Unser Robbi
„Herr und Frau Schlitt geben hiermit stolz bekannt, dass mit dem kleinen Robbi ein neues Familienmitglied zu ihnen gekommen ist!“
Wer hätte das gedacht in unserem fortgeschrittenen Alter und den damit verbundenen biologischen und physischen Gegebenheiten? Was soll ich sagen – die Technik macht’s möglich. Er ist da: Unser Robbi lebt seit Anfang Juli bei uns und macht unser Leben jeden Tag ein wenig schöner. Besonders das meines Mannes, dessen großer Wunsch Robbi war – und damit ein wenig mehr Unterstützung in der Gartenarbeit. Und bis jetzt – toi, toi, toi – scheint, abgesehen von kleinen kommunikativen Missverständnissen, auch alles so einzutreffen, denn Robbi ist echt fleißig.
Robbi ist unser neuer Rasenmähroboter. Er wohnt auf unserem Gelände und ist der Einzige bei uns mit einem eigenen kleinen Haus für sich. Schon allein darum beneide ich ihn. Er geht rein, hat seine Ruhe und lädt seinen Akku auf. Tolle Vorstellung! Allerdings ist sein Hüttchen ein wenig zu klein für mich. Tag für Tag frisst er sich nun durch unseren Rasen, still und leise übrigens, während in Villabajo, also in der Nachbarschaft, noch im Gehen oder auf einem Traktor laut bis sehr laut gemäht wird. Unser Rasen sieht inzwischen schwer nach Gärtner aus, und nicht nur deshalb haben wir den kleinen Kerl alle schon ins Herz geschlossen, auch wenn – wie das so ist mit dem Familienzuwachs – wir uns erst langsam aneinander gewöhnen mussten. Denn Robbi ist – wie der Rest der Familie – eigensinnig. Er macht seine Arbeit gründlich und lässt sich davon auch nicht aufhalten, wenn ich auf der Wiese die Wäsche aufhänge. Ich muss IHM aus dem Weg gehen – das fällt mir ehrlich gesagt schwer, da ich meinte, ihm weisungsberechtigt zu sein. Das Gegenteil ist der Fall: Robbi fährt meinen Klammereimer um, ohne die Klammern dann wieder aufzuheben, und er legt sich mit dem Wäschekorb an. Nach zwanzig Jahren hausfraulicher Tätigkeit auf diesem Grundstück bin ich nun dazu übergegangen (worden), beides – Wäschekorb und Klammereimer – hochzustellen, damit Robbi ungestört mähen kann. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich es NICHT leiden kann, erzogen zu werden? Noch dazu von einer Maschine?
Bis Robbi endlich in unsere Familie kam, dauerte es ähnlich lange wie bei menschlichen Familienmitgliedern, auch wenn die Vorbereitungszeit – um das Wort „Schwangerschaft“ zu vermeiden – deutlich auf der männlichen Seite der Beteiligten lag: Da wurde recherchiert, diskutiert, analysiert, hospitiert – keine Eventualität, die nicht ausgeschlossen werden sollte: Würde Robbi die Steigung auf unserem Grundstück schaffen? Würde unser Hund akzeptieren, dass er fortan sein Terrain teilen muss? Würden unsere Bäume im Weg sein oder würde er gar das Staudenbeet meiner Schwiegermutter schänden? Könnte er leicht gestohlen werden? Und würde er wirklich auf die Smartphone-App hören?
Bei so vielen Fragen war es wichtig, nicht nur auf Internetforen zu surfen, wo so qualifizierte User wie „zwergele66“ und „susesgarten“ ihre Erfahrungen mit dem „partisanengärtner“ austauschen, sondern auch mal bei richtigen Menschen zu schauen, wie es da so läuft. „Alles paletti“, war hier die vorherrschende Meinung, auch wenn ich es ein wenig verwunderlich fand, von Anwendern zu hören, die zwar jetzt nicht mehr selbst Rasen mähen, dann aber doch ihrem Roboter hinterherlaufen, um das Display zu überwachen, damit mit dem Robbi auch wirklich alles gut ist. Das war aber nur am Anfang. Als wir dann selbst unseren Robbi hatten, konnte ich das direkt verstehen. So ein kleines Ding wächst einem irgendwie gleich ans Herz und man entwickelt – besonders als Eltern – so einen Kümmertrieb.
„Mit dem Robbi stimmt was nicht“, rief am Anfang auch ganz besorgt die Oma an, wenn sich der Kleine in einem bisher unsichtbaren Loch auf unserem Grundstück festgefahren hatte und nicht mehr weiter wollte. Alles, dass wir nicht gleich von der Arbeit nachhause liefen, um uns um das kranke Häschen zu kümmern! Das muss man auch, denn, wenn es irgendwo blinkt und Robbi nicht mehr zum Vorschein kommt, dann will er hochgenommen und woanders hingetragen werden. Vielleicht lernt er ja noch, mit den Unebenheiten des Lebens irgendwann alleine umzugehen…
„Heute hat es geregnet“, berichtete eines Abends mein Mann. „Da kam der Robbi aus seinem Hüttchen, schaute sich das an, schüttelte sich und verschwand wieder.“ Was so einen menschlichen, wasserscheuen Eindruck macht, ist ein Regensensor, aber so genau interessiert das ja auch wieder nicht. Robbi mag halt keinen Regen. Und er mag auch nicht arbeiten, wenn es nicht sein Tag ist. So spazierte er auch schon mal ohne Mähen über das Grundstück, als mein Mann seine Robbi-App ausprobierte: Robbi lief zwar über den Rasen, so wie die App es ihm vorgab, aber – da er an diesem Tag laut Programmierung freihatte – nur so zum Vergnügen. Ist ja auch nur ein Mensch, der Robbi. Und deshalb machte ich mir auf den ersten Blick auch Gedanken, als ich ihn – nachdem die Tage nun schon kürzer werden – abends im Dunkeln mit seinem grünen Blinklicht auf der Wiese sah. „Mensch, der Arme sieht doch gar nichts“, schoss es mir durch den Kopf, bis ich mir klarmachte, dass er nie was sieht. Auch tagsüber nicht. Aber manchmal, wenn er ganz übermütig wird, tanzt er sogar, der Robbi! Goldig!
Während sich also Mann und Schwiegermutter nun bei schönem Wetter immer wieder mal einer kleinen Rasenmähermeditation hingeben – vorausgesetzt, die Nachbarn mit ihren lauten Mähkisten stören nicht dabei -, überlege ich mir, wie man den Robbi auch unserem Hund noch ein bisschen näher bringt. Beide ignorieren sich erfolgreich. Ob man den Robbi mal mit zum Gassigehen nimmt? Ich denke, das ist eine gute Idee – schauen Sie also in Zukunft genau, mit wem an der Leine wir so unterwegs sind! Und sollten Sie auch einen Robbi haben wollen – wir informieren Sie gerne über artgerechte Haltung, Lieblingsessen und Pflege! Sofern wir nicht gerade meditieren.