Glühweinabend

Irgendwie fehlte er mir ja schon ein bisschen, der Glühweinabend auf dem Alsfelder Marktplatz, den wir vorgestern hätten feiern können, wenn, ja, wenn nicht, Sie wissen schon. Ausgefallen halt. So wie schon wieder alles, oder fast alles. Und vieles, was nicht amtlich abgesagt wird, fällt freiwillig aus, sei es aus Angst, Hysterie oder Vernunft – je nach Betrachtungs- und Herangehensweise – oder weil wir uns auch alle schon so ein bisschen dran gewöhnt haben. Ist ja auch so schön kuschelig daheim. Was soll man da auch noch groß rausgehen und sich an einem kalten Winterabend in der Stadt die immer kälter werdenden Füße samt Beinen in den Bauch stehen, nur um die immer selben Leute zu treffen und das eine oder andere Schwätzchen zu halten, das vielleicht auch verzichtbar gewesen wäre. Genau deshalb sollte man das tun, finde ich, aber sei‘s drum.

Wie gut, dass man einen Glühweinabend auch zuhause veranstalten kann. Draußen natürlich, mit Mindestabstand und allem. Und natürlich nur mit wenigen geladenen Gästen, über die man zur Not auch hätte Auskunft geben können – ganz ohne Liste und Luca-App. Und so machten wir uns an unseren kleinen gemütlichen Glühweinabend, probierten – natürlich – heißen Aperol, der mit Wein und Apfelsaft erhitzt wird und wirklich sehr zu empfehlen ist. Wir brauchten die letzten Glöggs vom Vorjahr auf und gesellten ihnen ein paar frische Flaschen Glühfranz hinzu und stärkten uns bei knapp über zwei Grad mit heißen Pizzabrötchen unterm Carport. Wir standen uns die immer kälter werdenden Füße samt Beinen in den Bauch und hielten das eine oder andere Schwätzchen – schon war’s! In den Laternen und Gläsern flackerten die Kerzen und rund um die Feuerschale war es anfangs auch noch recht warm. Anfangs. Anders als beim Glühweinabend auf dem Marktplatz lockte dann doch bald die warme Stube ein paar wenige Unentwegte mit ins Haus, nur kurz zum Aufwärmen, bevor man den Heimweg antreten würde, denn der Glühweinabend hatte ja schon früh begonnen. Hier drin umfing uns nicht nur wohlige Wärme, sondern es hing auch noch eine verlockende Mischung von Glühweinduft und Pizzabrötchenaroma in der Luft, und es war sehr gemütlich auf der Couch und um den Wohnzimmertisch, auf dem viele kleine Teelichter brannten.

Noch ein kleines Bier und ein Wein, nur noch schnell vorm Gehen, und noch ein wenig Musik. Jeder von uns hatte seine eigene Playlist im Kopf – und die arbeiteten wir gewissenhaft ab. Die Vogelwiese folgte auf Rio Reiser, die Tänzerin im Sturm auf Mary Black, und Hubert von Goisern löste sich mit den 17 Hippies ab. Noch ein kleines Bier und ein kleiner Wein, noch ein wenig Harry Belafonte und John Denver und nicht zu vergessen natürlich die unvergänglichen Schlager unserer Kindheit, die wir – frisch gebadet und im Frotteeschlafanzug am Samstagabend vor der Hitparade sitzend – für immer in unsere Köpfe, schlimmer noch, in unsere Herzen aufgenommen haben und die ich – so peinlich es mir auch immer ist – zu jeder Tages- und Nachtzeit mühelos mitsingen kann. Alle. Fehlerfrei. Und das im Zweifel auch ganz ohne Alkohol. Obwohl es mit Alkohol zugegebenermaßen besser funktioniert. Hemmungsloser halt. Und in dieser Nacht mussten wir darauf nicht verzichten. Es gab für die einen noch ein Bier und für die anderen noch einen Wein. Es gab noch Musik – aus gegebenem Anlass und auch morgens um drei noch von hoher politischer Aktualität den Michael mit seinem vergessenen Farbfilm im Sanddorn und die Rosen von Frau Knef – und Nüsschen, Schokolade und kalte Pizzabrötchen. Und doch noch einen Wein und ein Bier. Und dann noch Je ne regrette rien.

Am Ende dieses heimeligen Glühweinabends, der langsam und unbemerkt in einen Wein- und Biermorgen übergegangen war, waren die Gäste nicht nur geladen, sie hatten auch geladen. Das Leergut erzählte die Geschichte eines gelungenen Glühweinabends. Der nächste Tag war schwierig – und das hatte endlich wieder mal nix mit Sie wissen schon zu tun. Schön war’s. Danke euch.