Omstijling oder Dolceavareniente
Im Urlaub ist alles leichter: Die paar Klamotten, die in einen Sommerkoffer passen, reichen locker für eine oder zwei Wochen, ohne dass der Kleiderschrank zuhause sich nennenswert geleert hätte – ein erster Hinweis darauf, mit wie wenig man eigentlich auskommen kann. Eigentlich auskommen könnte. Wenn man wollte. Und die Ausstattung des Ferienhauses für sechs Personen ist zwar knapp kalkuliert, aber irgendwie kommt man auch damit zurecht. Da werden eben einfach mal die Suppenteller zu Obstschälchen, die Bier-Gläser zu Aperol-Schwenkern, die Zitronenpresse zur Kaffeeaufbewahrung. Alles kein Problem. Wenig haben kann sooo schön sein! Und schnell reift der Wunsch in einem, dass man die restlichen verbliebenen Urlaubstage zuhause mit einer großen Aufräumaktion beschließt. Schließlich ist Minimalismus das neue Reichsein! Weg mit allem überflüssigen Plunder, mit den tausend Thermoskannen, den Tortenplatten, den Kunststoffblumen und Dekoschalen, den niegetragenen Klamotten und Fehlkäufen, den acht verschiedenen Kruschkisten mit allem, was man irgendwann einmal brauchen könnte, weg mit allem, was die freie Sicht stört. Schließlich besagt eine japanische Weisheit, dass es in unserem Inneren so aussieht wie in unserer Wohnung. O Gott!
Unter südlicher oder nördlicher Sonne träumt es sich bei viel Zeit und dem einen oder anderen Aperol gut von leeren Regalen, gelüfteten Kleiderschränken und minimaler Deko, und lässt man sich darauf ein, fühlt man sich fast so, als sei alles schon geschehen. Man schließt, also ich schließe die Augen und weiß: Natürlich wird man dann in diesem frischaufgeräumten Less-is-more-Paradies Platz finden für das schöne italienische Geschirr, das man zur Verlängerung des mediterranen Glücksgefühls mit nachhause bringt, genauso wie sich im Kleiderschrank ein Eckchen für die holländische Hippie-Jeans findet und das südländische Strandkleid, ohne die man auf keinen Fall aus dem Urlaub zurückkommen konnte, ebenso wenig wie man die neuesten nordischen Deko-Trends einfach so vor Ort zurücklassen konnte, nicht mal im holländischen IKEA. Schließlich gehört zum neuen leichten Lebensgefühlt auch ein wenig Omstijling – ein holländisches Wort, das ich mir selbst ausgedacht habe und das mich begleitete durch die schöne Welt der Dekoläden und Klamotten-Ausverkäufe, die immer, IMMER, wenn ich vor Ort bin, gerade auf Hochtouren laufen.
Das Elend beginnt mit der Heimreise: Die letzten Ecken im ohnehin schon vollen Kofferraum sind restlos belegt, das Ein- und Auspacken dauert ewig und zu dem unheiligen Sammelsurium aus sauberer Wäsche und Dreckwäsche, aus Spielzeug, Schuhen und übriggebliebenen Lebensmitteln gesellen sich nun die vielen Päckchen und Tüten aus den einschlägigen Geschäften, die – mit jedem Kilometer in Richtung Heimat – ein wenig von ihrem Glanz verlieren, noch bevor ihr Preis vom Kreditkartenkonto abgebucht ist! Hätte man sie wirklich gebraucht, die zwölf bunten Teller, für die man eigentlich keinen Platz im Schrank hat, weil das mit dem Aufräumen und Ausmisten irgendwie doch nicht gleich starten kann, oder sollte man sie, wie ein Mitreisender vorschlug, direkt beim nächsten Polterabend wieder loswerden? Und sieht die Hippie-Hose auf dem Alsfelder Marktplatz eigentlich immer noch genauso gut aus wie auf einem belebten, in spezifische Duftwolken gehüllten Straßenzug in Amsterdam? Und wieso hat man eigentlich in der kleinen, schummrigen Umkleidekabine am Comer See nicht gesehen, dass das Sommerkleidchen in der Tat – und wie von einem pubertierenden Reisegefährten noch vor Ort diagnostiziert – an die Balkontischdecke erinnert? Wohin mit der Deko, die sich vielleicht in einem Wohnmagazin auf einem Bild gutgemacht hätte, in einem Fünf-Personen-plus-Hund-Haushalt aber dann doch ein kleines bisschen zu filigran ist? Ab damit in die geheimen Ecken des Hauses, die auch vorher schon überquollen und sich über ein bisschen mehr Aufmerksamkeit in Richtung mehr Leichtigkeit gefreut hätten. Aber leider, leider ist die Luft raus, das Omstijling muss warten, das Dolceavereniente (eine italienisches Wortschöpfung von mir!) auch. Wenigstens der Tatendrang folgt dem neuen Gesetz des Minimalismus! Die alten Klamotten müssen sich mit der Hippie-Jeans anfreunden und für das neue Geschirr ist mit ein wenig Umräumen – nicht Ausräumen – auch noch ein Plätzchen gefunden.
Puuh, grade noch mal gutgegangen! Wollen wir hoffen, dass der nächste Aufräumflash auch so ungeschoren vorbeigeht!