Eine Frage der Zentimeter
2024 ist ja bekanntlich das Jahr großartiger sportlicher Ereignisse. Als vielleicht wichtigste – zumindest in unseren Breitengraden – seien mal die Leichtathletik-EM in Rom, die FIFA-Europameisterschaft im Juni hier bei uns in Deutschland und die Olympischen Sommerspiele in Paris genannt. Hier wie da wird es wieder um Zentimeter gehen, die den Ausschlag geben werden, ob ein Tor gelingt, ein Abseits vorliegt oder ein neuer Weltrekord in was auch immer aufgestellt wird. Natürlich würde ich mich dazu gerne kompetent äußern, doch mein sportliches Interesse geht zu keiner Zeit über das montägliche Aquacycling im Erlenbad und das mittwöchliche Pilatesangebot der Volkshochschule hinaus. Und so bin ich stets bemüht, mir Nebenschauplätze zu suchen. Und das lohnt sich. In diesem Jahr fiel mir eine Quizfrage zum Thema „Höschen von Beachvolleyballerinnen“ in die Hände – wie gemacht für mich, um mich in meinem langweiligen Leben ein wenig darüber aufzuregen:
Noch bis vor kurzem nämlich hatte die Internationale Handballföderation festgelegt, dass Beachvolleyballspielerinnen Bikinihosen tragen müssen, die eng anliegen und eine Seitenbreite von maximal zehn, mitunter sogar nur sieben, Zentimetern aufweisen. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass es auch für Männer eine Zehn-Zentimeter-Regel gibt: Ihre ansonsten nicht weiter spezifizierten Shorts müssen „wenigstens zehn Zentimeter über dem Knie aufhören.“ Da sind wir natürlich alle froh, dennoch liegt der Gedanke nah, dass dem Führungsgremium dieser Organisation noch nie eine Frau angehört hat. Und – Überraschung: Der Gedanke ist richtig. Ist ja schließlich alles historisch gewachsen wie alle überwiegend männlich besetzten Vereine, Parteien, Regierungen etc. – da kann man nichts machen. Genau.
Und deshalb durfte auch ein – sorry – alter Sack wie der damalige FIFA-Chef Sepp Blatter seinerzeit folgenden Vorschlag machen: „Lassen wir doch die Frauen in anderen, feminineren Tenüs spielen als die Männer. In engeren Hosen zum Beispiel.“ Warum nur um Himmels Willen sehe ich in diesem Zusammenhang einen alten sabbernden Mann vor mir, der wahrscheinlich hofft, dass sich beim Anblick durchtrainierter Frauen in enger Kleidung seine altersbedingt eingeschränkte Manneskraft ein kleines bisschen erholen könnte? Entweder war die Not so groß oder der Verstand war mit der Libido mitgeschrumpft, sonst hätte er doch selbst merken müssen, was für ein Scheiß-Vorschlag das war. Glücklicherweise lehnte das verantwortliche Gremium die Idee dann auch ab, offenbar siegte dort kurzfristig der Verstand über die Wünsche aus der Körpermitte.
Blöde Vorschläge und Vorschriften für Frauen im Sport gab und gibt es aber immer wieder: Weiße Unterwäsche im Tennis – egal, an welchen Tagen, Röckchen für Boxerinnen, Röckchen für Badminton-Spielerinnen, um die „attraktive Präsentation von Badminton zu gewährleisten“, und knappe Trikots für Turnerinnen, die, während sie da so am Reck oder am Barren hängen, auch noch drauf achten müssen, dass nichts verrutscht. Zumal sich Fotografen und Kameramänner gerne auf Ausschnitte und Hintern konzentrieren, um nicht zu sagen, versteifen. Sie sind halt einfach Röckchenfans, die Funktionäre in ihren Verbänden, und wer könnte es ihnen verdenken, dass sie einfach auch mal was fürs Auge haben wollen, wenn sie sich schon so sehr für den Sport einsetzen? Böse Zungen mögen behaupten, sie lauern auf ihren Logenplätzen nur darauf, bis den Sportlerinnen mal die Röckchen hochrutschen, dabei haben sie doch nur das große Ganze, den vollendeten ästhetischen Aspekt im Blick, für den man die Männer bekanntlich eh nicht brauchen kann.
