Wenn der Postmann zweimal klingelt

Das waren noch Zeiten, oder! Als der Postmann geklingelt hat. Sogar zweimal! Nicht, dass Sie jetzt so Assoziationen bekommen, die mit dem Filmplakat zusammenhängen, auf dem Jack Nicholson und Jessica Lange zusammen auf dem Küchentisch – Sie wissen schon. Also, so was gab’s zwischen mir und keinem Postmann jemals, ich schwöre. Zumal ich mir jetzt auch gar nicht sicher bin, ob in dem Film überhaupt ein Postmann vorkommt. Vielmehr geht der Titel wohl auf die englische Redensart zurück „The Postman Always Rings Twice“, was so viel bedeutet wie „Es gibt immer eine zweite Chance“ oder „Man sieht sich immer zweimal“, was aber wiederum in unserem Kontext auch von Bedeutung ist. Denn: Der Postmann klingelt nicht mehr.

Mehr als einmal schon musste ich das schmerzlich erfahren, als ich im Briefkasten Abholnotizen wegen Unzustellbarkeit aufgrund von Abwesenheit gefunden habe, die definitiv nicht stattgefunden hat, die Abwesenheit, meine ich. Als wir beispielsweise in Quarantäne waren und nachweislich fünf Personen bei uns im Haus waren, konstatierte mitunter der eine oder andere Paketbote, dass wir nicht zuhause seien. Natürlich wäre es jetzt kein Vergnügen gewesen, mit uns Corona-Positiven Kontakt zu haben, aber wir hatten nicht mal die Chance, hinter den Fenstern ein Zeichen zu geben, da wir gar nicht wussten, dass der Postmann was von uns wollte. Nun muss man dazu sagen, dass unser Hund dem Postmann (und der Postfrau genauso wie dem Paketboten oder der Paketbotin) nicht sonderlich wohlgesonnen ist und dieser wiederum verständlicherweise nicht immer Lust hat, sich einer möglichen Gefahr auszusetzten, aber unser Hund ist halt auch oft drin und eigentlich macht er auch gar nichts… Wie dem auch sei, schon das allein ist schade, zumal wir als Verbraucher ja jetzt fast immer die Möglichkeit haben, unsere Sendung live zu verfolgen: Wenn man das einmal eingegeben hat, kriegt man pro Lieferung am Zustellungstag fünf bis sechs Mails, die fast halbstündig über den Verbleib der Lieferung informieren, alles, dass nicht noch die Pausen- und anderen Zeiten des Fahrers angegeben werden. Nicht selten konnten wir dabei als letzte Meldung sehen, dass die Sendung nicht zustellbar war und sozusagen live an uns vorbeifuhr. Und schon hatten wir Gelegenheit, die oben genannte zweite Chance zu ergreifen: nämlich am nächsten Tag an der Abholstation.

Aber all das ist jetzt Schnee von gestern, denn die Post und vielleicht auch die anderen Zustelldienste haben – vermutlich coronamäßig – umdisponiert auf die kontaktlose Zustellung. Das fiel mir diese Woche auf, als ich händeringend auf meine zweihundert neuen Bücher gewartet habe und mich mangels automatisierter E-Mail-Benachrichtigung selbst in den Live-Verfolgungsmodus erst beim Verlag und dann bei der Post begeben habe. Und was soll ich sagen: Es tat sich NICHTS. Also, lange Zeit so gut wie nichts. Meine Pakete blieben andauernd in einem nichtssagenden Vorbereitungsmodus – erst zum Druck, dann zur Auslieferung, und als ich schon wieder irgendwo anrufen wollte, um zu fragen, ob das noch was wird vor Weihnachten, rief mein Mann von zuhause an und sagte, meine Bücher seien da. Und das, obwohl an dem Morgen nachweislich niemand zuhause war. Ich war perplex und machte erneut die Paketverfolgung auf und prompt bekam ich zu lesen: „Die Sendung wurde im Rahmen der kontaktlosen Zustellung zugestellt.“ Vielen Dank dafür, lieber Postmann, liebe Postfrau. Es freut mich sehr. Allerdings ist es auch schade, dass es nun wieder einen Kontakt weniger gibt, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass diese schnelle Art der Zustellung wieder aufgehoben wird.

Manchmal werde ich nostalgisch, wenn ich daran denke, wie wir in meiner Jugend – wollten wir eine Bestellung aufgeben – noch eine Postkarte, beispielsweise des Quelle-Katalogs, ausfüllten, mit einer Briefmarke versahen und hofften, dass daraufhin irgendwann in den nächsten vier Wochen die freundliche Postbotin – in meinem Heimatdorf übrigens meistens eine meiner Tanten – ein Päckchen vorbeibringen und es kontaktfreudig abgeben würde, zur Not auch nebenan. Wir erlebten diese Zeit live, in Echtzeit sozusagen. Schön war’s auch und lang, lang ist’s her. Natürlich haben wir uns an das Tempo der heutigen Zeit längst gewöhnt, genauer gesagt, haben wir es mitgestaltet, und natürlich ist es toll, wenn etwas, das gestern bestellt wurde, heute schon da ist. Aber anstrengend ist diese Geschwindigkeit auch. Besonders für die Postleute. Wann immer wir welche dieser scheu werdenden Spezies zu Gesicht kriegen, lassen Sie uns freundlich sein. Denn wir wissen ja: Der Postmann klingelt immer zweimal. Und die Postfrau auch. Hoffentlich.