Männerwelten

Endlich sind sie wieder um, diese schrecklichen kurzen Wochen mit ihren vielen Feier- und Brückentagen, die einen ständig aus dem Trott holen, zum Schlendrian verführen und gähnende Langeweile zur Folge haben. Die Kinder zuhause, der Ehemann auch, wie soll man denn da zu irgendwas kommen, frage ich Sie? Am besten, man verdrückt sich. Und da gibt es an solch exponierten Tagen und Wochenenden ja durchaus viele Möglichkeiten, nicht zuletzt, um der Einsamkeit zu entfliehen, für den Fall, dass man einsam wäre, was bei mir (leider) so gut wie nie vorkommt.

Am Brückentag bietet sich zum einen der Besuch eines schwedischen Möbelhauses an. Schon in der Nacht von Himmelfahrt auf Freitag (oder wahlweise von Fronleichnam auf Freitag) bilden sich hier lange Schlange auf den Autobahnabfahrten in Kassel oder wahlweise BadHomburg in Richtung Blau-Gelb – ein untrügliches Zeichen, dass man bald unter Gleichgesinnten sein wird – oder es gar schon ist -, sei es im Kerzenparadies oder an der Köttbular-Theke. Allerdings, dass ich muss ich zugeben, ist das ja mehr so ein Frauending. Aber ich kann Sie trösten meine Herren: Es gibt Alternativen. Orte, an denen Männer noch Männer sind, am liebsten unter sich bleiben wollen (und vielleicht auch sollten). Spezialgeschäfte für Männerbedarf zum Beispiel. Davon gibt es ja einige, auch bei uns. Dort gibt es unglaubliche Dinge zu kaufen, von denen unsereine gar nicht wusste, dass es sie gibt und schon gar nicht, wofür man sie braucht: Entkrater, Schneideisen, Drehlinge, Senker, Maschinen und Zubehöre vielerlei Art, und dazu sogar die passende Garderobe, meist in einem schönen Blau oder leuchtenden Orange. Verirrt sich ein Frau in diese Domäne – vermutlich weil sie von ihrem Mann, der gerade wichtige bauherrschaftliche Tätigkeiten verübt – geschickt wurde, kann es schon mal sein, dass die männlichen Kunden sie an der Theke einfach übersehen – Frauen bringen hier in der Regel einen kleinen Extra-Warte-Bonus mit, auch, weil sie selbst ihre Forschheit mitunter an den ersten Nagel hängen, der ihnen in diesem Geschäft unterkommt. Sollte ich in diesen Geschäften etwas holen müssen, schreibt es mein Mann mir auf einen kleinen Zettel, ähnlich wie früher als Kind, wenn ich beim Metzger mehr als drei Sachen holen sollte. Als ich noch nicht lesen konnte, habe ich der Metzgersfrau immer vertrauensvoll den Zettel vorgelegt. Das versuche ich im Männerspezialgeschäft natürlich zu vermeiden. Schließlich habe ich ja auch meinen Stolz. Was aber nicht immer funktioniert. Denn selten sind die Angaben auf dem Zettel, die ich mühevoll auswendig gelernt habe, vollständig. Und damit anfangen kann ich ohnehin nichts. Oder glaubt hier irgendwer, ich wüsste, was ein HT-Rohr 1 ¼ ist, auch wenn ich es irgendwo in unserem Haushalt täglich verwende? Und wenn dann noch eine Nachfrage kommt, etwa nach einem alternativen Gegenstand, dann schaue ich mein Gegenüber an der Fachmanntheke hilflos an und rufe meinen Mann an. Der wartet da ohnehin schon drauf!

Eine andere Männerdomäne, die ich am langen Wochenende kennenlernen durfte, ist das hiesige Entsorgungszentrum, besser gesagt, der Bastwald. Wenn man Zeit hat und Lust, sich mit vielen im Entsorgungsgewerbe angestellten Fachleuten und von Aufräumwut gepackten Heimwerkern zu treffen, dann sollte man diesen Ort an einem Brückentag zwischen 14 und 16 Uhr aufsuchen. Und man sollte sich was zu essen und zu trinken mitnehmen. Zwei Stunden zwischen LKW aller Art und Autos und Traktoren mit großen, vollbepackten Anhängern. Also, ich würde da ja irgendwo einen Kaffeeautomaten aufstellen und eine kleine Theke mit ein wenig Gebäck, aber es ist ja eine Männerwelt. Da reicht es schon, die Riesenböcke mal auf ein Schwätzchen oder eine Zigarette zu verlassen und langsam dem Feierabend entgegenzuchillen. Auf dem Bastwald hat man kein Netz und es herrschen eigene Gesetze. Ich habe sie – natürlich – nicht verstanden und folgte einem Fahrzeug, das vor mir aus der Schlange ausscherte und einfach daran vorbeifuhr. Gute Idee, dachte ich, allerdings war ich auf dem Riesenmüllplatz dann doch auf verlorenem Posten. Ich wendete und ärgerte mich, da ich mich nun vermutlich wieder ganz hinten anstellen musste. Doch mein Platz in der Schlange war noch frei. Blitzartig nahm ich – vor einem großen Entsorgungsfahrzeug, dessen Fahrer grade daneben stand – meinen Platz in der Schlange wieder ein. Das war nur scheinbar mutig: Die nächsten zehn Minuten bibberte ich, dass er gleich kommen würde und mich zur Sau macht. Aber nichts geschah. Ich durfte einfach noch ein, zwei Stündchen in der Schlange bleiben, bis ich netterweise von der Herrscherin über das Ganze – ja in dem heimeligen Glaspavillon residiert tatsächlich eine Frau – auf die Waage gewunken wurde. Die Systematik hinter all dem hat sich mir bis heute nicht erschlossen, aber alle anderen schienen sie zu kennen und schauten mir zu, wie ich, von einem Missverständnis zum anderen vor dem Wiegehäuschen vor und zurückfuhr, weil ich natürlich nicht dann drankam, wenn ich es für angebracht hielt.

Den nächsten Tag verbrachte ich dann wieder bei H & M. Und wurde dort für die vielen Demütigungen im Männerland reichlich entschädigt.