Super-Göttin

In der vorletzten Woche hätte ich alles werden können, was ich nicht bin: Sommergöttin und Supermom. Ein Angebot, das in dieser verlockenden Kombination sicher nicht alle Tage kommt. Umso bedauerlicher, dass ich es ungenutzt vorüberziehen ließ.

„Wecken Sie die Sommergöttin in sich“, lockte nämlich mein Online-Favourite-Kaffee- und-Kleider-Handel. Als ich – von einem deutlichen innerlichen „Ja“ getrieben, draufklickte, erschrak ich zunächst ein wenig. Während mir nämlich schöne Sommerkleidung vorschwebte, warb man hier für die „fröhlichen Farben und luftigen Stoffe der neuen Wäschekollektion“. Als Sommergöttin ist man anscheinend leicht bekleidet, dachte ich, und nahm ein wenig Abstand von der geplanten Metamorphose. Allerdings: Unter der Überschrift „Auffällig schön“ tummelte sich ein Model in meiner Größe – und in Wäsche. Das hat man selten: die Sommergöttin, leicht bekleidet und übergewichtig – wenn auch zwanzig Jahre jünger als ich. Oder dreißig. Neugierig geworden, scrollte ich weiter und fand – dem Anlass, einem bestimmten Sonntag im Mai, entsprechend – das nächste Versprechen: „Supergewinne für Supermoms“. Ich habe mich in meinem Leben ja schon für vieles gehalten, eine „Supermom“ war noch nicht dabei. Ich zögerte ein wenig, doch natürlich siegte die Neugierde: Was könnte ich wohl gewinnen, wenn ich eine Supermom wäre? Neben einem Jahresabo für frische Blumen winkte auch ein wirklich, wirklich sinnvoller Preis: Der „Esperto2 Milk“, ein Kaffeevollautomat. Milk wäre für mich zwar überflüssig, aber mit ständig verfügbarem Kaffee kann man mich schon sehr, sehr glücklich machen. Und in Betriebsbereitschaft halten. Ja, ich würde sogar behaupten, was früher das gute, alte Frauengold war (mit goldenem Becherdeckel für einen wohltuenden Schluck Hochprozentiges), ist heute der Kaffee. Zumindest für mich. Nach der Unterwäschewerbung wirbt das Kaffeehaus für buntes Treiben in der Küche. Kurz hatte ich eine Idee davon, was das wohl sein könnte – schließlich haben auch Mütter so ihre Fantasien -, aber es war wirklich Kochen und so gemeint.

Die Kombination aus Supermom und Sommergöttin brachte mich gedanklich zu den „Erwartungen an eine Frau“, die Florian Schroeder vor Jahren schon in einer Talkshow formuliert hat: Zwischen Mutter und Göttin liegen noch Model und Karrierefrau, Sportlerin, Ehefrau, Krankenschwester, Nachhilfelehrerin, Ernährungsberaterin, Putzfrau und natürlich Sexbombe – und all das mit der perfekten Mischung aus Nonchalance, Feminismus und Humor. Ja, wenn’s sonst nichts ist. Is‘ ja leicht. Und schließlich bekommen wir dafür auch am Weltfrauentag eine Blume und am Muttertag einen ganzen Strauß.

Um besser zu sortieren, was man vielleicht außer Supermom und Sommergöttin an einem warmen Muttertag noch werden könnte, legte ich in meinem Eingangspostfach einen Ordner „Super-Göttin“ an und verschob eine Woche lang alle relevanten Angebote dorthinein. Über vierzig. Auch sie verhießen mir wunderbare Dinge, u.a. eine ganze Ladung Extra-Treuebohnen oder einen Muttertagsrabatt von 10, 15, 25 oder gar 30 Prozent, einzulösen mit so schönen Codes wie MAMA15. Süß, oder? Die kennen uns wirklich, da im Internet, denn sie wissen, dass wir uns die schönsten Sachen ohnehin am liebsten selbst kaufen. Adidas wirbt sogar mit „Mama weiß es am besten.“ Ja, Adidas, und was ist daran jetzt neu?

Und sonst so? Schuhe für durchtanzte Sommernächte, Badeanzüge für jeder Figur (also mit starkem Shaping) und luftig-leichte Stoffe für Styles in lockerer Passform. Anderswo garantieren ein entspannter Schnitt und hochwertiges Material einen coolen Look und ein angenehmes Tragegefühl den ganzen Tag über, ähnlich wie das Babsi-Kurzarm-Sweatkleid oder die üppigen Proportionen für die besondere Note. Geht doch. Als Gegenentwurf finden wir Top, Kleid oder Rock in elastischem Material, das sich perfekt an meine Körperform anpasst und meinem Outfit zusätzlich etwas Struktur verleiht. Joh. Dann bestelle ich doch am liebsten gleich noch die Cool Sensation Miederhose von Miss Mary mit. Mit langem Bein natürlich. Kann ja nicht schaden.

Ein Versandhandel lockt mit „Strahlend schön in Weiß“ – fehlt speziell für mich der Zusatz: „Zwei Minuten lang“. Dann war’s das nämlich mit Weiß. Und während ich das früher auf die Kinder schieben konnte, meist zu Unrecht (so viel zum Thema Supermom), muss ich heute dafür selbst gradestehen – wie ganz früher, als ich noch keine Kinder hatte, und sich jedes weiße Kleidungsstück direkt mit Ketchup, Spinat oder Makeup vereint hat. Heimlich bewundere ich Frauen, die ganze Sommertage lang in Weiß durch die Welt schweben. Und nachts auch noch. Leider gehöre ich nicht dazu.

Ganz schön viel Auswahl, würde ich sagen, und habe doch die große Chance zum Wechsel in die Liga der Sommergöttinnen verpasst. Wie gut, dass noch rechtzeitig ein Changemaker im Angebot war: „Mit der VIU Eyewear machen wir uns bereit für einen Sommer voller Erinnerungen und blicken optimistisch in die Zukunft.“ Puh, da ist es ja auch nicht so schlimm, dass Frauengold seit 1981 vom Markt ist. Brille auf und gut is‘. Der Sommer kann kommen.