Ja, und wie geil war es dann eigentlich, als die unerschrockene und elfenungleiche Serena Williams den Jungs wieder einmal die Butter vom Brot nahm: Sie trat weder im Röckchen noch in einer dunklen Unterhose, sondern in einem Catsuit auf den Tennisplatz: schwarz, eng, glänzend und mit einem roten Gürtel, in dem sie sich fühlte wie Superwoman und auch so aussah. Sie trug ihn aus medizinischen Gründen, sagte sie und brachte mit ihrem heißen Outfit u.a. den Präsidenten des französischen Tennisverbandes Bernard Giudicelli zur Weißglut. So sehr reizte ihn und seine Art- und Funktionsgenossen der Anblick dieser starken, von allen Macho-Regeln unbeeindruckten Frau, dass der französische Tennisverband (FFT) daraufhin einen neuen Dresscode beschloss, um das Tragen eines solche Catsuits in Zukunft zu verbieten. Wo kämen wir denn hin, wenn das alle machen! Giudicellis Vorwurf an Serena Williams war, das Spiel und den Platz nicht zu respektieren. Denn das kann man natürlich nur elfengleich in einem weißen Röckchen und nicht mit guten Leistungen. Andererseits entpuppten sich die Herren der Sportregeln aber auch als Hüter der weiblichen Tugend: Die Französin Alizé Cornet kassierte eine Verwarnung für „unsportliches Verhalten“ vom Schiedsrichter, weil sie auf dem Court ihr T-Shirt wechselte, da sie es versehentlich verkehrt herum angezogen hatte. Vermutlich fand er ihren Sport-BH nicht sexy. Ein T-Shirt-Wechsel während eines Spiels kommt im Männer-Tennis regelmäßig vor, aber da schaut ja keiner hin. Oder vielleicht doch?
Also, ganz ehrlich: Ich würde da schon hinschauen und denke immer noch sehnsüchtig daran zurück, als während der EM 2012 Luís Figo und Zinédine Zidane ihre Trikots tauschten. Daher sammle ich jetzt Unterschriften für mehr optisch reizvolle Kleidervorschriften im Männersport. Das viel diskutierte Pink der amtierenden deutschen Nationalmannschaft – das nach Ansicht einiger besorgter Bürger zu einer unerwünschten Feminisierung des Fußballs führen könnte – kann da nur ein Anfang sein. Enganliegende Hosen – so wie sie früher immer die Balletttänzer anhatten und die mein Ex-Freund immer despektierlich „Eierhosen“ nannte, warum nur? – würden sicherlich das Interesse der Frauen an den Turnieren erhöhen. Und bauchfrei natürlich, denn seien wir mal ehrlich: So selten wie unsere Männer solche Körper wie die der bauchfrei spielenden Beachvolleyballerinnen zuhause sehen, so selten sehen wir zuhause mal ein echtes Sixpack. Ich sage das natürlich nicht für mich, sondern für eine gute Freundin. Und da auch wir Frauen Fernsehgebühren zahlen, finde ich, sollte man uns auch das eine oder andere optische Highlight zugestehen. Die Beachvolleyballer könnte ich mir demnach gut in so einem String-Tanga à la René Weller vorstellen. In gold natürlich. Wer zu jung für diese Vision ist, sollte dringend googeln. Es lohnt sich! Ich denke, die Seitenbreite der Herrentangas könnten wir auf ein bis zwei Zentimeter begrenzen, damit die Spannung jenseits des Spiels nicht zu kurz kommt und das Aufmerksamkeitslevel der Zuschauerinnen konstant hoch bleibt.
Zurück zu den Beachvolleyballerinnen: Bekanntlich dürfen sie seit zwei Jahren zwischen ihren Bikini-Höschen und enganliegenden Shorts wählen. Dürfen, wie nett! Die Norwegerinnen, von denen der Protest gegen die knappen Höschen ausgegangen war, mussten 2021 1500 Euro Strafe wegen des Verstoßes gegen die Kleidervorschrift zahlen – die Sängerin Pink übernahm das gerne für sie. Wer jetzt denkt, die Sportlerinnen wollen sich in Ganzkörperanzüge oder sonstige körperverhüllende Gewänder wickeln, täuscht: Ihnen geht es darum, selbst zu bestimmen, was sie tragen, und es sich nicht von Männern in Spitzenfunktionen vorschreiben zu lassen. Übrigens auch nicht von denen in Katar, die wiederum den Bikini verbieten wollten. Da kannten sie die Frauen aber schlecht! Männer halt. Muss man nicht verstehen, oder?
(Das Bild zu dieser Kolumne wurde erstellt mit Hilfe der KI Dreamlike.)