Neue Welten

„Wer immer das Gleiche tut, wird auch immer das Gleiche bekommen.“ Das sagte kein Geringerer als Thomas Alva Edison, der Erfinder der Glühbirne. Und das war ja nun nicht gerade eine Peanuts-Erfindung! Wenn man also selbst große Dinge hervorbringen will, dann muss man etwas tun, was man noch nie getan hat! Und wer will das wohl nicht? Also, ich schon!

Auf zum Töpferabend also! Die Schule meiner Zwillis hatte eingeladen, und wenn Sie nun denken, was ist denn daran ungewöhnlich, dann sei Ihnen gesagt, dass ich, Mutter dreier Kinder, noch nie im Leben einen Bastelabend besucht habe, noch nie in akribischer Handarbeit auch nur eine einzige Schultüte selbst hergestellt habe und auch noch niemals eine selbstgebastelte Einladung verschickt habe. Erstens bin ich jetzt nicht so der Fan von allen möglichen Fensterbildern, zweitens stelle ich mir das Basteln von Laternen auf kleinen Kindergartenstühlchen sitzend äußerst unbequem vor und drittens gibt es letztendlich ja alles zu kaufen. Das finden Sie unromantisch? Ist es auch! Aber auch schön bequem!

Und dann flog sie mir ins Haus, die Einladung zum Töpferabend – wäre ja vielleicht mal ein Einstieg, oder? Eine neue Welt wartete auf mich! Was lag also näher als sich zwei Freunde zu schnappen und es mal auszuprobieren? Die Frage war nur, was nimmt man mit? Etwas Süßes oder vielleicht ein Fläschchen Wein? Sollte ja schließlich auch gemütlich werden …

In der Schule gab es Mineralwasser und Apfelsaft und eine Schäfchengruppe und eine Wichtelgruppe. Meine Freunde saßen schon bei der Wichtelgruppe und kneteten, was das Zeug hielt, als ich kam. Ich setzte mich dazu. Wichtelköpfe, Wichtelmützen, Wichtelnasen und Wichtelbärte. Keine zehn Minuten an der Arbeit, schon hatte ich einen hochroten Kopf, auch ohne Wein. Es kann doch nicht so schwer sein, eine Wichtelmütze zu töpfern, oder? Schließlich hatte ich schon vor egal wie vielen Jahren mal einen Töpferkurs bei der Volkshochschule besucht. Da war ich noch kinderlos, trug eine lila Latzhose und Entenschuhe, und die Welt hielt noch viele Überraschungen für mich bereit. Aber das nur am Rande. Wenigstens wusste ich nun wieder, warum ich Bastelabende nicht mochte. Es lag nicht am Apfelsaft.

Als ich an der Wichtelmütze zu scheitern drohte, eilte mir die nette Töpferexpertin zu Hilfe. „Sie sind nicht unbegabt“, tröstete sie mich. „Sie haben nur so eine Haut, die den Ton zu schnell austrocknet beim Kneten.“ Ist das gut oder schlecht? Rund um mich herum entstanden Wichtel mit Bommeln an den Mützen, mit ZZ-Top-Bärten, mit Mexikaner-Hüten, während ich mich noch mit der ersten kleinen Wichtelmütze abmühte. Vergebens. „Machen Sie mal eine kreative Pause, Frau Schlitt“, riet mir die Cheftöpferin. „Pausen sind nicht so meins“, antwortete ich hektisch und knetete stumpf an dem zweiten Wichtel weiter, während der erste seine Mütze aus Meisterinnenhand bekam. Ich setzte sie ihm auf, drückte sie an und setzte meinen ersten Wichtel auf das Brett zu den anderen. Sooo schlecht sah er nun auch nicht aus, fand ich, und signierte ihn heimlich. Nicht, dass ich irgendwie stolz gewesen wäre oder so …

Der zweite Wichtel flutschte nur so durch – er wurde richtig gut, hatte einen so großen Bart, als ob er sich ein Schaf vom Nachbartisch um die Knubbelnase gelegt hätte, und die Riesenmütze hing geheimnisvoll über seinen nicht vorhandenen Augen. Er stand da wie eine Eins! Darauf ein köstliches Mineralwasser! Cheerio! Kurz vor Ende des Töpferabends schnappte ich mir schnell den letzten Rest des Tons und fing meinen dritten Wichtel an. Um mich herum räumten sie schon ab, aber ich war wie im Fieber. Der Kopf, die Nase, die Mütze, der Bart! Alles war schon abgeräumt, die Schafe schon im Keller, die Plätze schon geputzt, nur der neue Star am Töpferhimmel saß noch eifrig über seinem dritten Wichtel und meldete sich als Erste, als gefragt wurde, wer zum nächsten Töpferabend kommen wolle. Ich natürlich! Hatte ich jemals etwas anderes behauptet?

Neue Welten warten an der nächsten Ecke – nur Mut!