Gli-Gla-Glitzer

Wenn man kurz vor Weihnachten eine Kolumne abgeben muss, hat man ja so den unbestimmten Drang, etwas Weihnachtliches zu schreiben. Das wäre jetzt schon zum sechsten Mal, und alljährlich stellt sich die Frage, ob mir wieder etwas halbwegs Neues einfällt. Denn an Weihnachten ist ja schon immer irgendwie viel dasselbe. Für uns zumindest. Vielleicht war früher mehr Lametta, wie hier und da schon vermutet wurde, aber ansonsten ist alles beim Alten: Ganz normal, dass langsam und vier Wochen lang ein ganzes Land hohldreht. Sowohl handwerkliche und industrielle Zwangsruhen von Mitte Dezember bis Mitte Januar werfen uns aus der Bahn – zumindest was unsere Baustelle angeht, die -ich weiß nicht, ob ich es schon mal erwähnt hatte – eigentlich schon in den Oktoberferien hätte fertig sein sollen, als auch die ansonsten allerorten stattfindende Konsumeskalation, in den Kaufhäusern und den Lebensmittelgeschäften. High Noon für Forellen, Gänse und Frankfurter Würstchen; Hamsterkäufe, wohin man schaut, gilt es in diesem Jahr doch tatsächlich, sich für drei, in Großbuchstaben DREI, ladengeschlossene Tage einzudecken. Dazu die vielen, vielen kleinen und großen Termine, die uns allen so geläufig sind, vom Glühweinabend auf dem Weihnachtsmarkt über die vielen Konzerte und Ausstellungen bis hin zu den lebenden Adventskalendern.

Ein lebender Adventskalendertermin fand in diesem Jahr vor unserem Asylbewerberheim statt. Die meisten Anwohner nahmen daran teil. Ich kenne sie kaum, weiß bei den meisten nicht, woher sie kommen, und fragte mich die ganze Zeit, ob sie wohl wussten, was wir hier taten. Die Organisatoren hatten sich extra viel Mühe gegeben und die Weihnachtsgeschichte mit Puppen nachgespielt. Sie versuchten, den Menschen des Asylbewerberheims zu erklären, warum wir Christen das Weihnachtsfest so feiern, wie wir es tun, was wir selbst, wenn wir ehrlich sind, ja auch nicht immer so genau wissen. Jedenfalls glaube ich, dass vieles, von dem, was man heute so zu Weihnachten tut – zum Beispiel die unvermeidlichen Vorkommnisse auf Betriebsweihnachtsfeiern-, nur sehr bedingt biblischen Ursprungs ist. Da muss man schon reinsozialisiert werden, sonst geht da gar nichts…

Diejenigen unter den Asylbewerbern, die ein wenig Deutsch sprachen, sollten übersetzen, was dem ganzen Adventsgeschehen angesichts der Sprachenvielfalt, die selbst in unserem kleinen Asylbewerberheim herrscht, mehr so einen babylonischen Pfingstcharakter verlieh. Ich schaute mir die Menschen an, während wir „Kling, Glöckchen, klingeling“ sangen, und fragte mich, wie sich diese Worte in ihrer Endlosschleife in ihren Ohren wohl anhören. Wahrscheinlich genauso fremd und merkwürdig wie uns beispielsweise arabische Gesänge anmuten. Und während ich mich so umschaute und die vielen Lichterketten an den umliegenden Häusern sah, hätte ich gerne gewusst, wie das alles wohl auf sie wirkt.

Besonders auf diejenigen Flüchtlinge, die jetzt erst kommen. Denen muss es doch vorkommen, als kämen sie in ein Glitzerparadies, das sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt hatten und das, obwohl so nah, leider doch außerhalb ihrer neuen Welt spielt. Sie können ja noch nicht wissen, dass, kaum ist der 1. Januar vorbei, die ganze Pracht wieder in die Kartons und die Keller oder auf die Dachböden kommt, bis sie nächstes Jahr wieder hervorgeholt wird. Und wer weiß, wie es ihnen bis zum nächsten Fest hier bei uns ergehen wird…

Als ich mal einen Weihnachtsbeitrag aus einem Asylbewerberheim machte, besuchte ich einen jungen Moslem in seinem Zimmer, und das hatte er mit einem kleinen Plastikbäumchen und einer Lichterkette festlich dekoriert. Es war wirklich eng in dem Zimmer, aber der junge Mann strahlte mit seinem Bäumchen um die Wette. Wahrscheinlich ist er damit jetzt nicht gerade zum Christentum übergetreten, aber anscheinend fand er es irgendwie heimelig und passend zu diesen Tagen. Was ja auch der Grund ist, warum wir es uns jetzt so gemütlich und romantisch machen. Und vielleicht gilt ja dann auch irgendwann die Anzahl an Lichterketten und Glitzeraccessoires zur Weihnachtszeit als ein Maß für gelungene Integration, wer weiß.

Lassen wir es glitzern! Schöne Weihnachten für Sie!