(K)Eine(r) zuhause….
Eigentlich wollte ich an diesem Wochenende weg sein. Weit weg sein. Ich hatte das Gefühl, mal eine Auszeit zu brauchen – vom Arbeiten, vom Haushalt und von der Familie, von allem irgendwie, am besten wohl auch von mir selbst. Was ja schlecht geht – ich kann ja nicht ohne mich wohin fahren. Leider. Wenn das ginge, wäre ich sofort gefahren – kennen Sie das Gefühl?!
Zunächst schwebte mir vor, die Ausstellung über das Warten in Hamburg zu besuchen. Da wollte ich schon hin, seit ich davon in der Zeitung gelesen hatte, muss wohl irgendwann im Februar gewesen sein. „Zwischen Macht und Möglichkeit“ lautet der Titel dieser Ausstellung, und ich dachte, dass ich dabei meine latent aggressive Einstellung dem Warten gegenüber ändern könnte. Nun ist die Ausstellung noch genau bis zu diesem Sonntag zu sehen, und ich war nicht dort – ich hatte wohl zu lange gewartet und war wohl insgesamt irgendwie zu unschlüssig. Vielleicht doch eher „Zwischen Ohnmacht und Unmöglichkeit“? Ich wusste nämlich nicht nur nicht, ob ich wollte, sondern auch nicht, mit wem oder wer mit mir oder zu wem…. Fragen über Fragen.
Die Leute jedenfalls, die ich in Hamburg um Asyl bat, waren an genau diesem heutigen Wochenende selbst verreist. Die anderen wollte ich irgendwie nicht fragen, vermutlich, weil ich innerlich schon umdisponiert hatte. Ich rief meine Freundin in Paris an, der ich von meiner Vision einer Auszeit erzählte. Sie lachte und sagte, an diesem Wochenende könne sie jede Hilfe gebrauchen, sie würde umziehen. Ich dachte an die desolaten Zustände in unserem Keller und unter unserem Dach und sagte, wenn ich etwas arbeiten wollte, könnte ich auch zuhause bleiben. Ich würde dann gerne wann anders kommen. Und eigentlich wollte ich auch viel lieber chillen. Ich erinnerte mich an eine Kolumne zu diesem Thema und fragte bei meiner Freundin in Holland an, ob ich nicht mal kommen könnte, ich ganz allein, ohne Kinder, ohne Mann, nur so, zum absoluten Nichtstun. Sie seien auf Kreta, hieß es von dort, aber ich könnte gerne allein kommen und das Haus bewohnen, was mir dann aber doch ein wenig zu einsam war. Und weil mir alles nicht recht war und ich mich zu gar nichts entscheiden konnte, strich ich die kleine Reise. Ich war wohl noch nicht soweit. Keine Entscheidung ist ja auch eine Entscheidung, wie man aus vielen einschlägigen Ratgebern weiß.
Man könnte es sich ja auch hier schön machen, dachte ich, und nahm die Einladung meiner Mutter zum Familiennachmittag an. Wie nett! So viel Abwechslung und so viel Abstand vom Alltag hat man ja selten! Ich überlegte sodann, ob ich am Freitag oder Samstag nicht vielleicht mit einer Freundin in Gießen bummeln und frühstücken könnte. Während ich noch so plante, zeigten mir meine Kinder Urlaubsbilder auf dem Handy – besagte Freundin weilte in Portugal. Wie schön für sie! Also fragte ich meine Freundin in Fulda, ob sie vielleicht Lust dazu hätte. Gute Idee, hieß es per Whatsapp, allerdings heute nicht aus Fulda, sondern aus Apulien.
Wieso war die ganze Welt unterwegs, nur ich nicht? Waren meine Freundinnen vielleicht einfach nur entscheidungsfreudiger als ich? Wahrscheinlich schon. Um mir die Zeit zu vertreiben und dem Hiergebliebensein einen kleinen Sinn zu verleihen, legte ich mir am Freitag einen Arbeitstermin in ein Alsfelder Modehaus. Dort waren drei Damen, die sich offenbar gerade für Venedig einkleideten. Ist klar, ne. ALLE, nur ich nicht!
Während Airbnb mir noch ständig Angebote aus Hamburg und Holland schickte, weil ich dort natürlich auch mal nachgeschaut hatte, frönte ich meinem Frust und bedauerte, dass ich nicht doch nach Paris gefahren war. Meine Freundin hätte sicher schon die Rotweinflaschen ausgepackt und für gemütliche Stunden inmitten des Chaos gesorgt. Leider kam diese Einsicht erst spät.
Was dieses Wochenende nun noch für mich bereithält, weiß ich nicht. Die freie Zeit nutze ich wie immer, um auf meinem Schreibtisch ein wenig Überblick zu gewinnen und die Wäsche der Woche zu waschen, um einzukaufen und aufzuräumen. Irgendwas geht ja immer… Und dann wartet ja auch noch der fulminante Alsfelder Kräutermarkt auf mich. Wer braucht schon Hamburg, Paris oder Holland, wenn er Alsfeld haben kann. Mit allem und allen.
Ich schon, manchmal…