No Risk, no fun

„Diese Leiter kann die Ursache für Ihren Sturz werden, der tödlich enden kann.“ So oder so ähnlich dürfte es schon bald auf Leitern und besonders auf diesen kleinen praktischen Tritten, die man so gerne zum Fensterputzen oder Schrankauswaschen nimmt, zu lesen sein, denn, wie ich vor wenigen Tagen in der Zeitung las, sind deutsche Haushalte höchstgefährliche Orte. Fast 10.000 Menschen sind dort im Jahr 2015 ums Leben gekommen, und das ist, finde ich eine ganze Menge. Im Vergleich dazu sind nur 3.475 Menschen bei Verkehrsunfällen gestorben. Eigentlich immer noch eine ausreichend große Zahl, um auf jedem Auto großflächig ein Foto mit einem verstümmelten Unfallopfer anzubringen, das eindrucksvoll vor den Folgen des Autofahrens warnt. Sie wissen, worauf ich hinauswill, oder?! Ich will eine Lanze für das Laster brechen.

Als eine Frau, die sich gerne mal am Abend oder in Gesellschaft eine Zigarette ansteckt, finde ich es überhaupt nicht witzig, was sich seit einiger Zeit auf den Zigarettenschachteln abspielt, aber das soll es ja auch nicht sein. Is‘ klar. Als nur verbal gewarnt wurde, habe ich mir immer die Schachteln gekauft, die auf zu erwartende Unfruchtbarkeit hinwiesen. Das hätte mir gut in den Kram gepasst. Aber jetzt?! Schlimme Bilder sollen einen permanent daran erinnern, dass man etwas Ungesundes tut, sich, seiner Umwelt und der Volkswirtschaft schadet, und ich frage mich seitdem: Warum hat sich eine ganze Regierung so sehr auf die Tabakindustrie eingeschossen? Begibt man sich auf Recherche zu alternativen unnötigen Todesarten – und das natürlich mit dem festen Vorsatz, eine häufigere und schlimmere zu finden als das Rauchen – findet man sich auf verlorenem Posten wieder. Rauchen ist der Killer Nr. 1. Zumindest in Deutschland. In anderen Ländern heißen die Killer anders, aber das nur am Rande. Alle Portale sehen das Rauchen an der Spitze der Todesliste, dicht gefolgt allerdings von Alkohol, den man in tausendfacher Ausfertigung überall zu kaufen bekommt (nicht, dass mich das störte). Meine erste Schlussfolgerung: Die Branntweinlobby hat’s einfach besser drauf, als die Nikotinlobby, vielleicht können die meisten Politiker auch eher auf Tabak als auf Alkohol verzichten, wer weiß… Und wer will schon in einer kleinen parlamentarischen Pause mit dem Bild einer Säuferleber auf der Wodkaflasche geschockt werden?

Eine andere stets gut getarnte Droge ist weiß, pulverig und heißt nicht Kokain. Zucker wird in Gesundheitsportalen eindeutig als Gift klassifiziert: Wer regelmäßig zu viel davon verspeist, wird fettleibig, hat ein gestörtes Immunsystem und riskiert Krankheiten wie Arthritis, Asthma oder Multiple Sklerose. Schade eigentlich… Also, ich meine, da wären schon mal ein paar Aufkleber fällig, oder? Kein Wunder auch, dass alljährlich im Sommerloch die Mär von der Zuckersteuer ihr Unwesen treibt.

Und dann der Deutschen Lieblingsessen: Fleisch, vorzugsweise vom Schwein und verarbeitet zu Wurst! Darüber wollen wir erst gar nicht sprechen. Oder doch?! Diabetes, Herz- und Gefäßerkrankungen sind die Folge von zu viel Fleischkonsum. Ich glaube allerdings, dass eine Kampagne gegen Schnitzel und Schwartenmagen dann doch zu viel für die deutsche Volksseele wäre. Da dürfte mit Tumulten zu rechnen sein, gegen die die letzten Anti-Trump-Demos wie ein Sonntagsspaziergang aussehen dürften.

Dass diese Dinge alle ungesund sind, ist unbestritten. Aber ist es starrsinnig, dafür zu sein, sich undiskriminiert entscheiden zu dürfen, sie zu tun? Oder vergreift man sich am Vermögen aller, wenn man als 150-Kilo-Frau mit Herzproblemen im Krankenhaus liegt? Ist der Extremsportler, der leider bei seiner achten Mount-Everest-Besteigung ohne Sauerstoff gerade noch so gerettet werden konnte, ein verantwortungsbewussterer Patient? Ist ein Base-Jumper (Todesrate 1:60) ein besserer Mensch als ein Raucher oder Trinker? Muss ich als erwachsener Mensch ständig gewarnt werden? Wo fangen staatliche Fürsorge und Selbstverantwortung auf der einen Seite an und wo hören Bevormundung und Selbstaufgabe auf der anderen Seite auf?

Also, Arbeit zum Beispiel, kann ja auch zu Herzinfarkten oder Burnout führen. Sollte da nicht bereits die Berufsberatung in den Schulen vorbeugen und die zukünftigen Berufsanfänger auf die unschönen Nebenwirkungen des Arbeitens hinweisen? Und was ist eigentlich in der Liebe? Warum hat mich seinerzeit niemand gewarnt, dass Michael S. mir das Herz brechen könnte, was er auch – kurzfristig – getan hat. Ein T-Shirt mit entsprechender Aufschrift hätte sicher Schlimmes verhindert. Wenn ich die Warnung denn befolgt hätte, was angesichts des Michaels darin sehr unwahrscheinlich gewesen wäre. Ich hätte es auf jeden Fall probiert mit ihm… Zu Recht!

Also, liebe Leute: Die Todesrate beim Computerspielen geht in allen relevanten Statistiken gegen Null. Wenn ihr also immer schön zu Hause bleibt, an Karotten knabbert, ein wenig Leitungswasser trinkt und an eurem Computer nichts Aufregendes schaut oder spielt, solltet ihr ein langes Leben haben….

Für mich allerdings wär‘ das nix.