Offline

Offline. Ein schlimmes Wort in diesen Zeiten. Offline hört sich so an, als wäre man OHNE ALLES in irgendeinem verschlafenen Dorf in der Mongolei ausgesetzt, ohne Chance da jemals wieder rauszukommen. Isoliert von allem, was man kennt und was einem lieb und teuer ist. Offline geht gar nicht.

Wir waren offline. 48 Stunden, 36 Minuten und ziemlich genau 20 Sekunden. Eine ungewohnte Zeit bangen Wartens: Werden wir jemals wieder am modernen Leben teilhaben können? Diese Zeit begann am vergangenen Sonntagabend ganz harmlos mit der Feststellung: „Wir haben kein Internet.“ Meistens stelle ich so etwas fest, denn immer, wenn mich die Langeweile überkommt, gehe ich ins Homeoffice und ziehe einen unerledigten Arbeitsauftrag aus meinem beachtlichen Haufen Unerledigtem und mache mich ans Abarbeiten. Da fällt es dann selbst am Sonntag relativ bald auf. Mit allem, was dann folgt, habe ich nichts zu tun.

Ich bin User. Userin, um es genau zu sagen. Ich will, dass die Dinge funktionieren und ich will nicht wissen, warum oder warum nicht und schon gar nicht, wie sie es überhaupt tun. Ich bin da sehr anspruchslos. Sofern alles funktioniert. Wenn nicht, werde ich immer ganz schnell anspruchsvoll. Dann möchte ich nämlich, dass sofort, aber sofort wieder alles läuft. Wegen des Internetausfalls gingen natürlich auch mein Drucker nicht und das Festnetztelefon. Solche Ausfälle nehme ich schnell persönlich, weil sie mich an dem hindern, was ich gerade tut möchte.

Erster und beliebtester Troubleshooter ist mein Mann. Manchmal reicht schon seine bloße Aura, damit die Dinge wieder funktionieren. Manchmal zieht er mit besorgter Miene ein, zwei, drei Stecker in der Abstellkammer, wo so verschiedene Apparate hängen und vor sich hin blinken, oder unter meinem Schreibtisch, was letztlich auch kein Vergnügen ist, denn hier paaren sich verstaubte, unbeschriftete Kabel in bedrückender Enge. Meistens geht dann wieder alles.

Am vergangenen Sonntag hat all das nichts geholfen. Selbst unser hausinterner 17-jähriger IT-Experte war ratlos. Zunächst. Mein Mann rief bei der Störungsstelle an. „Es besteht eine Wartezeit von zwei Stunden“, sagte das freundliche Band. Da war noch Hoffnung. Allerdings tat sich nichts. Er legte auf. Nur eine Stunde später verkündete das Band resigniert, die Leitung sei überlastet und bald machte sich im Internet auf den Mobiltelefonen das hässliche Gerücht vom Hackerangriff breit. Währenddessen hatte unser juveniler IT-Manager herausgefunden, dass man sich als Telekomkunde eine kostenlose Day-Flat herunterladen konnte, mit der man sich wiederum einen Hotspot am PC einrichten kann. Sein Abend im Teamspeak war gerettet, was wir daran merkten, dass er nicht mehr alle fünf Minuten in den öffentlichen Bereichen der Wohnung auftauchte und hektisch rief: „Geht’s wieder?!?!?“

Es ging nicht. Und die Nachrichten verkündeten im Auftrag der Telekom, dass man nur den Router neu starten müsse, dann würde sich von selbst eine neue Software aufspielen und alles wäre gut. Bei vielen Haushalten schien das zu klappen, nicht so bei uns, und so langsam machte ich mir Gedanken darüber, was im Äther so alles los ist, wenn Hacker eine Million Router lahmlegen können und sich Software durch Ziehen und Wiedereinstecken eines Steckers selbst aufspielt. Ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Technische Dinge sind, wie gesagt, nicht meine Kernkompetenz.

Am Montagabend waren wir immer noch off. Das Telefon schwieg. Wie schön. Ich wollte auch einen Hotspot haben und mein gnädiger Sohn richtete mir einen ein. In den nächsten Stunden und am Dienstag verkündete die Telekom, sie habe das Problem im Griff. Fast alle Router seien wieder am Start. Nur wir nicht. Offenbar ein weiterer Spezialfall im Hause der Familie Schlitt. Mein Mann rief erneut die Störungsstelle an. Er hatte nur eine Minute Wartezeit. Gemeinsam mit einer kompetenten Dame am anderen Ende der Leitung rekonstruierte er das Problem Schritt für Schritt. Es stellte sich heraus, dass – vermutlich schon beim ersten Kabelziehen – zwei Anschlüsse vertauscht worden waren. Und auf einmal ging alles wieder. Wäre mir natürlich nie passiert, denn ich bin ja, wie gesagt, Userin.