Warts ab

Wenn man sich heute verabreden will, gründet man eine WhatsApp-Gruppe. Das geht schnell und einfach und hat den Vorteil, dass wer an dem massenhaften unkontrollierten Datenaustausch in aller Welt nicht teilnehmen möchte, schon mal raus ist. Wenn jemand nur telefonisch zu erreichen ist, selbst schuld, also wirklich!

Ich bin in vielen WhatsApp-Gruppen. In mehreren davon versuchen wir uns gerade zu verabreden. Da gibt es zum Beispiel die schöne Gruppe „Freundinnentreffen“. Wir treffen uns in der Regel einmal im Jahr ein Wochenende lang und sind für unsere diesjährigen Planungen nach verschiedenen Zu- und Absagen und unter Berücksichtigung aller möglichen beruflichen und privaten Hindernisse inzwischen bei einem unbestimmten Zeitraum im neuen Jahr angelangt. Zu viert, wobei zumindest eine von uns immer mal wieder durch weises Abwarten glänzt.

In unserer Gruppe „Dinner for four“ versuchen wir ebenfalls zu viert, aber in deutlich anderer Besetzung, einen Termin für ein gemeinsames Abendessen zu finden. Abendessen ist heute schwierig, essen überhaupt, da im Vorfeld erst einmal alle Lebensmittelunverträglichkeiten, alle selbst auferlegten Einschränkungen und alle vorzugsweise konsumierten Alkoholika zu bestimmen sind. Das kann dann schon mal einen längeren Chat von 15 bis 20 Posts in Anspruch nehmen, ist aber nichts im Vergleich zur Terminfindung. Nachdem wir von den restlos ausgebuchten Wochenenden der nächsten Monate auf einen Wochentag umgestiegen waren, entspann sich folgender Dialog:

„Ginge auch Donnerstag?“ „Ich könnte am 6.10.“ „Ich auch.“ „Ich nicht. Ich habe in dieser Woche meine Yoga-Prüfung und möchte nichts tun außer lernen.“ „Ich könnte auch am 6.10., aber nicht vor 19.30.“ „Könntet ihr auch eine Woche später?“ „Yes.“ „Ich nicht. Macht es ohne mich. Muss am Abend vorher arbeiten und den ganzen Tag auch. Das packe ich nicht mehr in meinem Alter. Muss es ein Donnerstag sein?“ Während die eine von uns drei Äffchen schickte, die sich die Augen zuhalten, ging es noch ein wenig weiter, bis ein neuer Tag ins Spiel kam. Die Woche ist ja voll davon. „Mittwochabend ginge auch.“ „Dann am 19.10. (mit Äffchen)“. „Mmh und nun?“ „Sonntagmorgen. Mit Brinch.“ „Gerne und wann?“ „Sonntag M-O-R-G-E-N??? (plus entsetztes Smiley plus Äffchen).“ „Brinch? Ist das was Neues?!“ „Drei Lachsmileys.“ „Ab 12 Uhr bin ich wach.“ „Ich lach‘ mich kaputt!“ „Wenigstens ist es unterhaltsam, auch wenn wir keinen Termin finden.“

Nun muss man sich vorstellen, dass vier Damen, fast alle sehr mittleren Alters irgendwo bei einem Wein auf der Couch saßen und gleichzeitig lasen, tippten und wegschickten, was der Chronologie der Antworten nicht gerade zugutekam und für noch ein wenig mehr Chaos sorgte. „Kommt doch einfach am 29.10. um 20 Uhr zu mir“, tat sich bald eine Gegenveranstaltung auf. „Was ist denn vom 1. bis 3.10.? Very langes Wochenende.“ „Brinch kann ich nicht. Bin nur bedingt küchenversiert.“ „Ihr seid mir zu schnell. Was ist denn nun?“ „Lasst uns doch spontan was ausmachen. Vielleicht gibt es einen Termin, den uns das Schicksal zuspielt.“ Die Unterhaltung setzte sich noch eine Weile fort, und ich fragte schließlich, ob ich eine Kolumne daraus machen dürfte, schließlich war bald Freitag. Warum sich selbst was ausdenken, wenn man solche Freundinnen hat! Ich durfte, wie Sie sehen, und nur zwanzig bis vierzig Posts später verabschiedeten wir uns auch schon. Ohne Termin, aber mit ganz vielen Smileys. „Nur noch ein Weinchen“, war mein letzter Beitrag zu dieser fruchtbaren, wenn auch ergebnisneutralen Runde, die so – allerdings stark gekürzt – in der Tat vor wenigen Tagen von 21:55 bis 22:53 Uhr 55 Posts lang gedauert hat und wie gesagt, noch viel Potenzial in sich trägt.

So viel, dass ich von einer anderen Gruppe namens „Lovely Ladies“ heute leider schweigen muss. Kein Platz mehr, Glück gehabt, meine Damen. Für all diejenigen unter meinen Leserinnen und Lesern, die mit WhatsApp nichts am Hut haben, sei der Erklärung halber gesagt: Man kann es auch hessisch lesen, dann heißt es treffenderweise „Warts ab!“