Glücksbotin

… da ist er wieder: der Weltglückstag. Die Vereinten Nationen haben ihn vor dreizehn Jahren erfunden und verbinden damit auch Politikziele. Wahrscheinlich also sollen alle Menschen auf der Welt endlich glücklich oder noch glücklicher werden. Was für ein Plan! Wo doch jeder Mensch selbst seine eigene Glücksdefinition hat. Vielleicht wäre für politische Ziele ein „Weltgerechtigkeitstag“ besser gewesen, wie der Journalist Christoph Hickmann heute auf spiegel.de vorschlägt. (1)

Wenn wir uns das Glück anschauen, dann können wir auf viele, viele, viele Quellen zurückgreifen. Sprichwörter zum Thema Glück gibt es haufenweise: Von „Jeder ist seines Glückes Schmied“ bis zu „Das Glück ist mit den Tüchtigen“ drängt sich der Verdacht auf, dass man sich sein Glück erarbeiten kann. Und sonst nichts. Also, für mich ist das nichts. Ich überlasse das mit dem Glück gerne mal meinem Besuch und begrüße die meisten Leute, die sich heute noch trauen, unangemeldet bei uns reinzuschneien, mit den Worten „Tritt ein, bring Glück herein.“ Keine Ahnung, ob die das jetzt irgendwie unter Druck setzt. Ich will ja auch nicht, dass sie mir ihr Glück abgeben, wenn sie reinkommen, sondern ich lade sie ein, zu teilen – natürlich nur, damit sie noch glücklicher werden, denn: „Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Das sagte Albert Schweitzer. Und der war ja bekanntlich sehr klug und hoffentlich auch glücklich. Obwohl: „Glücklich ist, wer vergisst“. Das würde auf Herrn Schweitzer dann wohl eher nicht zutreffen.

Man fragt sich an einem solchen Tag wie dem Weltglückstag natürlich, was wirklich glücklich macht, und man kann heute dazu in fast jeder Tageszeitung etwas lesen. Etwa, dass die Finnen nach wie vor Spitzenreiter im Ranking der glücklichsten Länder sind. Und das trotz ihrer etwa tausenddreihundert Kilometer langen Außengrenze zu Russland. Daran kann man wohl in erster Linie sehen, dass man sich das Glück nicht durch äußere Einflüsse, auch nicht durch Scheiß-Nachbarn, verderben lassen muss. Wir Deutsche kommen in der Liste noch auf Rang vierzehn, was angesichts der Miesepetrigkeit vieler Menschen hierzulande noch eine ziemlich gute Leistung ist.

Neben den Rankings gibt’s natürlich auch immer jede Menge Tipps, wie man jetzt selbst als Deutsche oder Deutscher noch ein wenig glücklicher werden könnte. Wobei schon die Definition schwierig ist. Würde es nicht „Zufriedenheit“ besser treffen als „Glück“? Aber ist andererseits „Zufriedenheit“ auch nur so larifari, so ähnlich wie „nett“ als kleine Schwester von „Scheiße“. (Sorry, zweimal das Sch-Wort in einem Text, und das beim Thema Glück. Hier sollte doch ein ganz anderes Sch-Wort auftauchen: Schwein nämlich. Als wahrhaftiges Synonym für Glück.) In den vielen Unterlagen zum Thema Glück, die ich so gesammelt habe, steht auf jeden Fall viel von Zufriedenheit als dauerhafteste und auch am besten erträgliche Form von Glück, weil sie nicht so überschwänglich ist und man nicht so dauerbeseelt unterwegs ist, wenn man nur zufrieden ist und nicht glücklich. Und Dankbarkeit. „Nicht Glücklichsein führt zur Dankbarkeit, sondern Dankbarkeit zum Glücklichsein“, sagt etwa der Benediktinermönch David Steindl-Rast. Der hat vielleicht als Mönch auch gut reden, denn als solcher ist materiell und spirituell auch ausreichend versorgt. Ob ihm sonst was fehlt, kann ich nicht beurteilen; er hat sich sein Mönchsleben ja selbst ausgesucht. Vierhundert Jahre vor ihm hatte aber auch schon der Philosoph Sir Frances Bacon diese Erkenntnis: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“ Scheint also so, als ob Glück in erster Linie eine Frage der Haltung ist, wie auch der Psychoanalytiker Erich Fromm einst sagte: „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.“

Vermutlich ist an allem etwas Wahres dran, aber die Finnen sind wohl auch deshalb so glücklich, weil sie a) in einem Staat leben, der sie gut versorgt, und sie b) relativ viel Freizeit haben. Ein gewisses Maß an materieller Absicherung, spricht Wohlstand, und Zeit, um sich zu entfalten, gehört also dazu. (2) Und das kann man sich ja auch nicht unbedingt mit Einbildung besorgen. Aber angeblich ist das mit dem Mammon nicht so wichtig, wie man vielleicht denkt, denn alle Glücksforscher sind sich einig, dass es einen gewissen Sättigungsgrad gibt, ab dem man mit mehr Geld nicht mehr glücklicher wird. Es sei denn, man teilt, vermute ich, und überlege schon mal, wem ich im Falle eines großen Lottogewinnst alles etwas abgeben würde, um mein Glück zu maximieren – ganz im Sinne des Schriftstellers André Gide, der sagte: „Das Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz, sondern im Geben. Wer andere glücklich macht, wird glücklich.“ Egal, was Gide und die anderen sagen: Der Ehrlichkeit halber muss ich zugeben, dass mein Glück – jetzt mal abgesehen von den Megafaktoren Freunde, Familie, soziale Anerkennung, Gesundheit – schon mit Dingen zu tun hat, die man kaufen kann, oder für die zumindest ein bisschen Geld vonnöten ist. Ein Tag am Strand, zum Beispiel, ein Theaterbesuch, ein nettes Essen, ein schönes Buch, eine Runde in der Sauna. Das sind vielleicht nicht die fettesten Sachen, aber, egal, wie spirituell man unterwegs ist, kommt man nicht drumherum, dass das Gefühl von Glück – zumindest bei westlich und kapitalistisch sozialisierten Menschen wie mir – nicht immer nur ganz kostenlos zu haben ist. Vielleicht sind das aber auch die ganz falschen Voraussetzungen, und wenn man sich traute, sich von allem Mammon und Tand loszusagen, würde vielleicht das richtige, das tiefe Glück auf einen warten.

Kann sein, die Probe aufs Exempel verschiebe ich aber lieber noch ein bisschen zugunsten des kleinen Glücks-Zufriedenheits-Dankbarkeits-Mix, der täglich in kleineren oder größeren Dosen auf mich wartet. Und wenn bei Ihnen da eher tote Hose ist, kommt noch ein Tipp aus dem fernen Asien. Die sollen dort ja auch das Glück sozusagen erfunden haben. Ein japanisches Sprichwort sagt: „Das Glück tritt gern in ein Haus ein, wo gute Laune herrscht.“ Na dann: Rein mit dir!

(1)  https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-weltglueckstag-wladimir-putin-xi-jinping-china-russland-herbert-groenemeyer-a-90fd92c4-91a2-421c-bc80-55c4cfeebbd2

(2)  Steffen Trumpf, 21.3.2023, Das Glück liegt weiterhin im Norden, Oberhessische Zeitung

… und die Sprichwörter: https://www.gluecksarchiv.de/inhalt/sprichwoerter.htm

… und das Bild ist von Bianca Ackermann auf Unsplash. Danke schön!