Mei, mei, mei, die Layla …

Ja, natürlich habe ich zu der aktuellen Layla und der Diskussion um die gutaussehende Chefin eines Unternehmens des ältesten Gewerbes der Welt etwas zu sagen. Wäre ja auch ein Wunder, wenn nicht. Zumal in meinem erweiterten Bekanntenkreis schon seit Jahren bekannt ist, dass meine Toleranz allen Sauf- und Trinkliedern gegenüber mit dem Donaulied aufhört. Die dazugehörige Petition von vor zwei Jahren war längst überfällig. 36 235 Stimmen – darunter mindestens eine aus Altenburg – konnte die Initiatorin Corinna Schütz dem Innenausschuss des Bayrischen Landtags übergeben, der sich allerdings nicht in der Lage sah, das Lied, das unverhohlen die Vergewaltigung einer schlafenden Frau feiert, zu verbieten oder gar eine bayrische Antidiskriminierungsstelle einzurichten.

Dass einen das nicht wundert, ja, dass sogar Menschen in meinem nächsten Umfeld, auch Frauen, es für übertrieben halten, dieses Lied nicht nur nicht mehr singen zu wollen, sondern es auch nicht mehr hören zu wollen, zeigt, wie gleichgültig der größte Teil der Gesellschaft frauenverachtenden Texten gegenübersteht, getreu dem immer wieder gerne genommenen Motto „Man kann es auch übertreiben“ oder „Nun wollen wir mal nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.“ Auf jeden Fall werden Lieder wie das Donaulied oder auch besagte Layla einfach und gedankenlos mitgegrölt. Auch – nur um das noch einmal zu sagen –von Frauen. Warum sie das tun, weiß ich nicht. Entweder, weil sie nicht über das Frauenbild nachdenken, das Inhalten wie „Geiler Arsch, geiler Blick, geiles Stück“ (2019, „Anna-Lena“, HONK!) oder „Ich will ein schneeweißes Luder“ (bezieht sich in dem Stück „Die Krankenschwester“ von Mickie Krause, 2016, auf eine ebensolche) anhaftet und verbreitet wird, oder weil sie einfach keine spaßbefreiten Emanzen sein wollen. Das will ich eigentlich auch nicht sein, aber wie gesagt, der Spaß hört irgendwann auf – und zwar von sich aus, ganz von selbst. Bei mir halt beim Donaulied.

Das heißt aber auch, dass ich trotz solcher Zeilen wie „Ich hab‘ dicke Lippen und sie blasen“ (2018, „Dicke Lippen“, Katja Krasavice) oder „Bei deiner kleinen Schwester liegt ein Rohr, Rohr, Rohr“ (2017, „Helikopter 117“, Tobee) diese Lieder nicht verbieten würde. Sie sind zwar saublöd – analog zu ihren Urhebern -, aber sie haben die Grenze zur Gewalt noch nicht überschritten. Blödheit an sich ist halt nicht strafbar. Allerdings weiß ich auch nicht, ob man da jetzt allein auf die Evolution vertrauen kann …

Grundsätzlich ist mir auch auf Seiten des Publikums völlig schleierhaft, wie es zu einem geistigen Zustand kommen kann, in dem man Lieder mit solchen Texten und den dazugehörigen simplen Beats gut finden kann. Ich kann für alle Beteiligten nur hoffen, dass es mit Alkohol und anderen Drogen zu tun hat. Was sagt es über Menschen aus, die nur beim Absingen von einem solchen Scheiß und das vermutlich auch nur ab einer gewissen Gruppengröße richtig Party machen können? Und die sich aufregen, wenn man sie fragt, warum sei ein Vergewaltigungslied witzig finden.

