Tiefgekühlt

Frauen lieben es ja, Dinge einzufrieren: Frisches aus dem Garten, Übriggebliebenes vom Mittagessen, Grillvorräte im Frühling, Errungenschaften vom mobilen Frostlieferanten für „wenn ich mal nicht da bin, die Jungs aber schnell ein Essen brauchen“, Wollpullover, die schockgefroren nicht mehr fusseln sollen. Vieles davon könnte man sich sparen. Manches rutscht in die hinterste Ecke und dümpelt unter einer leichten Eisschicht vor sich hin, bis es vergessen ist und die Einfriererin Monate oder Jahre später davon überrascht wird, wenn es bei Ausgrabungen im Gefrierschrank wieder zu Tage kommt – meist ohne Etikett, da es ja nur mal kurz aufgehoben werden sollte. Über das weitere Schicksal eines solchen, in bester Absicht eingefrorenen Päckchens will ich an dieser Stelle lieber schweigen. Es ist kein Ruhmesblatt in Sachen Haushalts- und Nahrungsmittelmanagement.

Gut, dass man sich jetzt endlich mal auf höherer Ebene des Einfrierens annimmt: Apple und Facebook haben das „Social Freezing“ erfunden! Es wurde auch Zeit! Nachdem jahrelang nur Nahrungsmittel eingefroren wurden, können nun endlich auch Eizellen eingefroren werden. Darauf hat die Welt gewartet! Ok, erfunden haben die Damen und Herren der Vorstände dieser beiden Unternehmen das Einfrieren von weiblichen, vielleicht muss man mal der Erklärung halber dazusagen, menschlichen Eizellen natürlich nicht, und es gibt das auch schon länger, aber sie sind die ersten Unternehmen, die es ihren Mitarbeiterinnen quasi als Sonderleistung zusätzlich zum Gehalt anbieten. So wie Fitness im Betrieb oder Blumen zum Geburtstag. Natürlich nur aus reiner Nächstenliebe, versteht sich. Denn wenn die Eizellen erstmal friedlich im Frost ruhen – der hoffentlich aufgeräumter ist als meiner -, dann kann sich eine Frau ganz entspannt der Firma, aäh, ihrer Arbeit und Karriere widmen und auf den richtigen Zeitpunkt warten, um Mutter zu werden. Oder auf den richtigen Mann. Dessen Alter spielt ja beim Kinderwunsch angeblich keine Rolle (siehe Charlie Chaplin oder Jean Pütz) – ebenso wenig wie der Wunsch des Kindes nach dem passenden Alter der Eltern berücksichtigt wird. Denn trotz gestiegener Lebenserwartung ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass über 70-jährige Väter ihre Kinder bis zum Erwachsenenalter begleiten. Und die Mütter? Die mit den von Apple und Facebook eingefrorenen Eizellen? Können die ein solches Angebot am Anfang ihrer Karriere eigentlich ablehnen? Und wann wissen sie, wann der richtige Zeitpunkt ist, die Dinger wieder aufzutauen? Wenn die Karriere auf dem Tiefpunkt ist? Wann ist man als Frau für sein Unternehmen nicht mehr wichtig? Oder andersherum: kann man es verantworten, das 20.000- $-Geschäft platzen zu lassen, wenn es einem gerade danach ist, man aber für die Firma just zu diesem Zeitpunkt schwer abkömmlich ist? Schließlich hätte die dann ja umsonst investiert! Wann also macht eine Frau sich mit ihrer Familienplanung bei ihrem Chef am wenigsten unbeliebt?

Es ist auch ohne eingefrorenen Eizellen für Frauen heute schwieriger denn je, den richtigen Zeitpunkt für die Familienplanung zu finden. Das hängt aber nicht daran, dass irgendwas nicht eingefroren oder aufgetaut ist, sondern dass Kinder heute den Frauen immer noch die Karriere versauen und ein Armutsrisiko sind. So einfach ist das. Egal, ob die Frauen 30, 40 oder 50 sind, wenn sie Kinder kriegen. Es sei denn, man ist Ursula von der Leyen, aber wer will das schon? Vielleicht würde es mit 60, so zum Rentenalter hin, etwas komfortabler. Ein Alter, in dem auch Firmen dann langsam gerne zu ihren Mitarbeiterinnen Adieu sagen. Und zum Ausstand kriegen sie dann in einem Tupperdöschen noch ihre 35 Jahre altem Eizellen mit – zur freien Verfügung sozusagen.

„Was modern ist, ist noch lange nicht praktisch“, sagt meine Schwiegermutter manchmal. Manchmal hat sie damit Recht. Praktisch wäre es, wenn man manche Idee einfrieren könnte, am besten in meinem Gefrierschrank. Dort hätte sie gute Chancen, ohne Etikett vor sich hinzudümpeln, bis Jahre später keiner mehr wüsste, was drin war. Und so richtig frisch wäre sie dann ja auch nicht mehr …

So, jetzt aber mal zum Gefrierschrank, schauen, was sich heute Schnelles zum Mittagessen darin findet – guten Appetit!