Prinzen im Geiste

Das hätte jetzt echt nicht kommen dürfen. Nicht nur, dass Peter Maffay 70 geworden ist, nein, auch Richard Gere, der Traummann meiner Jugend, für den ich in dem Schmachtfetzen „Ein Offizier und Gentleman“ ohne weiteres ein Loch in die Kinoleinwand gebissen hätte, ist 70. Wie hatte es nur so weit kommen können und was heißt es eigentlich für mich, wenn die Helden der Jugend alt werden? Die lapidare Antwort lautet natürlich, man geht mit, aber 70 ist doch irgendwie schon echt – 70 halt. Und es trifft ja nicht nur ihn und Peter Maffay, nein, Marius Müller-Westernhagen ist sogar schon 71. DER Marius Müller-Westernhagen, der mit „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“, „Johnny Walker“ und „Theo gegen den Rest der Welt“. Das war doch erst gestern, oder sagen wir, vorgestern?

Dass wir unser altersmäßig ja alle downsizen und natürlich viel jünger fühlen als wir sind und als es vermutlich auch die früheren 50-, 60- oder 70-Jährigen tatsächlich waren, ist ja nun nichts Neues, und dass sich seriöse wie unseriöse Medien darum streiten, ob 70 nun das neue 60 oder gar das neue 50 ist, auch nicht. Aber mit Siebzig finde ich, wird es ernst: So richtig knackig hört sich das halt nicht mehr an. Und was war der Herr Gere doch so knackig! Oder Robert Redford! War das nicht toll, als er Meryl Streep in „Jenseits von Afrika“ die Haare gewaschen hat?! Die mussten gar nichts ausziehen und es knisterte im ganzen Kino! Selten habe ich wieder so einen lässigen Typen gesehen wie ihn – kein Wunder, dass er mit der blutjungen Demi Moore in dem Film „Ein unmoralisches Angebot“ mit seiner Million so relativ leichtes Spiel hatte. Ich will mich ja jetzt nicht unter Wert verkaufen, aber 500.000 hätten‘s wahrscheinlich auch getan, wenn es jemals zu einem Angebot gekommen wäre. Dabei ist Redford der Jahrgang meines Vaters! 1936! Unglaublich, da würde ich das mit den 500.000 dann vielleicht doch noch mal überdenken…

Da ist ja mein andres großes Idol der reinste Jungspund dagegen, obwohl, wie ich letztens schmerzhaft nachrechnete, Konstantin Wecker auch schon 72 ist. Und er hat sich, wie ich bemerkte, als ich ihm letztens auf einem Konzert auf dem Weg zur Toilette gegenüberstand und ich wie ein Schulmädchen nach unten schaute, wirklich kaum verändert. Das liegt wahrscheinlich an seinem ausgeglichenen Lebenswandel, würde ich vermuten, und komme mir bei der nächsten Zigarette und dem nächsten Wein gleich gar nicht mehr so schlecht vor.

Vom Leben gezeichnet dagegen finde ich Mick Jagger und Keith Richards. Beide sind Jahrgang 1943 und wenn man bedenkt, dass Bill Clinton seinerzeit die Möglichkeit zum Ausdruck gebracht hat, dass Keith Richards außer Kakerlaken die einzige Lebensform sei, die einen Atomkrieg überleben könne, dann könnte man bei seinem Anblick auf die Idee kommen, das hätte er inzwischen auch getan. Aber wir wollen nicht ungerecht werden – was zählt, ist schließlich, dass er, sein Kumpel Mick und die anderen Stones es immer noch draufhaben.

Bald wird nun auch der tollste Mann unter der Sonne 70: Gordon Matthew Thomas Sumner, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Sting und bei Wikipedia mit der Abkürzung CBE versehen. Das heißt „Commander of the Order of the British Empire“ und ich nehmen an, die Queen hat ihm diesen Titel nur verliehen, damit er mal mit ihr zu Abend isst. Hätte ich auch gemacht an ihrer Stelle. In zwei Jahren feiert dieser gutaussehende charismatische Herr mit der – Entschuldigung – geilsten Stimme und den coolsten Blick ever seinen runden Geburtstag, vermutlich maximal gechillt mit seiner Frau Trudi auf seinem Weingut in der Toscana. Was so ein A zu viel im Namen manchmal ausmacht…

Mir fällt ein, was wir früher in sehr jungen Jahren über die Älteren dachten. Mit Mitte Zwanzig lernte ich auf einer Sprachreise zwei Mitte vierzigjährige Frauen kennen. Damals dachte ich, wenn man mit Mitte Vierzig noch so gut drauf sein kann, dann ist ja alles in Ordnung und man müsse vielleicht doch keine Angst vorm Alter haben. Ansonsten waren Menschen dieses Alters jenseits von Gut und Böse; über alles, was drüber war, sprach man gar nicht. Eine Wahrnehmung, die sich mit der Zeit relativierte und sogar umkehrte. Irgendwann, als ich so mit Dreißig wieder mal in meiner alten Kneipe abtanzte, sagte ein junger Typ zu mir, er fände es echt toll, dass ich das in meinem Alter noch mache. Joh, dachte ich, das war’s dann wohl mit der Jugend.

Inzwischen, genau gesagt, in dem Lebensjahrzehnt, das – so Gott will – mit einer Sechs vor der Null endet, versuche ich mich – bei schwindender Elastizität des Bindegewebes gepaart mit einigen anderen altersbedingten Unbilden – an die Erkenntnisse Richard Geres zu halten: „Wer im Kopf jung bleibt, dem ist der Rest des Körpers nicht so wichtig. Gibt es etwas, das frischer wirkt als funkelnde Augen und ein frischer Geist?“. Nein, Ritchie, das gibt es natürlich nicht – komm in meine Arme!