… und es hat Zoom gemacht

Als Klaus Lage mit diesem Hammersong 1984 in der ganzen Republik für Furore sorgte und für ein Stück, das heute noch rauf und runter gespielt wird – zumindest dort, wo sich Ü-Fünziger gerne aufhalten, beispielsweise in meiner Küche -, mussten die meisten von uns erstmal kurz begreifen, was er damit meinte. „Es hat Suhm gemacht?“ Häh? Natürlich wusste man beim ersten Hinhören, was er meinte, nahm es sogar in den eigenen Wortschatz auf, auch wenn es bei nachträglichen Forschungen immer noch keinen Sinn ergab, ist „Zoom“ doch laut Wikipedia in erster Linie die technische Bedeutung eines Zoomobjektivs oder Zoomfaktors – Begriffe, die wir später mit Aufkommen der digitalen Fotografie wieder selbstverständlich in unseren Alltag aufnahmen. (Dass „Zoom“ auch der Name für einen Shortdrink aus Weinbrand, Sahne und Honig ist und dass es auch das Wort Zoom (= Zo-ohm) gibt, das für den tierischen Bestand eines Bioms steht, erwähne ich hier nur, damit Sie, liebe Lesende, nach der heutigen Lektüre einen eventuellen Wissenszuwachs verbuchen können – ähnlich wie ich beim Schreiben.)

Und jetzt? Jetzt gibt es nur noch eine Bedeutung von Zoom, die alles andere weit, weit überstrahlt. Ganz ehrlich: Wer von Ihnen hat noch nicht gezoomt? Also, wir zoomen stets und ständig an der Arbeit. Wir treffen uns in verschiedenen Gremien öfter als vorher, weil wir ja jetzt so wahnsinnig viel Fahrzeit sparen und uns nicht mehr in echt treffen müssen, was in diesen Zeiten ja durchaus von Vorteil ist (und in anderen manchmal auch).

Wobei ich mit Zoomen natürlich alle Arten von Videokonferenzen meine. Ich denke, es ist nicht übertrieben zu sagen, dass „Zoom“ ähnlich wie „Tempo“ oder „Tesa“ eine derartige Marktstellung hat, dass es schon jetzt als Synonym für Videokonferenzen dienen kann (ein Phänomen, das man übrigens – Achtung, Wissenszuwachs – als „Deonym“ bezeichnet).

Mein Verhältnis zum Zoomen ist gemischt: Gerade in den harten Corona-Zeiten fand ich es toll, sich auf diese Weise überhaupt zu sehen, und schon vorher gab es in meinem beruflichen Umfeld Bestrebungen, Besprechungen über größere Entfernungen per Video zu veranstalten. Nach inzwischen gefühlten fünfzig Zoom-Konferenzen ist der Lack so ein bisschen ab. Der Nutzen bleibt unbestritten, die technischen Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgereizt, aber so langsam hoffe ich, dass wir nach Corona – whenever – auf ein normales Maß an Zoom-Konferenzen kommen. Schon allein, weil die kleinen geheimen Interaktionen auf Meetings aller Art halt eher persönlich stattfinden kann. Ich weiß zum Beispiel genau, bei welchem Wortbeitrag eines Kollegen meine Kollegin, die ich wie die anderen Teilnehmenden briefmarkengroß auf dem Bildschirm sehe – eine Ansicht, die im Netz des Öfteren mit dem Publikum der Muppetshow verglichen wird -, die Augen verdrehen würde. In echt würde ich sie anschauen und grinsen, aber wenn ich das jetzt tue, grinse ich alle an, die zufällig grade auf mich schauen, und meine Kollegin kriegt es vielleicht gar nicht mit. Ich könnte ihr das zwar im Chat schreiben (so nach dem Motto „Der schon wieder – ich wusste es!“), aber damit ist es ja auch so eine Sache: Kaum hat man mal nicht aufgepasst, hat man die Privatnachricht an die ganze Truppe geschickt. Und manche Sachen sind halt nur bedingt massentauglich.

Apropos Hinschauen: Ich bin der Meinung, dass die meisten während der Videokonferenzen ohnehin nur auf sich selbst schauen, damit sie möglichst gut rüberkommen. Man sieht ja bei Zoom immer so ein bisschen unecht aus mit Tendenz zu unvorteilhaft. So ist man ständig auf der Suche nach der besseren Perspektive: Falten, Augenringe, Doppelkinn – ganz schön anstrengend, wenn man sich immerzu selbst ansieht, und sich dabei ertappt, wie blöd man eigentlich schaut, wenn man sich unbeobachtet oder gelangweilt oder beides fühlt. Und was hat die Chefin da eigentlich grade erzählt?

Und dann natürlich die Sache mit dem Hintergrund: Damit kann man ja unglaubliche Effekte erzielen: Einer meiner Kollegen hat immer so einen virtuellen Meereshintergrund mit Palmen und trägt dazu türkisblaue Hemden. Macht einen mega-entspannten Eindruck, ehrlich. Ein anderer, der analog immer so ein bisschen schlampig rüberkommt, hatte sich eine beeindruckende Bücherwand in den Hintergrund projiziert, dabei aber übersehen, dass einfarbige Hintergründe hinter dem Hintergrund von Vorteil wären. So taten sich in dem virtuellen Hintergrund dauernd irgendwelche Löcher auf, die den Blick auf ein völlig chaotisches Arbeitszimmer freigaben. Was ich wiederum typisch fand und eigentlich auch schön: Ich schaue gerne in anderer Leute Wohnungen und Zimmer und da bietet Zoom doch ganz neue Möglichkeiten. Niemals hätte ich gedacht, dass die eine Kollegin tatsächlich vor Eiche rustikal mit Kuckucksuhr sitzt. Und was will der Kollege, der so sehr mit seinem Waldhintergrund verschmilzt, dass er wie ein durchgeknallter Waldgeist im Nebel ab und zu daraus hervorschaut, uns mit dieser Performance sagen?

Als Letztes müssen wir uns den Kollateralschäden zuwenden, die aus den Zoom-Konferenzen bisher bekannt sind: Unsere Tageszeitung berichtete bereits im Juli von Problemen, die ein spanischer Journalist mit seiner Partnerin bekam, als während eines Live-Interviews aus dem Homeoffice seine nur leicht bekleidete Geliebte durch das Bild huschte. Ein anderer Spanier duschte während einer Konferenz und war nackt zu sehen, weil er vergessen hatte, die Kamera auszuschalten. Ich selber habe schon mindestens fünfmal Schweißausbrüche gehabt, weil ich mit einer Kollegin im Büro abgelästert habe und mir auf einmal unsicher war, ob das Mikrofon abgestellt war. Obacht, kann ich da nur jedem und jeder raten!

Aber sonst alles fein. Ich habe echte Begegnungen schon immer sehr gemocht und mag sie jetzt noch mehr. Und ich hoffe nur, dass wir es noch merken, wenn es irgendwann wieder mal in echt „Zoom“ macht.