Traudi, Energie!

Das mit der Energie ist ja so eine Sache. Wir Deutsche brauchen viel davon und haben doch – zumindest mit unseren bisherigen Anstrengungen – nur wenig davon vor Ort. Und jetzt wird sie auch noch knapp. Damit war ja nicht zu rechnen, also zumindest nicht die nächsten paar Jahre. Aber jetzt?! Die Generation der überversorgten Nachkriegskinder, -enkel und -urenkel steht erstmals einem gefährlichen Zustand der Knappheit gegenüber. Da war das mit dem Klopapier, den Nudeln, dem Mehl und dem Öl ja grade mal ein kleines Warm-Up.

Was kann man da bloß tun? Wie kann man die Zustände der Kälte und des Stromausfalls in unseren vergleichsweise immer noch idyllischen Breiten vorherberechnen? Welchem der Szenarien von „Nichts von allem wird geschehen“ bis hin zum „Totalen Blackout“ wollen wir uns anschließen? Wie viel Essen wollen wir bunkern? Wie wollen wir es im Ernstfall erhitzen und mit wem wollen wir eigentlich teilen?

Ich muss sagen, ich stand diesen ganzen Problemen bisher eher abwartend mit Tendenz zu naiv gegenüber. „Wird schon irgendwie“, dachte ich. Konnte ich auch, denn ich wohne mit Menschen zusammen, die in dieser Hinsicht das Gras wachsen hören und schon im Frühjahr für Brennstoff bis Anfang 2024 gesorgt haben. Die sich Gedanken darüber machen, wie man jetzt noch den günstigsten Stromanbieter findet, ob sich der Eigenverbrauch der seit Jahren auf dem Dach produzierten Strommenge rechnet oder ob man da mit der Strompreisbremse vielleicht doch einer Milchmädchenrechnung aufgesessen ist. Die für ein Aggregat samt Treibstoff gesorgt haben, damit wir zuhause autonom sind und unsere wichtigste hausinterne Infrastruktur betreiben können, wobei noch erbittert über die Hierarchie der Gerätschaften gestritten wird: Während ich die Kaffeemaschine weit oben angesiedelt habe, meinen andere, die Heizung gehöre an die Spitze. Oder der Tiefkühlschrank, der Herd oder das Bügeleisen.

Während also um mich herum recherchiert, berechnet und verglichen wird wie wild, denke ich wehmütig an die Heubacher Gewitternächte meiner Kindheit, in denen regelmäßig der Strom ausfiel. Ein Zustand, dem wir mit Taschenlampen und Kerzen begegnet sind und den ich als außerordentlich heimelig in Erinnerung habe. Und eine Option, die von unserem hausinternen Krisenmanagement offenbar nicht in Erwägung gezogen wird. Angesichts der Mengen an Kerzen, die ich als IKEA-Kundin der ersten Stunde in den letzten vierzig Jahren gebunkert habe und die mir jetzt beim weihnachtlichen Schmücken wieder in die Hände fielen, finde ich allerdings, dass meine Rolle im Krisenteam unseres Hauses – das im Übrigen nur aus einer männlichen Person besteht – ausbaufähig wäre, mehr noch, sogar unbedingt ausgebaut werden muss. Ich kann mehr als nur verwundert bis verständig nicken, wenn unser Expertenrat mir die Lage erklärt, denn die Ressourcen, die ich mitbringe, muss man auf dem freien Markt inzwischen lange suchen. Neben Kerzen, deren Heizwert nicht zu unterschätzen ist, sind dies nämlich auch Fressalien, mit denen ich unsere Familie und auch noch ein, zwei bedürftigen Freundinnen oder Freunde locker durch vier Wochen ohne Einkaufsmöglichkeit bringen könnte. Während hierfür natürlich ein energetisches Zusammenspiel aller Beteiligten – also im Ernstfall auch des Notstromaggregats – nötig wäre, sehe ich dafür beim Heizen derzeit keinerlei Notwendigkeit:

Meine aktuelle Lebensphase ermöglicht es mir nämlich, Körpertemperaturen anzunehmen, die kein Mann – und sei er noch so krisenfest – je für möglich halten würde und die mich in die Lage versetzen, unseren 80-Quadratmeter-Wohnraum in maximal fünfzehn Minuten auf Wohlfühltemperatur zu bringen – und zu halten. Davon ausgehend könnte man auch in der Öffentlichkeit mit dem strategischen Wärmeeinsatz von Frauen in den Wechseljahren planen, finde ich. Glücklicherweise sind ja die Corona-Beschränkungen wieder aufgehoben, sodass man beispielsweise in Unternehmen und Amtsstuben Büros zusammenlegen und in jedes – je nach Größe – ein, zwei oder mehr Frauen zwischen fünfzig und sechzig setzen könnte. So wie ich meine Art- und Altersgenossinnen kenne, würde sich das nicht nur temperatürlich positiv auswirken, nein, wir könnten auch unsere ganze Lebenserfahrung mit den Jüngeren teilen und alles an Austausch nachholen, was in den letzten drei Jahren zu kurz gekommen ist. Denn wir sind nicht nur hot, wir sind auch kommunikativ!

Und während ich so überlege, fallen mir noch ganz viele niedrigschwellige vollbiologische, erneuerbare und recyclingfähige Energiemix-Angebote ein: In den Unternehmen könnte man die Rentnerinnen und Rentner aktivieren, die sich quasi als Biofüllmasse zwischen die Arbeitsplätze setzen könnten und ihre Zeit mit dem Anfertigen von Pulswärmern, Schals und anderen nützlichen Dingen verbringen, hergestellt aus den Wollresten der Nation, zu denen ich gerne mehrere Kilogramm beisteuere. Die Rentnerinnen und Rentner könnten in dieser Zeit nicht nur zuhause die Heizung auslassen, sondern wären auch vor Alterseinsamkeit geschützt. Ein genialer Plan, finden Sie nicht? In den Schulen könnte der Sportunterricht sich auf Fahrradfahren mit integrierter Stromerzeugung fokussieren. Wenn pro Schulstunde beispielsweise immer ein ganzer Jahrgang radeln würde, wäre eine Schule mit ihrer CO2-Bilanz und der Einsparung herkömmlicher Energien schon ganz weit vorn. Gleiches könnten wir im Schwimmbad machen: Aquacycling und Stromerzeugung in einem. Für die Sauna wird’s wahrscheinlich nicht reichen, aber vielleicht für das Licht in der Umkleidekabine. Wäre ja auch schon was.

Also, ich finde, ich kann mich jetzt nicht mehr raushalten, wenn es um die Energieversorgung bei uns zuhause, hier in Alsfeld oder dem ganzen Land geht. Da sind so Ideen wie Pellets tanken oder Aggregate vorhalten, eine Wärmepumpe einbauen oder ein Balkonkraftwerk installieren ja regelrecht fantasielos.

Also, meine Damen, los geht’s – die Expertinnenrunde braucht uns!