On the road again

Wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich schon fort sein. Während Sie vermutlich am heimischen Frühstückstisch in der OZ blättern oder unter schattigen Palmen vielleicht im E-Paper stöbern, sitze ich hoffentlich wieder bei einem kleinen Kaffee in einem netten Straßencafé auf dem Montmartre (s.oben). Mit dabei: ein kleiner Teil meiner vielköpfigen Familie, den ich dann mit ein wenig Glück durch alle Gates und Metro-Stationen sicher bis in die Stadt der Liebe geschafft haben werde, in der Hoffnung, dass wir am Sonntagabend wieder alle wohlbehalten in Frankfurt landen.

Letzten Samstag saßen wir noch in anderer Besetzung in Holland beim Frühstück, zwischendurch brach einer von uns in Richtung Chiemsee auf – kurz gesagt: Wir sind schwer unterwegs. Und nicht nur wir: Wohin man schaut und hört, ein Kommen und Gehen, ein Wegfahren und Ankommen. Deutschland hat Ferien. Aber Deutschland ruht nicht, zumindest nicht, wenn wir der Maßstab dafür sind. Wir packen ein und aus, dazwischen einmal waschen, trocknen und bügeln, und schon geht es wieder auf die Piste. Schließlich ist der Urlaub kurz (besonders wenn man kein Lehrerehepaar ist), da muss man sich schon mal sputen.

Glaubt man den vielen Umfragen zum Thema Urlaub, so geht es den Menschen um Erholung. Kann das sein? Ist man deshalb permanent unterwegs? Gesten noch in Holland, heute auf dem Stadtfest und morgen in Paris? Das sind zwar alles keine Riesenentfernungen, aber irgendwie schlaucht es doch, finde ich, wenn man mal eben 500 km in die eine, dann in die andere Richtung fährt, immer ein paar Schutzbefohlende im Windschatten, immer auf fremden Autobahnen, Flughäfen oder Bahnhöfen und ständig zielgerichtet: Kulturen entdecken, Neues lernen, Horizonte erweitern. Schneller, höher, weiter, auch im Urlaub. Chillen war gestern.

Freunde von uns waren mal eben zu zweit in Los Angeles und kurz danach schon wieder mit der ganzen Familie an der Ostsee – es muss ja alles in die Ferien passen. Wollte man früher, also wirklich früher, von hier nach Los Angeles, dann war man lange, sehr lange unterwegs. Man fuhr mit der Eisenbahn an einen Hafen, weiter mit dem Schiff in den Osten der USA und dann wieder mit der Eisenbahn oder vielleicht auch schon mit dem Bus in den Westen. Das dauerte so lange, dass niemand sich jemals überlegt hätte, im selben Jahr noch woanders hinzufahren, geschweige denn nur ein paar Tage dort zu bleiben. Wenn ich es mir recht überlege, war das nicht die schlechteste Art zu reisen, und wenn man dann ankam und Glück hatte, war die Seele auch schon da…

Und heute? Heute sammeln viele von uns Miles and More, jetten viele Male im Jahr – zumindest kilometermäßig um den Erdball – und schaffen es dabei nicht selten, ihren Horizont kein bisschen zu erweitern. Weil sie nämlich nur abfahren und ankommen, aber nicht reisen. Und weil der Weg schon längst nicht mehr das Ziel ist. Was eigentlich schade ist. Und was offenbar auch einige Touristen – zumindest diejenigen mit wahnsinnig viel Zeit – auch schon eingesehen haben. Nicht umsonst kann man heute auch per Frachtschiff über die Weltmeere reisen, oder, wenn man sicher sein will, dass es ganz besonders langsam geht, mit dem Postschiff. Da braucht man dann aber ganz viel Zeit.

Uns hingegen ist die achtstündige Bahnfahrt nach Holland schon zu lange, ebenso wie die fünfstündige Zugfahrt nach Paris, zumal die Flugtickets nur unwesentlich teurer sind. Also schnell weg sein, schnell wieder da sein! Und in der kurzen Zwischenzeit auf einen ruhigen Moment hoffen – vielleicht auf der Flughafentoilette oder so. Mit viel Glück vielleicht bei einem kleinen Kaffee auf dem Montmartre.

Sieht so aus, als ob langsam reisen derzeit noch nichts für mich ist, obwohl ich heimlich davon träume. Sehr heimlich. Und sehr intensiv. Denn wie sagt ein mir bis vor kurzem noch völlig unbekanntes Sprichwort so schön? „Die Schildkröte kann mehr über den Weg erzählen als der Hase.“