Wir Frauen – die Kolumne für uns!

Die Idee zu einer Kolumne, gar einer ganzen Lesung mit diesem Titel kam mir, als ich wieder einmal schön unter Meinesgleichen saß und ein unglaubliches Gefühl der Behaglichkeit mich umfasste. Unter Frauen! Mir fiel eine Zeile aus Doris Dörries Buch „Die Heldin reist“ ein. Es geht darin um Frauen in einem Harem, die ihr eigenes Dasein dort ganz anders sehen als wir mit unserem Blick der westlichen Welt: „Männer sollte man nur wenig sehen, primär um Sex zu haben, ansonsten sollte man nicht mehr Zeit mit ihnen verbringen als nötig. Ihr Horizont“, erklären die Frauen in Marokko der großen, blonden, deutschen Touristin, „ist arg begrenzt. Frauen können so viel mehr miteinander anfangen als eine Frau mit einem Mann.“ Ich will jetzt nicht in unnötiges Manner-Bashing verfallen, denn ich habe es schon gern mit Männern zu tun, insbesondere dann, wenn sie humorvoll sind und intelligent, aber so unter Frauen, das ist wirklich ein schönes Leben. Dabei spielt es oft gar keine Rolle, wie groß oder klein die Gruppe ist, und ob dabei die eine mit der anderen enger verbunden ist als die Dritte oder Vierte, wobei dann wieder vielleicht grade die Fünfte mit der Sechsten mehr zu tun hat. So ist das ja immer, und es macht gar nichts. Wir gönnen uns, was wir haben, wen wir haben. Was zählt ist die Tatsache, dass wir miteinander lachen können und weinen (das dann schon eher in der kleinen Gruppe), dass wir Erlebnisse teilen – gute und schlechte – und dass wir fast immer schlauer auch aus den allerkleinsten Gesprächen miteinander kommen, als wir reingegangen sind. Gerade letztens, in einer unerwartet kleinen Runde, sagte eine Frau zu mir: „Habe Vertrauen, du wirst sehen, das hilft.“ Und es war genau das, was ich brauchte, das, was mir an diesem Abend half. Danke schön.

Wir Frauen in meinem Umfeld, wir treffen uns in den unterschiedlichsten Konstellationen an den unterschiedlichsten Orten. Wir reisen zusammen oder sitzen zusammen beim Wein – oder beides. Wir gehen spazieren oder faulenzen zusammen. Wir kennen die Männer mancher anderen von uns so gut wie sie selbst. Also, fast. Wir empfehlen uns Bücher und Klamotten. Unsere Handtaschen sind Wundertüten und Zeitzeugen in einem. Wir mögen Schnitzel oder sind Veganerinnen. Wir tanzen oder humpeln, oder beides. Wir sind Sportlerinnen oder Couchpotatos. Haben viele Laster oder wenige. Wir teilen unsere Schönheitsgeheimnisse und unsere besten Rezepte. Und unsere Wechseljahresbeschwerden. Und die Last mit dem Älterwerden, das wir nur ertragen, und wirklich nur ganz allein deshalb ertragen, weil wir zusammen sind und von einer WG träumen, die vermutlich für Angst und Schrecken in Alsfeld sorgen wird. Und weil wir unsere Verluste teilen: Das schwindende Bindegewebe ebenso wie die ausziehenden Kinder und die sterbenden Eltern. Oder wie die Angst, langsam dement zu werden, weil wir uns schon jetzt an so vieles nicht richtig erinnern können. Halb im Ernst, halb im Spaß. Und wir hoffen, dass wir auch in zwanzig, dreißig Jahren noch genauso darüber schwadronieren können wir heute.

Wir selbst sind alle verschieden – auch wenn anzunehmen ist, dass ein gemeinsames Grundrauschen uns trägt. Mit unseren Eigenheiten bereichern wir uns gegenseitig, geben uns Impulse, inspirieren wir uns. Seit einigen Jahren schon ziert ein rosa Armband mit goldener Schrift meinen Arm. Darauf steht „Stronger together“ – Zusammen stärker. Es geht darin explizit um den Zusammenhalt von Frauen untereinander, die sich, anstatt sich in sinnloser (im Gegensatz zu sinnvoller) Konkurrenz miteinander aufzureiben, stärker unterstützen sollten. Die Idee finde ich gut, man kann seinesgleichen nie genug unterstützen. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe in meinem Leben schon oft von weiblicher Unterstützung profitiert. Aber auch unter weiblicher Missgunst gelitten, unter dem was im Volksmund so schön unter dem Begriff Stutenbissigkeit („Deutsch als Männerspräche“ lässt grüßen) verhandelt wird. Auch ich habe früher gesagt, dass ich lieber mit zehn Männern arbeiten würde als mit zehn Frauen. Schande auf mein Haupt! Und: Lang, lang ist’s her! Die Gründe dafür, dass Frauen untereinander, sagen wir mal, mitunter schwierig sind, können vielfältig sein: Vielleicht kann eine Frau einem Mann den beruflichen Aufstieg eher gönnen, als einer anderen Frau, weil man sich dann nicht mehr hinter dem Geschlecht verstecken kann und eigene Defizite, die man nicht sehen will, eher zum Vorschein kommen. Vielleicht hängt es daran, dass es für Frauen in bestimmten Lebensphasen, insbesondere im Berufsleben oder bei Posten in der Öffentlichkeit, zu wenige Role Models gibt, die vermeintlich außergewöhnliches Verhalten normalisieren. Und es kann natürlich auch – seien wir ehrlich – daran liegen, dass nicht alle Frauen so sympathisch, offen und unvoreingenommen sind wir, sondern – verspannt mit Tendenz zu bescheuert.

Ich zitiere gerne den klugen Satz von Madeleine Albright. Sie sagte: „Es gibt einen besonderen Ort in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen.“ Das können große Dinge sein, der Kampf gegen strukturelle Ungerechtigkeit hier wie anderswo. Aber das können auch kleine Dinge sein. Ich erinnere mich an eine Kassiererin, die mir letztens ihre kleine Stehleiter über die Theke gereicht hat, damit ich meine Lesungsplakat aufhängen konnte, nachdem sie mir schon ihren Tesafilm ausgeliehen hatte. Ein kleines, aber feines Beispiel für Solidarität, an dem wir uns alle ein Beispiel nehmen können. Schauen wir uns um, wo die Frauen sind, die wir stärken können, und wo die sind, die uns stärken können. Suchen wir uns einen Trupp, in dem wir wir sein können und unsere kleinen Spleens entweder für den einen oder anderen – natürlich liebenswürdigen – Witz taugen oder ignoriert werden. Wenn Sie nicht wissen, wo Sie damit anfangen sollen, gehen Sie in die Aquagymnastik! Selten hatte ich mit Frauen, von denen ich die meisten nicht allzu gut kannte, einen solchen Spaß! Und dieser Ort, liebe Frauen, den wir mit unseren Freundinnen teilen, mit unserem Rudel, oder mit den Frauen, die einfach grade um uns sind, dieser Ort ist das Gegenteil von Madeleine Albrights Vision: Er ist der besondere Platz im Himmel für Frauen, die sich stärken, schützen und lieben.

Und das Schönste: Wir können ihn bauen. Am besten fangen wir heute noch damit an.

Foto von Melissa Askew auf Unsplash