Schönrechnerei

Neulich in Berlin. Ich besuchte ein Seminar und übernachtete bei meiner Freundin. Wir waren am Abend in der Stadt verabredet und ich hatte noch zehn Minuten Zeit. Da ging doch was! Nichts wie rein in die „Shoe City“, dachte ich mir, steuerte zielstrebig, geradezu magisch angezogen, auf ein Paar dunkelrote Stiefel zu, die unter zigtausend anderen Schuhen in der Hauptstadt nur auf mich gewartet hatten. In Windeseile musste ich mich entscheiden. Brauchte ich diese Schuhe? Natürlich nicht, aber diese Frage stellte sich auch gar nicht, vielmehr die: Konnte ich mir diese Schuhe leisten? Ratter, ratter, ratter! Es begann das große (Frauen-)Rechnen:

Also, ich hatte den Frühbucher-Rabbatt der Bahn genutzt und dazu noch die Nutella-Bahn-Card 25. Nun weiß natürlich weder irgendein Mitarbeiter bei der Bahn, was ich da genau gespart hatte, noch konnte ich es selbst ausrechnen, aber es musste doch eine ganze Menge gewesen sein, dachte ich. Also, mindestens für einen Schuh sollte es reichen. So weit, so gut. Der andere Schuh: Ich sparte zwei Hotelübernachtungen, weil ich ja bei meiner Freundin schlief. Und ich war soeben auf der Fahrt vom Seminar in die Stadt nicht beim (natürlich notgedrungenen) Schwarzfahren erwischt worden. 60 Euro gespart! Ach ja, und das Seminar kostete bei dem linksalternativen Anbieter nur so viel wie man bezahlen wollte. Ich hatte für das Tagesseminar die für mittlere Verdiener vorgeschlagene Summe von 50 Euro geboten – ein Klacks, im Vergleich zu dem, was man sonst so zahlt.

Am Ende dieser schnellen Rechnung hatte ich, Sie werden es sich denken, so viel Geld gespart, dass ich mir locker noch ein weiteres Paar Schuhe hätte kaufen können, aber dazu fehlte mir dann doch die Zeit. Bester Laune über so viel Ersparnis in nur zehn Minuten lud ich meine Freundin erst einmal zu einem Aperol in einer nahegelegenen Bar ein und natürlich freute auch sie sich mit mir über so viel Wirtschaftlichkeit, die umso schöner ist, wenn sie in Form von dunkelroten Stiefeln daherkommt. Für den Rest der Ersparnis fiel mir natürlich im Lauf des nächsten günstigen Seminar- und Abreisetages auch noch etwas ein, schließlich kommt einem in der Hauptstadt die Versuchung ja quasi bis auf den Bahnsteig hinterher. Dumm nur, dass, während ich noch schnell einen flauschigen Bademantel in einem der netten Geschäfte auf der oberen Ebene erwarb und die dazugehörige Kundenkarte speziell für Powershopper beantragte, um den einmaligen Rabatt von fünf Euro zu ergattern, auf der unteren Ebene mein Zug in Richtung Heimat davonfuhr. Da hatte ich mich doch glatt ein wenig mit der Zeit verrechnet… Nachdem ich mich von diesem Schreck erholt hatte, erwies sich die Nutella-Bahncard wieder als sehr hilfreich beim Nachlösen der neuen Fahrtkarte. Das damit Ersparte investierte ich aber dieses Mal nur teilweise – in einen Kaffee. Den hatte ich mir aber auch echt verdient! (Leider stieß ich ihn direkt nach dem Kauf um, und er ergoss sich über den schönen Abteilteppich, aber das ist nun eine andere Geschichte.)

Ja, ja, mit dem Rechnen ist das ja so eine Sache. Heute wird ja wieder die Uhr umgestellt. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wissen Sie auf Anhieb, ob die Uhr vor- oder zurückgedreht wird, ob wir nun eine Stunde kürzer oder länger schlafen dürfen oder, ganz schwierig, ob es nun früher hell und später dunkel oder umgekehrt wird oder ganz anders? Und wenn Sie es wussten, sind Sie Männlein oder Weiblein? Ich bin ja gegen so Geschlechterklischees, aber ich würde jetzt mal behaupten, dass Männer das eher wissen als Frauen, oder? (Auch wenn sie in anderen Angelegenheiten sicher nicht so geschickt rechnen können wie wir. Siehe Schuhkauf!) Eine kleine spontane Umfrage bei der Friseurin meines Vertrauens, wo ich während des Einwirkens der Haarfarbe an dieser Kolumne schrieb, bestätigte diesen Verdacht und sorgte für kleinere Diskussionen, wie man sich das mit der Zeitumstellung jetzt wohl am besten merken könnte. Was nun aber die Ausgangszeit ist, also ob die Winterzeit nun die eigentlich richtige Zeit ist oder die Sommerzeit, und wofür das Ganze heute noch gut ist, außer zur Verwirrung des Biorhythmus, speziell von Kindern und Haustieren, das wusste auch keiner mehr. Und selbst ich als versierte Expertin kann mir diesen Unsinn nicht schönrechnen. Ich versuch’s mal mit Schöntrinken – ich glaube, dazu wäre heute Nacht eine Stunde länger Zeit…