Mehr Katzenpuzzles

In dieser Woche gab es Tage, an denen ich großen Gefühlsschwankungen unterworfen war, die leider und ausnahmsweise nichts mit meiner aktuellen Lebensphase zu tun hatten. Es gab Ärger an vielerlei Fronten. Anhaltend, teilweise fies, das meiste davon überflüssig. Aber wie das so ist. Wenn sich der Ärger erstmal wo festgesetzt hat, dann krabbelt er ständig an einem rum. Ganz so, als hätte man eine Heuschrecke in der Bluse, nur nicht so angenehm. Soweit das Problem.

Hier die Lösung: Ein Katzenpuzzle.

Der Ärger hatte seinen Höhepunkt erreicht, als ich, um in Ruhe vor mich hin schmollend am Schreibtisch sitzen zu können, meinen Kindern ein nigelnagesneues Katzenpuzzle präsentierte. Ein besonderes Katzenpuzzle, das ich spontan in der heimischen Buchhandlung gekauft habe. Spontankäufe in Buchläden können doch gar nichts Schlechtes sein, oder? Also, das dreihundertteilige Puzzle fügt sich nicht etwa zu einer schönen Katze zusammen, wenn es fertig ist, sondern um es fertig zu bekommen, muss man zweihundertneunundneunzig Katzen zusammenfügen und einen Hund. Die Katzen sind grau und weiß und schwarz und braun. Und blau und orange, gestreift und gepunktet und uni. Sie schauen grimmig und lustig, strecken sich und kuscheln sich, kugeln sich und ringeln ihre langen Katzenschwänze. Der Hund ist ein Dackel. Deutsches Drahthaar, würde ich sagen, aber das nur am Rande. Die Katzen und der Hund passen zusammen, aber sie halten erst dann aneinander fest, wenn möglichst viele um sie herumliegen. Vorsicht ist geboten und – Geduld. Genau das Richtige für mich. Haha.

„So, ich zeige euch jetzt mal schnell, wie das hier geht“, fing ich an. Zwei Stunden und dreihundert Puzzleteile später lag die Arbeit am Schreibtisch wie zuvor, aber vor mir tummelten sich die zweihundertneunundneunzig Katzen und der Dackel in der ihnen zugedachten Ordnung und mein Sohn und ich hatten jede Menge Spaß gehabt. Und nicht den Hauch eines schlechten Gewissens. Und das Schönste: Der Ärger war verflogen. Oder zumindest unwichtiger geworden. Was kann angesichts von zweihundertneunundneunzig Katzen und einem Dackel schon noch wichtig sein? In diesem Moment war ich sicher: Die Welt wäre eine bessere, wenn mehr Menschen solche Puzzles machen würden.

Alternativ dazu, oder wenn man vom Puzzeln mal genug hat, könnte ich den Affenberg in Salem am Bodensee empfehlen. Wir waren im vergangenen Sommer dort und konnten uns allesamt nur schwer von den spielenden kleinen Äffchen losreißen, die sich über Bäume und Wurzeln jagten, sich von Ast zu Ast hangelten, zu Boden fielen wieder hochhüpften und sich weitertummelten. Bis die Alten zum Essen riefen. Sie saßen später auf ihren Stammplätzen in der Affenkolonie, in die sie uns freundlicherweise hineingelassen hatten, und auch ihnen hätte man ewig und drei Tage zuschauen können. Ich wurde ganz ruhig bei ihrem Anblick, fast ein wenig selig und dachte, dass niemand ein böser Mensch sein könnte, der sich jeden Tag, sagen wir mal dreißig Minuten, die Äffchen ansieht. Oder ein Katzenpuzzle macht. Ich wüsste eine ganze Menge Menschen, denen ich eine Affen- bzw. Katzentherapie ans Herz legen würde – mich nicht ausgenommen.

Wer jetzt nicht direkt an den Bodensee fahren kann oder auch gerade kein Katzenpuzzle zur Hand hat, der kann es auch mit Katzenvideos probieren: Auch sie machen angeblich glücklich, wie u. a. das Fachmagazin Spektrum der Wissenschaft auf seiner Website belegt *. Im Jahr 2014 wurden demnach mehr als zwei Millionen Katzenvideos auf YouTube hochgeladen und schiere 26 Milliarden Mal haben Nutzerinnen und Nutzer diese angeklickt. Wenn es stimmt, was Jessica Gall Myrick von der Indiana University in Bloomington behauptet, nämlich dass Katzenvideos der menschlichen Psyche guttun, dann fragt man sich natürlich, warum so viele Menschen dieses niedrigschwellige Therapieangebot nicht nutzen, sondern lieber unentspannt und mit negativen Gefühlen durchs Leben gehen.

Zugegeben: Auch ich war bisher kein Fan von Katzenvideos. Wahrscheinlich werde ich das auch nicht. Aber ich erfreue mich ja in der Regel, jetzt mal abgesehen von neulich, meistens good vibrations. Und wenn die Aura sich doch mal verdunkelt – oder von unangenehmen Zeitgenossen gestört wird -, dann greife ich zum Katzenpuzzle. Das gibt’s übrigens auch umgekehrt. Mit 299 Hunden und einer Katze. Wäre dann ein Hundepuzzle. Hab‘ ich schon bestellt. Für alle Fälle.

* https://www.spektrum.de/news/katzenvideos-sind-eigentlich-nur-gut/1351357