Speicherprobleme
Es war Ostern. Und wie immer an solchen Feiertagen bekomme ich massive Probleme mit meinem Speicherplatz. Und mit dem meines Handys. Mein Speicherplatz wird zum einen mit Terminen aller Art, an die man denken muss, auch wenn man sie absagen will, beansprucht. Verabredungen, Einladungen, Kirchgänge, Kindertermine – im Frühling häuft sich einfach alles. Es ist schier unglaublich, wie viele Menschen im April und im Mai Geburtstag haben! Da sieht man diese heißen Vogelsberger Augustnächte doch gleich nochmal in einem anderen Licht!
Neben dem geistigen Speicherplatz gerät auch der physische Speicherplatz an seine Grenzen, denkt man an die ganzen Rüblikuchen, Osterlämmer in jedweder Form, die Eiersalate und Lachsfrühstücke und natürlich an die vielen Osterhasen und Schokoeier, die sich wie von selbst ansammeln und sich im Besonderen mir immer wieder ganz furchtbar aufdrängen. Was über die Feiertage so an Essbarem über die privaten Esstische geht und aus den Küchen der Gastronomie kommt, ist allerdings nichts, wirklich nichts, im Vergleich zu dem, was in diesen Tagen so durch den Äther wabert.
Denn kaum naht irgendein Event oder ein Feiertag, seien es religiöse Anlässe wie Ostern und Weihnachten oder weltliche Feiern wie Neujahr, Valentinstag oder Muttertag, geht es los, das Bombardement mit vermeintlich witzigen Clips, die unbedingt in die Welt müssen. Von rührselig bis abartig ist bei den Filmchen, Bildchen und Animatiönchen, die man da so ungefragt und wiederholt geschickt bekommt, alles dabei. Und alle, die auch mich immer mit solchen Dingen bedenken, müssen jetzt ganz stark sein: Ich will sie nicht! Ich will keine Schlümpfe, die mir mit komischer Stimme Essvorschriften machen, keine Häschen, die Hoppel-Hoppel-Hoppel mit großen Augen Ostereier bemalen und meinen Speicherplatz zumüllen, eigentlich will ich auch keine bekifften Osterhasen in SM-Outfit sehen, selbst wenn die Aussage „Irgendwas stimmt mit Hasi nicht“ ein kleines bisschen, ein ganz kleines bisschen was Anarchistisches hat.
Mir graut jetzt schon vor Muttertag, wenn wieder diese ganze weichgespülte Rosensülze über die Handys schwappt. Ja, ich weiß, was Mütter leisten, ich bin ja schließlich selbst eine, aber diese Kitschattacken mit Pseudomessage gehen mir tierisch auf den Geist. Und ganz ehrlich: Tiervideos von putzigen kleinen Vögelchen, die mit einem Kater schmusen, oder von Hundchen, die die nicht baden wollen und deshalb noch blöder aus der Wäsche schauen als ihre Herrchen oder Frauen, mag ich auch nicht. So. Jetzt ist das auch mal gesagt.
Und je mehr ich darüber nachdenke, was das alles soll, umso mehr mache ich mir Gedanken um den Zustand der Welt. Zum einen frage ich mich, wie das mit dem Datenmüll ist, der damit Sekunde für Sekunde in Form von Milliarden von Gigabytes (schätze ich zumindest) durch das WorldWideWeb und damit ja wohl irgendwie auch durch die Atmosphäre geistert. Unnütz wohlgemerkt! Blockiert der die Übermittlung wichtiger Dinge? Macht er das Internet langsam? Ist er gar schädlich für Mensch und Tier, also jetzt nicht intellektuell, sondern auch gesundheitlich? Die andere Frage ist die, wer den ganzen Scheiß produziert?! Wer um Himmels Willen sitzt in seiner vermutlich abgedunkelten, von Pizzakartons zugemüllten Bude und animiert Schlümpfe, Osterhasen, Pinguine und sonstwas? Wenn man „Schlumpffilmchen“ googelt, findet man heute 45.700 Ergebnisse! Ehrlich! Da ist es nicht weit bis zu der Frage, wer am Ende davon profitiert? Die unheimliche Daten- und Werbemafia vielleicht? Oder diejenigen, die froh sind, dass die Hirne und Hände der Versender und Leser sich mit blödem virtuellem Kram beschäftigen und nicht mit dem, was um sie herum passiert? Wäre es nicht viel sinnvoller, man würde anstelle von Welpen-Clips lieber etwas für das Bewusstsein der Weltbevölkerung tun?!
Clips von einem animierten Trump, der gerade der Freiheitsstatur in den Schritt greift, gehen viel zu selten um die Welt, ebenso von Erdogan, Putin oder von Kim Jong-un. Wenn schon jemand lächerlich gemacht werden soll, dann doch zumindest die, die es verdient haben. Liebe Programmierer, Animierer, Späßchenmacher, setzt doch den Damen und Herren in der Politik weiße, kondomähnliche Mützen auf und gebt ihnen komische Stimmen, mit denen sie am besten genau das sagen, was sie sonst auch sagen. Von mir aus auch hoppelnd und mit komischen Ohren (passend zu komischen Haaren und viereckigen Köpfen). Hätte man damit nicht vielleicht genug zu tun und um die Welt zu schicken? Und zum Lachen wäre das trotz aller Bitterkeit auch.
Und übrigens, es gibt ein paar Whatsapp-Filmchen, die mich mitten um grauen Alltag zum Lachen bringen und die ich auch schon geteilt habe und nicht sofort von meinem Handy entferne. Aber dabei war noch nie, wirklich noch kein einziges Mal ein Schlumpf.