Das Phantom von Alsfeld
Vorsicht! Ein Phantom geht um in Alsfeld. Es ist auf der Jagd nach kreativen Parkideen und ahndet sie mit kleinen blauen Zetteln, auf denen unerfreuliche Zahlen stehen. Und nicht nur das: meistens versucht es noch in einem von großer Einseitigkeit geprägten Diskurs, den Sinn dieser kreativen Parkaktionen in Frage zu stellen. Dabei weiß doch jedes Kind, dass Kreativität das A und O ist. Und wenn ich etwas bin, dann kreativ. Zumindest beim Parken. Und wie. Allerdings sind Kreativität und ein etwas anderer Umgang mit Problemlagen im Alltag nicht gerne gesehen, schon gar nicht vom Phantom von Alsfeld. Und das, obwohl auch Studien ganz klar belegen, dass es für die geistige Fitness wichtig ist, gewohnte Dinge einmal auf ganz andere Art und Weise zu tun. Mal mit der linken statt mit der rechten Hand zu essen, zum Beispiel, oder einen anderen Weg zur Arbeit zu gehen. So bilden sich neue Synapsen und das Gehirn wird ständig gefordert. Ich weiß das!
Ich selbst werde unter Stress besonders kreativ, beispielsweise, wenn ich um fünf vor sechs noch dringend zur Bank muss. Dann bietet es sich an, auch mal unkonventionell zu parken, also gegen die Fahrtrichtung in die erste freie Lücke zu stoßen, schnell auszusteigen, um auf diese Art und Weise blitzschnell den Schalterraum zu entern. Das mit dem unkonventionellen Parken klappt meistens noch einwandfrei, doch dann erscheint wie aus dem Nichts das Phantom, das mit einem untrüglichen Sensor für kreatives Parken ausgestattet ist und nicht gewillt ist, diese Art von Selbstverwirklichung auch nur ansatzweise zu tolerieren. Und so beginnt es um drei vor sechs eine unsinnige Diskussion mit mir, die am Ende zu nichts führen wird, ein typisches Gespräch zwischen Mann und Frau, an dessen Ende beide behaupten werden „Er / Sie / Es versteht mich nicht“, wobei natürlich schon von vorneherein klar ist, dass dem Phantom an Verständnis auch nicht wirklich gelegen ist. Es hat ja sein kleines Strafzettelpäckchen in der Amtsjacke, das zückt es dann, und ruckzuck kostet einmal kreatives Parken mal eben 15 Euro. Danke fürs Gespräch.
Oder neulich, als ich kurz nach Unterrichtsbeginn noch ganz schnell eines meiner Kinder in die Schule bringen wollte. Klar hatte ich bei der Gelegenheit noch was mit der Lehrerin zu besprechen – nur kurz, ehrlich- und kaum trat ich wieder vor die Schule – es war früh am Morgen und wirklich nicht direkt in der Innenstadt – stand wie vom Himmel gefallen das Phantom vor meinem klitzekleinen, unauffälligen Auto, das niemandem auch nur den geringsten Platz versperrte, und ich schickte mich an, ihm zu erklären, warum ich direkt vor der Schule auf dem vermeintlichen Gehweg halten muss und nicht auf dem nahegelegenen Parkplatz parken kann. „Das ist schwierig“, sagte ich ihm und blickte es mit unschuldigen Augen an. „Kann Ihr Kind nicht laufen?“, fragte das Phantom und warf einen Blick auf meinen Mini, der für komplizierte Beifahrer und sperrige Gehhilfen nicht direkt ausgelegt ist. Ich sah ein, dass jegliche Erklärung hier auf unfruchtbaren Boden fallen würde – dennoch, dieses Mal ließ es mich gehen. Und nun kann ich es Ihnen ja sagen: Ich beneide das Phantom von Alsfeld, denn es hat mir, so schwer es mir fällt, das zuzugeben, zwei entscheidende Dinge voraus. Erstens bekommt es in den Gesprächen mit Parkkreativen aller Art Tag für Tag die tollsten Storys aufgetischt – und das ohne sich groß anzustrengen. Ein unerschöpfliches Input-Paradies ist das, und es kann nur so sein, dass es heimlich an seinem ersten Buch arbeitet oder zumindest an einem Ranking mit den besten Alsfelder Parkideen. Zweitens kann das Phantom als einziges mir bekanntes Wesen an zwei und mehr Stellen gleichzeitig sein, denn, wie mir aus sicherer Quelle versichert wurde, ist es nicht nur da, wo ich neue Parkmöglichkeiten entdecke, sondern auch Sie und Sie und Sie! Stimmt’s?
Und genau das möchte ich auch können. Doch so sehr ich es auch versuche. Es gelingt mir nicht. Meine Fähigkeiten erschöpfen sich beim kreativen Parken. Und das, liebes Phantom von Alsfeld, lasse ich mir nicht vermiesen!