„Unvorhergesehene Katastrophen meistern“
Ja, was soll ich sagen: Schön war’s wieder mal zu lesen – zumal alle Gäste in der Schmuckschule bei Victoria gut drauf waren und genauso wie ich Lust auf einen schönen Abend hatten.
Um euch zu berichten, klaue ich jetzt einfach mal beim Kollegen Claus Schwing, der den Abend auf seine unnachahmliche Weise zusammengefasst hat und auch die Bilder zur Verfügung stellt:
Rainrod. Auserkauft! Annähernd 60 Personen fanden am Samstag den Weg in die Schmuckschule in Rainrod (Schwalmtal) bei Alsfeld. Es galt ein weitgehend unerforschtes Terrain zu erkunden: Die Kulturgeschichte der Handtasche. Frei nach Loriot könnte man schlussfolgern: Ein Leben ohne Handtasche ist möglich, aber sinnlos. Die Veranstaltung vom Kulturverein Karuszel-Gebirgskulturen e.V. im Rahmen des Kultursommers Mittelhessen fand großen Zuspruch.
Nur wenige Männer wurden gesichtet. Das kaum bearbeitete Thema ist nun mal primäre Frauenangelegenheit. Nahezu mühelos gelang es den Vogelsberger Initiatorinnen Traudi Schlitt, Helga Weigand, Anne Diesing und Viktoria Wittek Dutzende von Handtaschen für die Ausstellung in mehreren Räumen der Schmuckschule zu organisieren. So verfügt Schlitt über 40 im aktiven Gebrauch befindliche Handtaschen, Weigand kommt auf über 50, die allesamt „in ihrer Vielfalt von der Zeit sprechen, als sie ein besonderer Blickpunkt waren.“
Umrahmt von über hundert ausgestellter Objekte hielt die Alsfelder Literatin Traudi Schlittt ein sehr aufwendig recherchiertes Referat zum Thema. „Wir begeben uns auf eine Reise in die wunderbare Welt der Handtaschen, eine wahrlich irre Welt, vielschichtig, unerschöpflich grenzenlos“ . Als in England die ersten Vorgänger der heutigen Handtasche auftauchten, nannte man die winzigen Beutel die „Unentbehrlichen“ . Taschen, betont Schlitt, „sind in der Regel stets das Spiegelbild der aktuellen Lebensumstände einer Frau“. Man könne den „lebenswichtigen Accessoires“ ansehen, ob die Besitzerin eine junge Mutter oder eine Hundebesitzerin sei. Windeln versus Leckerlis.
Für Traudi Schlitt und Helga Weigand sind Handtaschen „Wundertüten, gar schwarze Löcher, die zahllose Geheimnisse verbergen.“ Lippenstifte und Füller, Taschentücher und Pfefferminzbonbons , alte Kinokarten und womöglich ein verschwundener Liebesbrief , wer eine Handtasche nach lange Zeit mal wieder öffnet, wird in eine eigentlich längst vergessene Zeit geführt und an sie erinnert. „Das Leben“ , sagt Weigand, „ist wie eine Handtasche, niemand weiß so ganz genau, was sich darin befindet, weiß, so die Suche endet.“
Frauen, sagt Traudi Schlitt, seinen mit dem Inhalt ihrer Handtaschen allzeit bereit „unvorhergesehene Katastrophen zu meistern“ und zitiert die amerikanische Kolumnistin Enid Nemy, „Was eine Frau für lebenswichtig hält, bewegt sich in einem ganz anderen Rahmen, in einem viel größeren und kreativeren, als sich dies Männer vorstellen“.
Abgerundet wurde das Thema durch den Einsatz eines besonders ungewöhnlich Objektes: Die Zaubertasche, aus der der Licher Sozialpädagoge und Zauberer „Tomani“ Erstaunliches zu Tage förderte. Handtaschen können eben auch verzaubern.
Können Handtaschen auch „morden“? Am Sonntag, 10. Oktober 2021 um 18.00 Uhr wird im Museum im Vorwerk in Ulrichstein der bekannten Schriftsteller und Kriminalautor Charly Weller, sich der Frage annehmen. Auch diese Veranstaltung zum Thema Handtasche findet im Rahmen des Kultursommer Mittelhessen statt und wieder stehen Handtaschen im Mittelpunkt.