Frauengrippe

Neulich, als das ganze Land unter einem einzigen riesengroßen grippalen Infekt zusammenbrach, hatte es auch mich getroffen. Dabei bin ich sonst NIE krank! Ich doch nicht. Ich bin doch kein Mann! Aber was als harmloser Schnupfen anfing, entpuppte sich bald als ziemlich hinterhältige Erkältung, die auch Wochen später noch nicht richtig weg war. Ich hatte dann recht bald einen fürchterlichen Husten dazubekommen, der sich nicht löste. Ich hustete so angestrengt und unproduktiv, dass mir alles wehtat und mir der Schweiß ausbrach, und da alles darauf hindeutete, dass ich – völlig untypischerweise – nicht nur eine Grippe, sondern vielleicht sogar eine Männergrippe haben könnte, gab ich am Ende dem Drängen meiner Familienmitglieder und Arbeitskollegen nach und ging zur Ärztin. Sie schüttelte den Kopf, nein, eine Männergrippe hatte ich nicht, obwohl meine erhöhte Körpertemperatur von 37,8 Grad darauf hätte schließen lassen können. 37,8 Grad sind aber nur in Kombination mit dem Y-Chromosom der Männer gefährlich. Da hatte ich aber Glück! Ich brauchte nicht mal Medikamente und war ein bisschen enttäuscht, denn wenn andere Mitglieder der Familie bei uns mit ähnlichen Symptomen kämpfen, werde ich mit einer handgeschriebenen Liste in die Apotheke geschickt wo von A wie ACC akut über G wie Grippostad bis hin zu W wie WickMedinait, alles draufsteht, also beispielsweise auch noch K für Kamille zum Inhalieren, N wie Nasic, P wie Paracetamol, S wie Sinupret oder R wie Rhinopront.

Die Ärztin schrieb mich eine Woche krank, was ich für völlig übertrieben hielt. Auf dem Rückweg aus der Praxis kaufte ich noch was fürs Mittagessen ein, gab meine Krankmeldungen ab und ging nachhause, um mich ein wenig hinzulegen, so wie ich das schon öfter bei meinem Mann gesehen hatte, wenn er krank war. Ich schaute vom Sofa aus ins Wohnzimmer und sah mir in Ruhe alles an, was wieder mal aufgeräumt werden könnte. Dann drehte ich mich um und schaute die Lehne meines Sofas an. Als ich die Augen schloss, gingen sie gleich wieder auf. ES WAR MONTAGVORMITTAG! Ich legte mich auf den Rücken und schaute zur Decke. Was um Himmels Willen macht man, wenn man am helllichten Montagvormittag auf dem Sofa liegt? Ich schaute auf die Uhr. Bald war es Zeit zu kochen. Gottseidank.

Nachmittags gelang es mir tatsächlich, ein wenig zu schlafen. Ich merkte, dass mir das guttat und wunderte mich doch ein bisschen über mich. Vielleicht hatte ich doch eine Männergrippe?! Kaum hatte ich zehn Minuten gedämmert, rief meine Mutter an und wollte hören, wie es mir geht. Wir plauderten eine Weile und ich versuchte erneut mein Glück als Tagschläferin. Es dauerte nicht lange, und meine Söhne kamen von der Schule. Sie klingelten ausgiebig und ich beschloss, meinen Erholungsschlaf zu verschieben. Schließlich hatten sie Hunger und viel zu erzählen.

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker wie immer. Da ich keine Männergrippe hatte, war ich durchaus in der Lage, aufzustehen und die Kinder für die Schule an den Start zu kriegen. Wecken, antreiben, Brote schmieren, antreiben, Klamotten suchen, antreiben, Jacken suchen, antreiben, Tschüss, weg, Schweißausbruch. Die Nase lief und lief, die Tempos waren alle oder auf die Schultaschen der Kinder verteilt. Also raus ins Leben und einkaufen, da könnte ich ja auch gleich was fürs Mittagessen mitnehmen.

Man kann sich natürlich an so ein bisschen Schlendrian auch gewöhnen, merkte ich. Geschwächt von den Aktivitäten des Vormittags, steuerte ich das Sofa zum Mittagsschläfchen an. Kaum hatte ich die Augen zu, brachte der Hermes-Bote mir ein Päckchen und machte durch lautes Hupen auf sich aufmerksam, weil er immer Angst vor dem Hund hat. Als ich es erneut probierte mit dem Schlaf, klingelte mein Freund von Bofrost an der Tür. Mein großer Sohn öffnete vorschnell. Ich krabbelte gerade von der Couch, da rief es schon von der Tür „Na, habe ich Sie beim Mittagsschläfen gestört!“. Wahrscheinlich passiert ihm das anderswo öfter. Aber nicht bei mir! ICH MACHE NIE MITTAGSSCHLÄFCHEN, wollte ich zurückrufen, aber ich nieste und hustete ihn nur an, sollte er doch sehen, was er von seinen haltlosen Unterstellungen hatte! Für einen nächsten Schlafversuch fehlte mir die Zeit. Gleich würden die Zwillis von der Schule kommen.

Ich beschloss, dass ich jetzt einfach so erkältet wäre. Die Mittagsschlafoption ist nix für mich. Es war auch Zeit, wieder gesund zu werden, denn ich hatte bald große Teile der Familie angesteckt. Die waren mit ihrer Y-Chromosom-bedingten Mutation meiner kleinen Erkältung natürlich viel schlimmer dran als ich. So nahm ich meine Liste, die von A bis W, machte mich auf in die Apotheke und ging wieder meiner eigentlichen Bestimmung nach: Dem Betüdeln männlicher Menschen bei Husten, Schnupfen und Heiserkeit.