Depp(in) der Dinge

„Mer is em Zeuch sein Narr!“ Was mein Mann, natural born Oberhesse, zu vielerlei Gelegenheiten sagt, würde ich als Schöngeistin der Familie mit „Depp der Dinge“ bezeichnen, oder, um mal ein wenig gendergerecht zu schreiben, als „Deppin der Dinge“. Obwohl die Vorstellung, dass das Wort „Depp“ nur in der männlichen Form existiert, natürlich auch was für sich hat. Wie dem auch sei, Depp oder Deppin, so fühlte ich mich an einem schönen Dienstag in dieser Woche, der damit beginnen sollte, dass ich wie bereits zweimal zuvor auf den Miele-Fachmann wartete, der sich um unseren Trockner kümmern sollte. Dieser fordert nämlich seit geraumer Zeit vor und während jedem Trocknungsgang Aufmerksamkeit, und zwar viel davon. „Schaust du mal, der Trockner will was“, ruft meine Schwiegermutter dann für gewöhnlich aus dem Erdgeschoss, „ich war schon bei ihm, aber ich weiß nicht, was ich noch machen soll.“ Mein Mann und ich schauen uns dann immer fragend an, und manchmal sage ich dann „Ich war schon zweimal bei ihm, jetzt bist du mal dran.“ Ähnliche Dialoge führten wir zuletzt vor etwa fünfzehn Jahren, als unsere Jungs noch klein waren und uns nachts nicht schlafen ließen, was in der Tat seltener vorkam als das Lamento unseres Trockners. Des Marktführers wohlgemerkt, den wir für unsere als straffe Firmenorganisation zu führende vielköpfige Familie für viel Geld, aber mit dem Gefühl, das Richtige zu tun, vor noch gar nicht allzu langer Zeit erworben haben.

Ja, und von Anfang an beschäftigt uns dieses Ding mehr als ein schwieriges Kind. Die Miele-Hotline erkennt uns schon an der Nummer und begrüßt uns mit Namen, und die Zeit, die wir mit Hoch- und Runterlaufen und Vor-dem-Trockner-Knieen verbracht haben, hätte locker gereicht, um die Wäsche dann gleich im Keller oder draußen aufzuhängen, worauf es ja dann auch meist hinauslief. Aber das Ding muss ja gehen, erstens, weil es teuer war und zweitens, weil der Winter vor der Tür steht, und so wartete ich eben auf den Techniker, um ein paar Stunden meines freien Tages mit ihm im Keller vorm Trockner zu sitzen und in das Innere des Sockelfilters zu schauen.

Zuvor schon hatte ich mein Auto in die Werkstatt gefahren, da die Herren vom TÜV ihm die Plakette verweigert hatten. Die Bremsleitungen seien nicht mehr so gut, hatten sie gemeint, und obwohl ich ungern bremse und das jetzt für nicht soooo relevant halte, brauche ich die Plakette natürlich und fuhr mein Auto in die Werkstatt. Schon vier Tage zuvor war ich mit ihm dort gewesen, damit schon mal eine kleine Vordiagnostik gemacht werden konnte – man will ja nur das Beste, besonders für den kleinen roten Engländer.

Als diese beiden Störfaktoren aus dem Weg geräumt waren, machte ich mich an meinem Schreibtisch frisch ans Werk. Ich wollte meinen autofreien Tag nutzen, um unerledigte Dinge aus meinen Haufen zu ziehen und zu bearbeiten. Natürlich muss ich dazu ständig ins Internet: Keine Recherche ohne Google, keine Rückfrage ohne E-Mail, nicht mal drucken kann man ohne WLAN. Doch genau das trat ein. Das Internet ließ mich im Stich. Keine Mails mehr, kein Wikipedia, nicht mal das Telefon machte einen Mucks, was ich durchaus als Angebot an die Work-Life-Balance hätte verstehen können, wenn ich willens gewesen wäre. Das war ich aber nicht. Ich will, dass die Dinge um mich herum funktionieren. Ich veranlasste via Handy eine Störungsmeldung bei der Telekom und hängte mich, sofern es meine Zeit zuließ immer für zehn Minuten in die Hotline, um dann bald genervt aufzugeben. Während ich kein Internet hatte, hätte ich auch mein Büro aufräumen können, dazu braucht man ja kein Internet, aber mir war nicht danach. Ich grummelte vor mich hin, erledigte noch ein paar kleine Sachen außer Haus, wozu ich allerdings das neue Auto meines Mannes benutzen muss, das mich angeblich schon beim Einsteigen erkennt und alles – von Sitz über den Radiosender bis hin Telefon – auf mich einstellt. Der robuste Schwede tut dies mit derselben Verlässlichkeit wie ein störrischer Esel, sodass ich bei der ersten Nutzung mangels manuell einstellbarer Sitze fünf Minuten mit sinnlosem Probieren verbrachte, bis ich meinen Mann rief, damit er mir mit einem breiten, einem sehr breiten Männergrinsen helfen konnte, nicht ohne diesen weiteren Beweis für meine technische Unterbegabung für eine mittlere Runde Mansplaining zu nutzen, versteht sich.

Dieser autofreie Miele-Tag verlief also völlig analog und von face to face, bis ich mich am Abend noch an ein medizinisches Gerät wagte, das ich sporadisch in Gang setzen muss. An diesem Depp-der-Dinge-Tag war das vielleicht von vornerein ein aussichtsloses Unterfangen. So liegt es auf der Hand, dass das Gerät dreimal nicht funktionierte und ich nun für nächsten Montag einen Termin mit dem Kundenservice habe. Unnötig zu sagen, dass auch unser viertes Kind, der Rasenrobby, sich zwischendurch immer mal wieder in einem unserer Gartenlöcher festfuhr oder mit dem Wäschekorb im Garten kämpfte, was dazu führte, dass ich mehrfach rausmusste, ihn an- und ausschalten oder an einen anderen tragen Ort musste, damit er gnädigerweise weiterarbeitet. Aber wir wollen ja nicht von Hand mähen. Also, ich auf jeden Fall nicht.

Am Abend dieses Tages, mein Auto war wieder wohlbehalten aus der Werkstatt zurück, hängte ich mich wieder in die Hotline der Telekom. Den Trockner und das medizinische Gerät hatte ich erstmal ad acta gelegt, schließlich muss man Prioritäten setzen und am allerschlimmsten ist es natürlich, wenn das Internet weg ist. Wie kann menschliches Leben ohne das Internet überhaupt möglich sein? Das fragten wir uns natürlich alle, selbst die jungen Erwachsenen verliesen ihre Pumakäfige. Wir starrten mit sorgenvollen Blicken auf die Router, Devolos und Sticks und hofften auf ein Lebenszeichen, das im Inneren der Leuchtdioden erstrahlte. Ich begab mich wieder in die Warteschleife der Störungsstelle und just in den Moment, als in der anderen Leitung sich ein netter Herr meldete, machte es PLING und alles war wieder da. Wow – was für eine Aura, dachte ich. „It’s magic“, sagte der Herr am anderen Ende der Leitung. Ich hätte mir seinen Namen geben lassen sollen, denn sicher kann er auch Trockner und Medizingeräte. Aber das habe ich leider verpasst. War halt Deppinnen-Tag…