Romantik pur
Es soll ja Männer geben, die ihren Frauen ab und zu ohne Anlass Blumen schenken. Oder kleine Liebesbriefe zustecken. Oder ein romantisches Candle-Light-Dinner für sie selbst kochen. MIT Tischdecken und Kerzen anzünden. Und es soll Frauen geben, die das hemmungslos annehmen können.
Ich gehöre nicht dazu. Nicht, weil es mich irritieren würde, wenn mein Mann mir plötzlich Blumen schenken würde. Nein, natürlich würde ich nicht als Erstes denken, er hätte etwas zu verbergen und würde sein schlechtes Gewissen beruhigen. Und natürlich würde ich auch nicht als zweites denken: Jetzt kommt er tatsächlich mit Rosen und so ollem Schleierkraut, was irgendwo schon fertig gebunden herumstand, dabei sollte er doch nach zwanzig Jahren wissen, dass ich viel eher auf Tulpen oder Ranunkeln, nicht zu vergessen mit Ruccola und frisch und locker gebunden, stehe. Nein, es liegt glaube ich daran, dass ich selbst nicht so der romantische Typ bin. Mir ist schnell alles auch ein wenig zu kitschig. Zu rosa, zu Valentinstag, zu Daily Soap, zu Sonnenuntergang am Meer, zu „Oh, my god!“, wenn Sie wissen, was ich meine.
Vielleicht pflege ich aber auch einfach nur ein schnodderiges Image, weil ich finde, dass das eher zu mir und meinem Wunsch nach Pflegeleichtigkeit passt: Kennenlerntag vergessen? Is‘ doch egal, ich habe auch wirklich nur ganz, ganz kurz mal dran gedacht. Am Hochzeitstag auf Dienstreise? Macht doch nix, ich wollte mich ohnehin mit einer Freundin treffen!
Aber wenn ich es mir recht überlege, mache ich manchmal schon romantische Sachen. Zumindest wenn man den Definitionen von Romantik glaubt, die man in den Frauenzeitschriften und im Internet so findet. Auf der Seite www.kontaktvoll.de/romantik findet man viele schöne Beispiele für Romantik, und für Männer gibt’s sogar extra eine Anleitung, wie sie romantisch werden können. Und das ohne Hintergedanken. Spätestens da scrollen wahrscheinlich die meisten Männer schon wieder weiter, denn wozu sollte ein Mann schon romantisch werden, wenn er hinterher nichts Handfestes davon hat?
Auf der Romantikliste stehen dann so Sachen wie „Von unterwegs an ihn denken und ihm kleine Geschenke mitbringen.“ Das mache ich tatsächlich hin und wieder, obwohl ich jetzt nicht genau weiß, ob dazu jetzt auch so praktische Sachen wie neue Unterhosen zählen, aber ich denke schon. Das Wort „Unterhosen“ hört sich zwar jetzt erstmal nicht so romantisch, oder wie mein Mann sagen würde, ramontisch, an, aber vielleicht sind die Teile auch nur stark unterschätzt. Manchmal stecke ich ihm vor einer Dienstreise auch kleine Zettelchen zu, also wirklich so mit Herzchen und so, aber die letzten Jahre eigentlich immer ohne Feedback. Entweder knäulen die sich noch alle in der Anzugsjacke oder sie sind der Reinigung zum Opfer gefallen. Vielleicht sind sie auch direkt nach ihrer Entdeckung wieder vergessen worden. Aber denken Sie nicht, dass mich das abhält. Ich tue das ja nicht für ihn, sondern für mich. Und falls das romantisch ist, dann ist ja klar, dass Frauen Romantik ohne Hintergedanken machen, wie ich aus einschlägigen Quellen weiß.
Da das bei uns mit der Romantik offenbar nur so mittel klappt, gibt es bei uns nicht mal am Hochzeitstag großes Tamtam. Was eigentlich ein bisschen schade ist. Dieses Jahr habe ich für den 5.9. „Essengehen“ in den Kalender geschrieben und meinen Mann über Outlook als Teilnehmer eingeladen. Dann habe ich einen Tisch reserviert und so saßen wir dann am Abend gemeinsam an einem schönen Ort und freuten uns, dass wir das tun konnten. Ist das dann schon romantisch oder macht die profane Entstehungsgeschichte alles zunichte? Zum 20. Hochzeitstag hatte ich mal etwas weiter ausgeholt mit den Gedenkfeierlichkeiten und vorab gefragt, ob wir nicht mal schön essen gehen wollten. „Ja, klar, lass uns doch zum Italiener ums Eck gehen“, war die Antwort, woraufhin ich meinte, man könne an so einem denkwürdigen Tag ja mal etwas anderes machen als sonst. „Okay, dann können wir ja mal was anderes essen als Pizza“, schlug er vor, und da war ich dann schon ganz froh, als Vincenzo uns in der Pizzeria wenigstens eine Kerze anzündete.
Während ich das so schreibe, fällt mir ein, dass früher irgendwie schon mehr Romantik war. Also viel früher, so mit Picknick und so… Dabei ist das Wort „romantisch“ tatsächlich etwas verpönt, attestiert es den Trägerinnen und Trägern dieser Eigenschaft doch, sie seien „gefühlsbetont, schwärmerisch, von starker, oft unrealistischer Vorstellungskraft und Einbildungskraft erfüllt“, und so etwas will ja in unserer nüchternen Zeit eigentlich keiner sein. Allerdings heißt es in den einschlägigen Zeitschriften auch, dass romantische Menschen ihr Gegenüber in den Mittelpunkt stellen, was diese dann wiederum verlegen macht, weil sie es gar nicht gewohnt sind, im Mittelpunkt zu stehen. Ich denke, genau das wird bei mir der Fall sein. Muss ich nächstes Mal unbedingt mit meinem Publikum erörtern, wenn ich wieder mal eine Lesung habe. Bis dahin schreibe ich meinem Liebsten einfach noch ein paar kleine Zettelchen und bringe ihm praktische Sachen von meinen kleinen Reisen mit. Ich denke, über einen neuem Ratschenkasten würde er sich sehr freuen!
(Bild: Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay)