Reden ist Silber…

Es gibt so ein Sprichwort, das besagt, dass man nur dann sprechen sollte, wenn das Gesagte besser ist als es das Schweigen wäre. Zugegeben: Auch ich halte mich selten daran. Sonst müsste ich ja in den meisten Fällen auch auf meine Kolumne verzichten. Und ich glaube auch, dass es sehr still um mich wäre, wenn alle anderen es täten. Reden ist einfach schön, besonders mit netten Leuten, und irgendeinen Erkenntniszugewinn hat man auch fast immer – früher oder später.

Wo ich allerdings zu etwas mehr Schweigen raten würde, ist im Internet. Was es da an Kommentaren zu lesen gibt, lässt einem die Haare zu Berge stehen und damit meine ich nun gar nicht mal die ganze Hetze, mit der sich Menschen mit merkwürdigen Synonymen allüberall tummeln, mit der sie das Klima verpesten und mit der sie sich hoffentlich niemals an die Öffentlichkeit trauen. Vielmehr meine ich diesen ganzen unnützen Kram, der auf die popeligste Nachricht gepostet wird. Kürzlich war eine „Warnmeldung zur aktuellen winterlichen Wetterlage“ im Netz und prompt regte sich jemand auf, dass das doch alles Selbstverständlichkeiten wären, die man in der Fahrschule beigebracht bekomme. Das mag vielleicht stimmen, aber warum um Himmels Willen, setzt sich jemand hin und postet das? Hat der Mensch zuhause keine Ansprache? Ist er darauf angewiesen, sich mit wildfremden Leuten im Netz auszutauschen?

Ein interessierter Leser mit dem aussagekräftigen Nickname „hauptschüla“ schrieb zu einem Bericht über den Bewegungsmangel bei Jugendlichen „Gut das es jetzt Pokemon Go gibt.“ Mit der individuellen Rechtschreibung und Zeichensetzung macht er seinem Schulzweig zwar keine Ehre, ist aber symptomatisch für eine weitere Facette der unnötigen Kommentaritis, die sich mehr und mehr im Internet breitmacht. Denn höchst selten, eigentlich so gut wie nie, findet man einen Kommentar, der fehlerfrei geschrieben ist. „Es gibt keinen Zweig der Indutie die nicht auf irgendeine Weise Betrügen.“, schrieb ein schlauer Mensch zu einem Bericht der Stiftung Warentest über vermeintliche Schummeleien bei Packungsgrößen. Warum nimmt dieser Mensch nicht seine viele Zeit, um sich einem Deutschkurs zu widmen? Da könnten dann auch gleich alle diejenigen mitmachen, die den Unterschied zwischen „seid“ und „seit“ nicht kennen – und das sint, äh sind, ehrlich gesagt, ganz schön viele, genauso wie diejenigen, die den Plural gerne mit einem apostrophierten S bilden, genauso wie „stet’s“, welches sie gerne auch „stehts“ schreiben, oder die noch nie etwas von einem Wort namens „dass“ mit Doppel-S gehört haben. Sinnvolle Zeitvertreibe gäbe es viele. Man müsste sie nur nutzen. Aber dazu hat man ja keine Zeit, besonders wenn man sich beispielsweise 117 Kommentare lang auf der Website von GMX darüber aufregen muss, ob Lena Meyer-Landrut nun ein Promi ist oder nicht. „äh falk…das ‚hirn‘ is – wenn – OBEN!“, wird dann – wenn auch unbeabsichtigt – mehr dadaistisch gepostet und führt den geneigten Chat-Teilnehmer dann zu so konkreten Äußerungen wie „Dann höre dir mal den Zickenstreit bei den geschminkten in Röcken und Stöckelschuhen an. Viiiiiiiel nervender und schlimmer als beim orginal die in Deutschland nur noch in Hosen findest. Auf den Kanaren und bei bayrischen Festen sah ich nach langer Zeit echte Weibchen in Frauensachen“. Häh?

Andererseits ist ja auch schön, wenn Menschen in Zeiten wie diesen so eine Nonchalance entwickeln und sich schriftlich und öffentlich um solch bedeutende Themen kümmern. Mache ich ja eigentlich auch grade…
Und wer sich über Lena Meyer-Landrut oder das Fahrverhalten der Leute bei Schneefall aufregt, der schreibt zumindest keinen sonstigen Mist. Vielleicht sollte ich das mal so sehen. Und dann bis zur nächsten Kolumne in zwei Wochen schweigen.