nicht auf: „Natürlich wissen wir, dass wahre Schönheit nur von innen kommt… aber unabhängig davon werden unsere herrlichen Rezepturen deine Haut und deine Seele streicheln.“ Und damit nicht genug: „Rubbelt weg, was Streichler stört.“ Direkt daneben, auf einem Duschgel, hieß es: „Das muss wohl Liebe sein… geheimnisvoll lächelnd steckt sie den Brief in einen Umschlag – mit einer Kette aus Gänseblümchen, die sie gerade gepflückt hat.“

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Ich weiß jetzt nicht so direkt, was diese Texte mit einem Peeling oder einem Duschgel zu tun haben, vielleicht hatte der Werbetexter gerade seinen romantischen Tag oder zu viel am Peeling geschnüffelt, denn es ging ungebremst weiter: „Ich verschwinde für eine Weile – auf eine ferne Insel… ich vergrabe meine Zehen im warmen Sand, lausche dem Lachen der Möwen und spüre den Wind im Gesicht.“ Besser ist das, dachte ich, denn es triefte jetzt doch schon ganz schön aus dem Rosemunde-Pilcher-Gedächtnis-Regal, und ich sann darüber nach, was man als noch unentschlossene Kundin so alles versprochen bekommt – oder was man sich vorstellen soll, dass man es versprochen bekommt. „Ein samtig-süßer Duft liebkost meine Nase… ich schließe die Augen… leuchtend rote Früchte lachen mit der Sonne um die Wette – frisch gepflückt mag ich sie am liebsten.“ Auch dies ist nicht etwa Werbung für die neueste Kirschmarmelade, sondern für ein Peeling namens „iced strawberry dream“. So langsam verwirrte mich das doch ganz schön. Was sollte ich denn jetzt nehmen?

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Da war ich ja schon fast froh, dass mir die Revitalisierungsdusche nebenan lediglich versprach, dass sie mit hochwertigem Bio-Nachtkerzenöl meine individuelle Ausstrahlung entfalten wolle. Mir war zwar nicht ganz klar, wie sie das machen wollte, aber es war zumindest mal kein so verschwurbelter Satz, der auch auf einem Reiseführer oder auf dem Klappentext für den neuesten Schulmädchenreport hätte stehen können. Das war ja schon mal was. Von diesem Hersteller gab es auch noch die Möglichkeit, dass man gepflegt und harmonisiert würde (das würde sicherlich meine Familie mir mitunter empfehlen) oder gar stimuliert (wozu ich mich hier nicht weiter äußern möchte).

Derart stimuliert jedenfalls, machte ich mich auf einen kleinen Streifzug in die Niederungen der Kosmetikwerbung und stellte fest, dass die Zeiten, wo ein Schaumbad einfach nur Litamin oder Badedas hieß, definitiv vorbei sind. Heute heißen sie „Eine Portion Glück“, wahlweise auch „Eine Portion Liebe“, und für besonders anspruchsvolle Baderinnen steht „Kleopatras Geheimnis“ zur Verfügung. Letzteres will aus meinem Bad einen „Ort von magischer Schönheit machen, der voller Geheimnisse steckt, wo wahre Schönheit verborgen liegt und die Weiblichkeit sich vollkommen entfalten kann.“ Dass ich das nicht schon früher hatte! Kleopatra ist ja bekanntlich mit 39 Jahren gestorben, wer weiß denn, ob ihre erst jetzt enthüllten königlichen Baderituale bei mir überhaupt noch anschlagen?!

Ich suchte Zerstreuung im Männerregal, und hier sah es auf den ersten Blick sehr einfach aus: Auf deren schwarzen oder dunkelblauen Duschgelflaschen ist meistens nur von „Activity“, „Power“ und „Energy“ die Rede. So langes Geschwafel ist nix für die. Das weiß man eigentlich ja auch so. Und so „Auszeiten“ und „Erholung“ oder die wiederentdecken Rasurtipps von Caesar oder Tutanchamun scheinen die Herren irgendwie auch nicht zu interessieren. Einzig die Marke „Playboy“ bricht das kollektive männliche Schweigegelübde ein wenig auf. Das Duschgel „Play it wild“ verspricht den geneigten Duschern „einen gewagten Duft – und die Jagdsaison ist eröffnet.“ „…und keine kann dir widerstehen“ prophezeit „#gerneration“. Man kann den Männern ja allerhand zutrauen, aber dass sie darauf reinfallen, glaube ich dann doch nicht. Warum sie von Playboy allerdings noch den Hinweis bekommen, das Duschgel sei für den „ganzen Körper“, machte mich doch ein wenig stutzig. Braucht ihr das, Jungs?

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Am Ende meines Rundgangs griff ich zu einem Duschgel, das hieß „Glückliche Auszeit.“ Es „schenkt Wohlbefinden und schöne Momente. Der stimmungsvolle, heitere Duft entspannt Körper und Geist bei Stress und Anspannung im Alltag.“ Ich denke, es wird halten, was es verspricht, denn die Hauptzutaten sind: Hanf und Mohn.