home-urlaubing

„… und ihr so im Urlaub?“ – „Och …“ – „joh, bei uns auch …“ So oder so ähnlich sehen in diesem Jahr die Gespräche über den bevorstehenden Urlaub aus. Oder ist der gerade zurückliegende? Frei oder halbfrei hatten ja viele von uns gerade lange genug – wenn auch nicht wirklich zum Chillen. Aber wer kann schon an Urlaub denken, wenn er oder sie jetzt schon wieder sechs schulfreie Wochen zu bewältigen hat, wo vielleicht (glücklicherweise oder nicht) der Arbeitsalltag wieder beginnen könnte? Wer kann an Urlaub denken, wenn die Ausfälle durch Kurzarbeit oder Schlimmeres die Kasse dann doch zu sehr belastet haben? Wer kann an Urlaub denken, wenn man gar nicht so genau weiß, unter welchen Umständen der überhaupt stattfinden kann und wenn einem angst und bange wird angesichts der völlig überlaufenen deutschen Küsten – um nur ein Beispiel zu nennen. Und viel weiter weg wird man sich wohl kaum trauen in diesen Tagen, in denen „aufgrund der Situation“ der Außenminister schon mal vorsorglich bekanntgegeben hat, dass er seine Dienste als Flugunternehmen für gestrandete Deutsche jetzt eingestellt hat. Und nicht nur das: Aus verschiedenen Ländern hört man jetzt schon wieder, dass einige Regionen bereits wieder dicht machen: Güterlsoh ist überall. Apropos Gütersloh: Ich war so schockiert, als die einzelnen Länder der EU im März ihre Grenzen schlossen, und so erleichtert, als sie wieder aufgingen. Da konnte ich ja noch nicht ahnen, dass sogar innerhalb Deutschlands die Schlagbäume wieder runtergehen und Menschen aus von C betroffenen Kreisen im Rest der Republik mal eben zu unerwünschten Personen werden. Obwohl ich natürlich selbst auch schon dran gedacht habe, den Vogelsberg mit seiner niedrigen bis gar nicht vorhandenen C-Rate für Gäste aus anderen Regionen dicht zu machen. Man weiß ja nie, was Menschen aus dem Kreis Fulda, Gießen oder Hersfeld-Rothenburg oder gar der Schwalm hier so einschleppen!

Aber natürlich muss man gerade jetzt an Urlaub denken – wo auch immer -, damit die Reisebranche wieder auf die Füße kommt. Genauso wie man jetzt dringend shoppen muss, wenn man kann, damit alle möglichen Branchen wieder Boden gutmachen, den sie aus C-Gründen eingebüßt haben. Reisen, Kaufen und Essengehen sind plötzlich systemrelevant – also, ich kann nur sagen: An mir liegt es nicht. Beim Reisen bin ich zwar noch vorsichtig, aber zu in der Republik und im nahen Ausland verstreuten Freunden würde ich mich wieder trauen. Und in Frankfurt war ich auch schon zweimal. Natürlich nicht in der U-Bahn und nicht mit dem Zug. Und wenn’s geht nur im Freien… Dafür unterstütze ich die hiesige Wirtschaft, wo ich kann. Besonders deutlich wird mir das immer, wenn ich diese Meldezettel ausfüllen muss: Ich war schon dreimal in der Eisdiele, viermal im Café, fünfmal beim Italiener, viermal in der Villa … Auf jedem Zettel steht „Traudi Schlitt“ und diverse Begleitungen. Ich hoffe nur, dass die Zettel wirklich vernichtet werden und nicht irgendwo gesammelt werden, sodass man später noch nachvollziehen kann, wie lange ich im Sommer wann und wo mit wem gesessen habe. Ich meine, so vom Standpunkt der Wirtschaftsförderung (im wahrsten Sinne des Wortes) aus wäre ich bestimmt ganz weit vorn. Aber es hat halt auch so ein bisschen was Vergnügungssüchtiges. Außerdem muss ich immer alle, die bei mir am Tisch sitzen, pro forma mit in meinen Haushalt aufnehmen. Wenn das mal nicht die ZAV spitzkriegt und mir nächste Woche drei doppelt so große Mülltonnen hinstellt!

Aber jetzt nochmal zum Urlaub. Unser Ferienhaus am Bodensee haben wir storniert. Es war auch auf der Schweizer Seite und das ist ja nicht mal EU. Da weiß man ja nie… Nun sitzen wir erstmal zuhause und haben eine Liste gemacht mit Dingen, die wir gerne tun würden und Menschen, die wir gerne besuchen würden. Wir haben jede Menge Urlaubsliteratur erstanden: „Lieblingsplätze in Mittelhessen“, „111 Orte im Vogelsberg und in der Wetterau, die man gesehen haben muss“, „Erlebnis Vogelsberg“. Das Gleiche dann noch für die angrenzende Rhön. Und ein bisschen Thüringen. Ich interessiere mich brennend für das 50er-Jahre-Museum in Büdingen, während meine Jungs lieber zu den Uhuklippen in Hochwaldhausen wollen. Anbieten würde sich vielleicht auch noch das Jungfernloch in Homberg/Ohm (für wen von uns auch immer) und wenn wir mal außer Haus schlafen wollen, könnten wir doch mal das Hotel Bunter Hund in Laubach ins Auge fassen, oder? Alles Ziele, nach denen sich Touristen die Finger lecken würden, warum also nicht auch wir Einheimische?

Bis ich dann überhaupt mal rauskomme, denn jetzt muss ich erst noch ein Weilchen arbeiten, schaue ich über den Damm hinter unserem Haus. Zwischen Haus und Damm stehen Kühe, ein Kälbchen und ein tatkräftiger Bulle auf der Weide, dahinter ist die Bahnschiene, aber in meiner Fantasie kommt danach das Meer… Und manchmal, manchmal wenn der Wind weht und so ein leichter Regen aufzieht, dann komme ich mir vor wie an der Nordsee. Oder zumindest wie kurz davor… Dann setzte ich mich mit meiner Sommerdrinkentdeckung aus dem letzten Jahr auf unseren Balkon und lese einen Syltkrimi und wenn das alles nicht mehr hilft, dann hole ich mir noch ein wenig Wellenrauschen aufs Handy. Home-Urlaubing kann soo schön sein! Und von was träumen Sie so?

Die Tendenz geht schwer in Richtung Balkonien oder wie es in den Sozialen Medien so schön heißt #staycation. Lasst uns die Tümpel unserer Heimat posten, die Gasthäuser und Schwimmbäder, die Seen, das Essen, die tollen Sachen vor der Haustür! #staycation und #vogelsberg und #dieweltistschön und #erlenliebe – all die schönen Hashtags sollen durch die Decke gehen. Ich bin gespannt auf eure Tipps. Also, nix wie weg! Die Westernstadt in Lingelbach wartet schon!