Rouladenzeit

Für die meisten von uns sind ja so der Frühling und der Sommer die Top-Jahreszeiten. Für mich auf jeden Fall: Der Frühling ist so vielversprechend und so grün und so flirrend. Der Sommer so irre voll von schönen langen warmen Abenden, von optischen Anregungen vielerlei Art und Entertainment ohne Ende. Allerdings, ich muss es so deutlich sagen, Sommerfan sein ist in etwa so langweilig und einfach wie FC-Bayern-Fan sein. (Das muss einfach manchmal sein!) Denn auch wenn die Sonnenstunden in den hiesigen Breiten nicht ganz so sicher sind wie die Meisterschaft der Bayern, ist es doch leicht, für den Strahlenden zu sein, für den, der per se alles richtig macht. Aber nun ist ja Herbst, und das ist auch – rein thematisch gesehen -ein echtes Problem:

Schon als ich meine Kolumnen für mein Buch im letzten Jahr zusammengestellt habe, fand ich mit Ach und Krach gerade mal zwei Herbsttexte. In diesem Jahr hatte ich nun gar keine mehr und habe den Herbst rigoros aus meinem neuen Buch verbannt. Er ist aber auch echt eine Jahreszeit, die so gar nichts Besonderes an sich hat. Nicht mal irgendwelche Feiertage außer dem 3. Oktober, dem Todestag von Franz Josef Strauß. Nachdem der Buß- und Bettag, an dem wir stets ins benachbarte Bad Brückenau zum Shoppen (damals noch Einkaufen – ein echtes Highlight in der Rhöner Herbst-Tristesse!) fuhren, gestrichen wurde, sieht es echt traurig aus. In diesem Sinn laden Volkstrauertag und Totensonntag zum gemütlichen Beisammensein. Das war’s dann auch.

War’s das wirklich? Natürlich nicht! Denn endlich, endlich ist sie wieder da, die Zeit für Rouladen mit Rosenkohl, für Steckrüben mit Kartoffelbrei (bei uns zuhause wurden – Achtung, jetzt wird’s eklig! – sogar Schweinefüße darin gekocht), für Bohnen mit Kartoffelwurst, für Sonntagsbraten mit Klößen. Nix mit „vielleicht ein wenig Hähnchenbrust und einen kleinen Salat“, weil man im Sommer ja nicht gern so schwer und warm isst. Sondern herbei mit den Kohlehydraten und Nahrungsfetten – jetzt heißt es, sich ein kleines Winterpölsterchen zulegen, denn in dieser kalten Jahreszeit brauchen wir einfach etwas mehr Energie, um uns und unseren Körper auf Betriebstemperatur zu halten. Da ist so eine kleine Gänsekeule schnell weggeatmet! Und natürlich brauchen wir auch Schokolade – schließlich muss der Glücksbotenstoff, das Serotonin bei akutem Lichtmangel anderweitig herbei.

Aber auch, wenn man nicht gezielt auf ein paar Pfund mehr hinarbeitet, nimmt man sie vielleicht doch vorübergehend mal in Kauf, denn nichts ist im Herbst und im Winter so schön und behaglich wie der Genuss der köstlichen heißen Mahlzeiten aus den Öfen und Schmortöpfen. Was wiederum für die Rinder, Gänse und Enten der Region nur so mittel sein düfte.

Aber es reichen ja manchmal die heiße Schokolade am Nachmittag, der erste Baumkuchen oder die Tasse duftenden Tees – vorzugsweise der Sorte „Hüttentraum“ und „Kaminabend“ – zum Glück. Augen zu, Nase und Mund weit öffnen und schon wird es einem ganz warm ums Herz!

Und nicht nur kulinarisch, nein auch optisch hat uns der Herbst so einiges zu bieten. Gerade die letzten Tage waren ja der reinste Farbenrausch! Rottöne aller Art, Gelb, Braun, dazu dieser einmalig blaue, klare Himmel – also, ich konnte mich kaum satt sehen daran, wenn ich so unterwegs war, auch wenn oder gerade weil die Luft schon so kalt ist. Hat es nicht etwas ganz besonders Magisches, wenn die Nebel aufkommen und die Landschaft weichzeichnen, ein Naturschauspiel der besonderen Art, genauso wie ein herbstlicher Sonnenaufgang in einem Licht, das der Sommer an keinem einzigen Tag so warm hinbekommt!

Ich habe eine Freundin, die mag den Herbst am liebsten. Im November. Dann wenn alle anderen ihre Tageslichtleuchten anschließen, um nicht in die Herbstdepression zu verfallen, blüht sie auf. Mummelt sich ein und genießt die kalte Luft, die einen klaren Kopf macht – selbst wenn es rundherum düster ist. Vielleicht grade dann.

Das Schöne an dieser Jahreszeit ist ja außerdem, dass die kurze Zeitspanne zwischen „Im Sommer ist es zu warm, um all das zu tun, wozu es im Winter zu kalt ist“ jetzt, im November, definitiv schon wieder vorbei ist. Zu kalt also, um irgendetwas zu tun. Es sei denn, es hat mit Rouladen zu tun. Und Rotkraut und Bratäpfeln. Und heißem Apfelwein oder gar dem ersten Glühwein.

Diese Zeit jetzt ist wie gemacht für einen Moment der Seelenruhe. Denn spätestens ab Dezember ist es damit vorbei. Aber das ist ein anderes Thema.