Also, ich hatte grade gestern wieder richtig Party und bin bei Jürgen Marcus, Ulla Meinecke und John Denver ausgeflippt. Apropos Jürgen Marcus: Auch bei den Schlagern alter Schule muss man vorsichtig sein. Denn auch sie pflegen ein Frauenbild, das, nun ja, jetzt auch nicht so ganz auf Augenhöhe basiert: Bei den „Fischern von San Juan“ von Andy Borg etwa macht sich ein Mädchen namens Sue zum Wanderpokal von zwei Freunden, die unter sich ausmachen dürfen, wem sie „zum Fest gehört.“ Herrliche Zeiten für die Jungs, oder? Und dann erst „Joana, geboren, um Liebe zu geben.“ Das war auch ohne die unnötigen Party-Zwischenrufe „Du geile Sau, du Luder“ schon peinlich genug, genauso wie ein anderes Stück von Roland Kaiser, bei dem in „Santa Maria“ ein Mädchen den Schritt wagt – zur Frau. Wobei sie natürlich unbedingt einen Mann braucht. Ist klar. Mit wem könnte man auch am besten zur Frau werden, wenn nicht mit Roland Kaiser? Aber Obacht: Es geht auch andersrum, und zwar in dem Stück „Und es war Sommer“ von Peter Maffay: Da wird der junge Peter im Alter von zarten 16 Jahren von einer erfahrenen 32-Jährigen zum Mann gemacht. Zumindest alterstechnisch ist das problematisch – rein rechtlich jetzt. Bei der Gelegenheit möchte ich noch an Henry Valentino erinnern, der 1977 die keusche Uschi im Wagen vor sich dermaßen verunsicherte, dass sie in ihrer Not die Autobahn verließ. Heute würde das glatt unter Stalking durch einen geilen alten Sack laufen, vor 45 Jahren war der gute Henry halt einfach nur ein alter Schwerenöter. Ach ja, das waren noch Zeiten!

Mehr als problematisch ist das Frauenbild, das in vielen Deutschrap-Songs gepflegt wird. Hier treten wir vielfach als Bitches oder Huren auf; jegliche Zitate daraus möchte ich uns hier ersparen. Nur so viel: Dagegen sind DJ Robin und Schürze mit ihrer „Layla“ ja fast literaturpreisverdächtig. Aber halt nur fast.

Sie sehen, es gibt in Sachen Frauen- und Männerbild viel aufzuarbeiten in der Musikszene im Besondern und in der Kunst im Allgemeinen. Vielleicht ist es ja schön, wenn Layla da mal einen Anfang macht und durch sie zumindest mal kurz und im Sommerloch öffentlich darüber diskutiert wird, ob solche Songs wirklich nötig sind, oder ob es „Cordula Grün“ und „Pocahontas“ vielleicht auch tun. Und warum es immer nur Frauen sind, die auf diese Weise in diesen Songs dargestellt werden, wobei das natürlich auch über das Männerbild eindeutige Rückschlüsse zulässt. Doch halt – eine Ausnahme habe ich gefunden: Ganz zufällig stieß ich bei meiner Recherche auf ein Lied namens „20 Zentimeter“, das sich einem Mann widmet, dem armen Peter, der mit der Länge seines Sie-wissen-schon geschummelt hat. Stammt übrigens von Mirja Boes und wird dieses Jahr auch schon zwanzig Jahre alt. Das Lied, meine ich. Über Peter ist außer der falschen Länge nichts bekannt.

Kommen wir zum Schluss nochmal zu zwei anderen Laylas der Musikgeschichte. In Tom Jones‘ „Delilah“ ist die Sicht auf die Frau auch mehr als fraglich, sticht er seine Delilah doch einfach mal eben ab, weil sie einen anderen hat. Und so bleibt die einzig wahre Layla die von Eric Clapton. Sie macht ihn zwar so richtig fertig, aber sei’s drum. Da wollen wir mal nicht so sein …

Quellen (14.8.2022):

https://www.tonight.de/musik/mallorca-songs-das-sind-die-30-versautesten-ballermann-hits_96322.html

https://www.ndr.de/kultur/musik/pop/Layla-Wie-eine-Bitte-zur-Unterlassung-eine-nationale-Debatte-ausloeste,layla102.html

https://www.rtl.de/cms/verharmlost-das-donaulied-eine-vergewaltigung-petition-fordert-verbot-innenausschuss-lehnt-ab-4714858.html