Vatermuttertag

Ich dachte ja immer, dass der Vatertag so ein nachgemachter Muttertag ist, im Kalender schnell dem Muttertag hinterhergeschoben, aus einer Mischung aus Bockigkeit und Will-ich-auch haben. Und dass Männer etwas haben wollen, das den Frauen vorbehalten ist, ist ja nun wirklich selten. Nun war der Vatertag – erstmals seit ich mich ernsthaft damit beschäftige – zeitlich vor dem Muttertag, und man hätte dieses seltene Ereignis, finde ich, durchaus nutzen sollen, um einmal die Rollen zu vertauschen:

Am Vatertag beispielsweise hätten die kleineren Kinder schon früh ihren lieben Erzeuger mit nettem Selbstgebasteltem aus dem Bett holen können, ihm ein selbstgebackenes Erdbeerherz unter die Nase halten sollen und ihm das schöne Gedicht „Wir wären nie gewaschen und meistens nicht gekämmt“ aufsagen können – auch wenn er sicher nicht direkt verstanden hätte, warum…

Einschlägigen Interneteinträgen zufolge sähe der vom Muttertag inspirierte Vatertag dann so aus: „Am Vatertag kann der Vater sich entspannen, während seine Familie sich um die Vorbereitung des Essens und das Saubermachen kümmert. Er setzt sich an den gedeckten Frühstückstisch und lässt sich rundum verwöhnen!“ Ich frage mich zwar gerade, wie ein Vater dann merken soll, dass Vatertag ist, wenn alles so ist wie immer, aber die Idee hat durchaus etwas Verlockendes. Denn der Vatertag wäre ja noch nicht zu Ende: Gegen Mittag beträten – wenn überhaupt – die älteren Kinder die Vatertagsbühne. Sie hätten einen überteuerten und – weil erst in der letzten Minute kurz vor Ladenschluss gekauft – zerfledderten Blumenstrauß in den ungewaschenen Händen, vielleicht auch ein teures, wirklich sehr teures Anti-Aging-Augenserum, nach dem man nur schnell gegriffen hatte, weil man dachte, so klein wie das ist, kann es ja nicht viel kosten. Das ist der Moment, in dem Teenager auch mal etwas Neues lernen.

Im Lauf des Vatertags würde dann der Vater oder wahlweise der Schwiegervater ins Haus schneien, die der Vater dann seinerseits mit Selbstgebackenem und kleinen Präsenten beehren müsste, bevor er dann – schließlich wäre der Vatertag nun fast zu Ende – die Reste des Tages zu beseitigen hätte: Dann muss Geschenkpapier entsorgt werden, die Spülmaschine eingeräumt, die Krümel weggekehrt und das Abendbrot für die Familie gemacht werden, die sich ihrerseits von den Verwöhnstrapazen des Vatertags erstmal erholen muss.

Dieses schöne Gedankenspiel hat natürlich zwei Seiten: Ein vom Vatertag inspirierter Muttertag würde für uns Frauen wirklich viel Neues bieten: Mit dem festen Vorsatz, bis zum Mittag nicht mehr nüchtern zu sein und dabei alle im letzten Jahr irgendwie eingesparten Kalorien wieder reinzuholen, würden wir uns mit einer johlenden Truppe Gleichgesinnter und einem mit rosa Blümchen geschmückten Bollerwagen auf den Weg machen – wohin auch immer. Darin köstlich belegte Lachs-Brötchen mit Ruccola und Prosecco statt Bier – man muss den Männern ja nicht alles nachmachen. Traditionell würden wir aber schon die Biergärten der Region anfahren, im Zweifel natürlich selbst grillen – falls eine von uns das Feuer anbekäme -, und ich denke, man könnte auch mal versuchen, dabei auf Salate zu verzichten. Klappt ja bei Männern angeblich auch. Ob wir uns allerdings, wie vorgestern am Vatertag zu beobachten war, auch allesamt nebeneinander an den Waldrand oder hinter ein parkendes Auto hocken würden um öffentlich und im Kollektiv Platz für neuen Prosecco zu schaffen, bezweifle ich. Irgendwo hört’s dann doch auf. Und das täte es besser auch beim Originalvatertag. Aber das nur am Rande.

Deutschland scheint übrigens weltweit das einzige Land zu sein, in dem die Männer am Vatertag den starken Zwang verspüren auszubrechen und ihre Ketten für einen Tag lang zu sprengen! Warum das so ist? Keine Ahnung – ich gehöre ja zu der glücklichen Bastel- und Kuchenfraktion, zu den Original-Muttertaglerinnen, demjenigen Teil der Menschheit, der so frei ist, dass er nicht mal an seinem ureigenen Tag ausbrechen muss. Kein Wunder, dass die Männer darauf neidisch sind!