Was bleibt

Wenn sich das alte Jahr dem Ende zuneigt und das neue schon dämmert, stellt sich zum einen natürlich alljährlich die Frage, a) was das alles soll und b) was man an Silvester macht. B ist einfach: Irgendwie immer dasselbe. In der direkten Fortsetzung der weihnachtlichen Tradition wird in erster Linie getrunken und gegessen, vielleicht gibt es etwas mehr Sekt und andere Alkoholika, auf jeden Fall irgendwo ein Feuerwerk, dann noch ein bisschen Heringssalat, wahlweise Sauerkraut am 1. Januar. Alles Gute, euch auch, endlich wieder Alltag!

So geht das Jahr um Jahr, und irgendwie ist man dann gemäß A schon geneigt, sich mal zu fragen, was einem das alte Jahr so gebracht hat. Wäre doch schön, wenn an den zwölf Monaten oder 365 Tagen seiner Lebenszeit, die man nun schon wieder und unwiederbringlich im unergründlichen Nirwana der Zeit oder vielleicht auch der Ewigkeit zurückgelassen hat, etwas hängengeblieben wäre, das einem von Nutzen sein kann, oder besser noch, das anderen von Nutzen sein kann. Die Suche nach solch nachhaltigen Wirkungen, und seien sie noch so klein, trieb zumindest mich die letzten Tage um, auch in der Hoffnung, dass das Bleibende aus dem Jahr 2017 sich nicht auf die ein, zwei Kilo beschränkt, die man angeblich (und mitunter auch nachweislich) ab vierzig Jahr für Jahr von selbst zunimmt. Auch die Tatsache, dass meine Kinder und mein Mann halbwegs gut genährt sind und wir alle auch dieses Jahr wieder einigermaßen, ach was, ziemlich gut sogar, hinter uns gebracht haben, ist zwar sehr erfreulich, aber ist sie auch so etwas wie ein „nachhaltiger Erfolg“?

Aus der Praxis für die Praxis habe ich gelernt, dass man Klamotten, die man an der Tankstelle schusseligerweise mit Diesel in Berührung gebracht hat, besser nicht mit anderen Sachen zusammen wäscht. Noch nach zehn weiteren Wäschen, mehreren Tagen an der frischen Luft und Monate später holte ich immer noch stinkende Kleidung aus den Schränken und gebe diese Erfahrung gerne an Sie weiter! Ich habe gelernt, dass man ein Stromkabel auf einer Trommel wegen der magnetischen Kräfte, die hier wirken, immer ganz abrollt, und ich habe außerdem gelernt, dass Männer einen vollen Kühlschrank, in dem keine Wurst und kein Leberkäse sind, für leer halten. Ist ja auch wichtig.

Auf der Suche nach weiteren Erfolgen schaute ich meinen Outlook-Kalender durch – zwölf bunt kategorisierte Monate mit vielen, vielen Terminen drin: Arztbesuche mit allen Kindern, Termine mit Kunden, Termine zum Sport, kryptische Angaben, von denen ich überhaupt nicht mehr weiß, was da war. Fachtage, Seminare, und dazwischen: Termine mit Freundinnen! Da kommen wir der Sache schon näher, finde ich. So ein Käffchen oder eine Party im Freundeskreis ist durchaus von bleibendem Wert, oder nicht? Apropos Party: Zum letzten Mal möchte ich an dieser Stelle an die Party meines Lebens, die zu meinem 50. Geburtstag, erinnern. Im Nachhinein betrachtet, hat sie mir sicher ein paar Falten mehr eingebracht – also auch was Nachhaltiges -, und dazu aber auch noch jede Menge Spaß!

Dann habe ich wiederholt Eintragungen gefunden, in denen ich für eine Freundin in schwierigen Zeiten da war. In diesen Monaten habe ich festgestellt, dass Hilfe nicht nur demjenigen Menschen guttut, der sie bekommt, sondern auch, demjenigen, der sie gibt, also mir. Das hat mich sehr beruhigt, schließlich bekomme auch ich oft genug von vielen Seiten Hilfe und fühle mich dann so ein bisschen schlecht und in der Pflicht. Ist also gar nicht nötig. Und genau darüber habe ich gerade gestern sogar auf Spiegel online gelesen: „Warum Menschen einander helfen“, wurde hier gefragt, Doch ganz so selbstlos ist die auf den ersten Blick uneigennützige Hilfe nicht, stellt der Autor mit dem treffenden Namen Engeln fest: „Sie ist Teil des Erfolgsrezepts der Spezies Mensch.“ In seine Ausführungen kommt Herr Engeln schließlich dazu, dass für Menschen, die sich gegenseitig helfen, Vertrauen eine wichtige Rolle spielt. „Wir sind nett zu jemandem, den wir für zuverlässig halten“, heißt es da, und „An der Supermarktkasse lassen wir lieber einen Menschen vor, der nur eine Wasserflasche trägt, als jemanden, der eine Bierflasche in der Hand hält.“

Also, für mich gilt das nicht: Ich habe durchaus Vertrauen zu Menschen, die eine Bierflasche in der Hand halten, und weil morgen Silvester ist, würde ich Sie heute auch mit einer, oder sagen wir des Feiertags (und meines wieder mal bis zum Rand gefüllten Einkaufswagens) wegen, mit zwei oder gar einer ganzen Kiste Sektflaschen an der Kasse vorlassen.

Sicher habe ich dafür dann irgendwann auch mal bei Ihnen einen Stein im Brett, und wenn nicht – geschenkt!

Kommen Sie gut ins neue Jahr!

(Quelle: Henning Engeln: „Warum Menschen einander helfen“, unter http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/altruismus-und-evolution-warum-wir-einander-helfen-a-1176855.html (abgerufen am 29.12.2017))