Schein-reich

Neulich ging mein Portemonnaie wieder mal nicht zu. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass man mit der Schreiberei so viel Geld verdienen kann“, werden Sie sich jetzt vielleicht sagen. Kann man auch nicht, und leider war die Barschaft im Geldbeutel auch relativ übersichtlich. Allerdings fanden sich darin viele, viele andere Dinge aus Papier und Plastik, die ich aussortieren kann, so oft ich will, und die doch immer wieder und wieder in irgendeiner Form auftauchen und sich breit machen: Da sind zum einen die ganzen EC-Belege, die ich unverdrossen sammle. Wozu, weiß ich auch nicht. Sie verschwinden in regelmäßigen Abständen in einer Plastikhülle, und noch nie, wenn ich einen gesucht habe – was selten genug vorkommt -, habe ich ihn darin gefunden. Dazwischen tummeln sich Steuerbelege jeglicher Art, die ich natürlich auch dann und wann aussortiere und einer anderen Zwischenstation zuführe, wo schon viele, viele weitere Zettel sich auf ihre Gesellschaft freuen, um in regelmäßigen Abständen meine Steuerberaterin vor unlösbare Probleme zu stellen. Nach wenigen Tagen bereits ist das geleerte Fach im Portemonnaie wieder voll. Von selbst. Mit Zetteln aller Art. Doch das ist nicht alles:

In die elf (!) Kartenfächer des Geldbeutels quetschen sich 31 (in Worten: einunddreißig!) Karten und Ausweise: Versichertenkärtchen von den Kindern und mir, Rabattkarten von Lebensmittelläden, Deko-Shops und Kaffeeröstern, die praktische Bezahlkarte eines schwedischen Möbelhauses, das mich netterweise in seine Familie aufgenommen hat. Ein Organspendepass, zwei Kreditkarten (von denen ich eine noch nie benutzt habe, aber man weiß ja nie, und wenn man sie schon hat…), zwei EC-Karten. In den größeren Fächern ruhen der Förstina-Treuepass und zwei Waschstraßen-Sammelkarten, von denen die zweite ausgestellt wurde, als ich die erste in dem Gewühle nicht fand. Daneben finden sich vier Gutscheine, die ich jedes Mal nicht hervorhole, wenn ich den betreffenden Läden bin. Einer dieser Gutscheine ist aus dem Jahr 2003, die Bezeichnung „DM“ geradeso durchgestrichen und durch „Euro“ ersetzt. Vielleicht kann ich den ja mal als historisches Dokument teurer verkaufen als sein nomineller Wert von 6 Euro es vermuten ließe. Überhaupt: Was will ich eigentlich mit einem 6-Euro-Gutschein aus einem Schuhgeschäft? In Lauterbach?! Und wie komme ich überhaupt dazu? Und wie komme ich zu den anderen Gutscheinen, die ich – extra für diese Glosse – im Rahmen meiner Möglichkeiten mal zusammengesucht habe? Wir bekamen sie ausschließlich geschenkt, denn – das weiß ich ja von mir selbst: „So ein Gutschein ist doch viel schöner als Geld. Und viel persönlicher.“ Und viel nachhaltiger ist er offenbar auch – die wenigsten verlassen jemals wieder das Haus! Obwohl ich erst vor wenigen Jahren den letzten DM-Gutschein eingelöst habe – in einem Alsfelder Geschäft, wo er lange vor meiner Alsfelder Zeit erworben worden war, damit er sich sehr lange in der hintersten Ecke irgendeines Schrankes verstecken konnte -, obwohl ich also diesen Gutschein inzwischen eingelöst habe, gibt es unter den noch vorhandenen immer noch ziemliche Altertümer. Einen von einer hiesigen Pizzeria aus dem Jahr 2009.

Aktuell könnte ich mich vor dem Pizzeriabesuch, wo ich für 5 Euro speisen könnte, für 30 Euro kosmetisch verschönern lassen. Und weil ich von den 5 Euro nicht satt würde, könnte ich für weitere 105 Euro mit meiner Familie Essen gehen – allerdings an vier verschiedenen Orten, was ja durchaus seinen Reiz hätte. Wenn wir satt wären, könnten wir für weitere 105 Euro ins Kino gehen, oder für 80 Euro in diversen Shops alles Mögliche erwerben. Danach wären wir wohl alle ziemlich geschafft: Da kämen uns dann die 109 Euro gerade recht, für die wir verschiedene Sauna- und Wellnessangebote wahrnehmen könnten. Ach so, und für 25 Euro könnte ich mir ein Buch kaufen – ein Gutscheinbuch vielleicht, mit ganz vielen guten Scheinen drin. Schein-reich zu sein ist eigentlich echt schön. Ich glaube, ich bleibe es noch ein bisschen…