Katerstimmung

Es könnte sein, dass Sie mich jetzt für eine Spielverderberin halten, aber wir sollten der Wahrheit ins Gesicht sehen: diese Tage sind nicht schön! Stets starten Sie voller Erwartung und enden im Jammer. Unausweichlich. Sie wissen, was ich meine, oder?

Wochen-, monatelang gar bereitet man sich vor: Man überlegt sich, was man tragen könnte und was man dazu braucht, was passenderweise der Ehegemahl dazu anziehen könnte, und wie man die Kinder originell und kostengünstig auf die verschiedenen Veranstaltungen schickt. Mit jeder Tasche, die wir aus den Geschäften mit nach Hause nehmen, steigt die Vorfreude. Mit jedem Paket, das von so schönen Internetshop wie „Maskworld“ oder „Kostümplanet“ kommt, nahen die tollen Tage, steigert sich das Kribbeln. Wir haben in diesem Jahr so schöne Dinge ausgepackt wie eine schwarzgelockte Zuhälterperücke mit passendem Schnurrbart, ein Brusthaartoupet (wenn ich schon blond sein darf, sollen andere wenigstens auch mal etwas haben, was es sonst nicht gibt), eine fette goldene Prolo-Kette mit großem Dollarzeichen und zwei noch fettere, das Gesicht vollflächig abdeckende Sonnenbrillen, die es, egal wo man ist, schlagartig Nacht werden lassen. Was nun gar nicht mal so unpraktisch ist.

Geduldig schmoren unsere Accessoires in ihren Verpackungen und harren der großen Stunden, für die sie gedacht sind, für die Verwandlung! Einmal blond sein, einmal verrucht sein, einmal Bat Man sein oder Biene Maja, einmal sein, wer man nie ist, für einen Moment oder einen Abend unerkannt bleiben, einmal nur, ach…

Es sind diese Abende, an denen man, wenn es gut läuft, sauviel Spaß hat. An denen der Alkohol in allen möglichen Erscheinungs- und Geschmacksbilden fließt und sich so langsam im eigenen Kopf und den Köpfen der anderen ausbreitet und einem zuflüstert: „Denke nicht an morgen!“. An denen man nicht nur den einen oder anderen zu viel trinkt, sondern auch die eine oder andere zu viel raucht und vielleicht auch das eine oder andere spätestens ab Weiberfasching etwas lockerer sieht als sonst: Zwei Drittel aller Befragten eines Seitensprungportals (!) würden laut einer Internetstudie an Fasching fremdgehen. Ein Quäntchen Wahrheit scheint dran zu sein: Der hohe Alkoholkonsum (und der damit verbundene Zustand) führt psychologischen Erkenntnissen zufolge dazu, dass man Grenzen überschreitet, die man sonst respektieren würde. Außerdem ist man ja in der Maskerade nicht der oder die, die oder der man sonst so ist, im Büro oder in der Werkstatt oder so. Ach so, na dann ist ja alles nur halb so schlimm! Bis zum Aschermittwoch zumindest… (Übrigens gibt es auch Studien darüber, bei welchen Verkleidungen die Fremdgeh-Hemmschwelle am reduziertesten ist – Politessen vielleicht oder Piraten? -, aber ich will den Erkenntnissen meiner Leserinnen und Lesern nicht vorgreifen! Finden Sie das mal schön selbst heraus!)

Aber selbst wenn sich die karnevalesken Ausschreitungen auf das Übliche beschränken, sagen wir mal Alkohol, Nikotin, Stimmverlust, ungewöhnliche Bewegungen (gibt es eigentlich „Rucki Zucki“ noch?) und jede Menge Schlafmangel, ist der Kater danach so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn alles, was am Anfang eines Abends noch so schön glänzt und glitzert und perfekt sitzt, das zeigt am frühen Morgen deutlichen Verschleiß: die Perücke kratzt und wackelt, das falsche Brusthaar zieht es irgendwann vor, sich in das durchgeschwitzte Unterhemd zu verziehen, die Schminke hat unter allen möglichen Anstrengungen, Berührungen und Lachtränen, sagen wir mal schmeichelhaft, gelitten, die Füße tun weh, das Mieder drückt, das Licht geht an – was schon vier Uhr? Zeit, nach Hause zu gehen… Am nächsten Tag finden sich die ganzen schönen, einst heiß herbeigesehnten Teile verstreut auf dem Boden und sonstwo wieder und es wird Tage dauern, bis alles verstaut ist, wohl wissend, dass man sie nie, nie wieder brauchen wird (so ein Brusthaartoupet trägt sich ja auch nicht alle Tage…). Der Kopfschmerz bittet um Beachtung, die Stimme versagt und das Sofa übt einen Sog aus, wie man ihn sonst nur von blutjungen osteuropäischen Frauen auf Lothar Matthäus kennt. Die Wasserflasche bleibt der ständige Begleiter, vielleicht auch noch das eine oder andere Aspirin oder Alka-Seltzer.

Der Fasching ist vorbei – es lebe der Kater! Wie schön, wenn man sich den so ehrlich und aufrichtig verdient hat!