Finale, ooooh!

Ja, da sind sie wieder! Weitgehend unbemerkt von der großen Öffentlichkeit, haben sie das Finale der Europameisterschaft erreicht. Ich wäre gerne zu einem Public Viewing gegangen, aber das hätte ich selbst organisieren müssen. (Kleine Ergänzung: Der TSV Wallenrod ist hier ganz weit vorn – er hat eines der wenige Public Viewings der Region veranstaltet.) Wäre bestimmt schön geworden – ein netter Frauenabend wahrscheinlich. Von unserem Geld, das wir trotz eines Gender Pay Gaps von immer noch 18 Prozent verdienen, hätten wir uns sicher den einen oder anderen Aperol geleistet. Vielleicht sollten wir zumindest das Finale für eine solche Veranstaltung nutzen.

Nun muss man wissen, dass wir Ottilie Normalverbraucherinnen mit einer Kluft von 18 Prozent zwischen den Einkommen von Frauen und Männern noch gut bedient sind. Die Fußballfrauen sind da erheblich schlechter dran: Sollten sie den EM-Titel am Sonntag holen, bekommt jede von ihnen – nachdem der DFB hier kräftig und durchaus vollmundig aufgestockt hat – eine Siegprämie von 60 000 Euro. Zum Vergleich: Hätten (hätten, wohlgemerkt) die Männer im vergangenen Jahr den Titel erreicht, hätte jeder der Spieler 400 000 Euro überwiesen bekommen. Doch dazu hätten sie halt nicht im Achtelfinale rausfliegen dürfen. Sei’s drum: Schon 2016, als die Jungs im Halbfinale rausflogen, durften sie 100 000 Euro mit nachhause nehmen. Schön für sie.

Dass alle Beteiligten, einschließlich die Fußballfrauen selbst, den großen Fortschritt loben, den der Frauenfußball grade macht, mag angesichts eines Vergleichs mit der Vergangenheit verständlich sein, im Vergleich mit dem, was im Männerfußball so los ist, sind es aber immer noch Brosamen von der Herren Tisch. DFB-Direktor Oliver Bierhoff begründet den Gender Pay Gap von 85 Prozent mit den „erheblichen Unterschieden bei den Umsätzen und Einnahmen“. Die gibt es sicherlich. Und als fast fertig studierte BWLerin könnte ich zur Not sogar anhand verschiedener Kurven die Abhängigkeit von Preis und Nachfrage berechnen. Ob dies allerdings eine solche Differenz rechtfertigt, ist die eine Frage. Ob Fußballspieler überhaupt so viel verdienen müssen wie die Männer, ist eine ganz andere Diskussion, die man auch mal führen könnte. Ich meine, was tun sie denn schon, außer Fußballspielen? Klar, sie unterhalten die Menschen. Gut sogar. Sie sind ein riesiger Wirtschaftsfaktor. Aber wenn beispielsweise bei Manuel Neuer ein Einkommen von 11 Millionen im Jahr aufgerufen wird (30 000 Euro am Tag), dann ist das im Vergleich zu Berufen wie Krankenpflegerin, Müllwerker, Verkäuferin, Alltagsbegleiter, Erzieherin oder Friseur schon unanständig.

Doch bevor mir hier eine linksversiffte Neiddebatte angehängt wird, will ich lieber nochmal zum Thema Frauenfußball kommen. In der Panorama-Reportage vom 21. Juli sagt die Bundesliga-Spielerin Saskia Matthies, dass es schon übel sei, dass sie als Spielerin in der ersten Bundesliga nur ein Drittel dessen verdient, was Männer in der dritten Liga verdienen. Sie sei froh, dass sie einen Nebenjob habe. Und während in Ländern wie den USA oder sogar der Schweiz die Fußballfrauen bei der Gleichbehandlung in Sachen Job angekommen sind oder auf dem Weg dorthin, sind bei uns viele Spielerinnen zufrieden mit dem, was sie bekommen. Nationalspielerin Sara Däbritz sagte: „Es ist eine deutliche Steigerung zur letzten EM. Deswegen sind wir auf einem guten Weg.“ Und die DFB-Funktionärin Silke Raml meinte, man müsse im Frauenfußball erstmal „die Hausaufgaben machen“, bevor man mehr Geld verlangen könne. Damit mag sie wohl auch recht haben: Noch immer trainieren und spielen die Fußballfrauen unter schlechteren Bedingungen als die Männer.

In der Kreisliga beklagen Frauen Trainingszeiten, die sich denen der Männer unterordnen müssen, in der Bundesliga haben Frauen schlechtere Räumlichkeiten und damit auch schlechtere Trainingsbedingungen als die Männer. Zu den strukturellen Ungerechtigkeiten gehören auch die frühen Anstoßzeiten am Nachmittag. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sag dazu: „Andere, spätere Anstoßzeiten sind möglich und sie sind auch eine Frage des Respekts.“

Respekt. Damit wären wir bei einem ganz anderen Thema, denn fast alle Fußballfrauen kennen nicht nur mangelnde finanzielle und strukturelle Unterstützung, sondern auch blöde Anmache bis hin zu sexistischen Beleidigungen. Auch davon berichten die Fußballfrauen in der Panorama-Reportage. Die einen gehen nicht mehr zum Vereinsarzt und spielen lieber mit Schmerzen weiter, die anderen fürchten sich vor den heimischen alten männlichen Vereinsmitgliedern, die nicht einsehen wollen, dass Chauvisprüche am Spielfeldrand out sind. Und ganz andere, nämlich Nationaltorwartin Almuth Schul, wurde von Reportern gefragt, wie sich das anfühlt, wenn man als eine der wenigen in der Mannschaft einen Mann liebt und keine Frau. Alles Kampflesben oder was?

Ja, wir haben uns seit den Fünfzigerjahren, als der DFB den Frauenfußball mit der Begründung, dass „im Kampf um den Ball die weibliche Anmut verschwindet, Körper und Seele unweigerlich Schaden erleiden und das Zurschaustellen des Körpers Schicklichkeit und Anstand verletzen“ verboten hat, weiterentwickelt. Und ja, das legendäre buntgeblümte Kaffeeservice für den EM-Titel im Jahr 1989 haben wir auch hinter uns gelassen. Und ja, man kann nicht alles mit Geld verrechnen. Es zählen auch Spaß und Leidenschaft, Gemeinschaft und Erfolg. Aber das alles haben die Männer ja auch. Zusätzlich zu ihren Millionen.

Und daher finde ich, sollten wir Frauen grundsätzlich mehr fordern, denn um es mal mit niemand geringerem als der großartigen Simone de Beauvoir zu sagen: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen – sie bekommen nichts. “

Quellen / alle zuletzt abgerufen am 28. Juli

https://www.fussballtransfers.com/spieler/manuel-neuer/gehalt

https://www.deutschlandfunk.de/equal-pay-fussball-verbaende-dfb-100.html

https://www.ardmediathek.de/video/panorama/panorama-vom-21-juli-2022/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS82YjU2NmQ4MS1kZDllLTQzNDQtYmZlMS0xMmM0Mjc0MDRkNjQ

https://www.stern.de/sport/fussball/em-2021/em-2021–trotz-corona—praemien-fuer-deutsche-spieler-so-hoch-wie-nie-bei-einem-turnier-30570708.html