…das neue Zwanzig!
Wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich eine rauschende Party hinter mir haben, und wenn Sie es, so wie früher, als ich noch gedruckt unterwegs war, am Samstagmorgen tun, werde ich vermutlich noch friedlich schlummern oder langsam erwachen, mich schütteln, sehr wahrscheinlich eine Kopfschmerztablette nehmen und mit dem Aufräumen beginnen. Außerdem werde ich – allem Vernehmen nach – eine andere Frau sein, als ich heute, also einen Tag zuvor, noch war. Denn ich werde fünfzig sein. (Eigentlich ist mein Geburtstag heute schon, also am 27. Allerdings bin ich um 23:30 geboren, und ich finde, bei so einer Zahl darf man ruhig mal pienzig sein!)
„Na, wie fühlst du dich, so kurz davor?“ – „Du siehst noch gar nicht so aus!“ – „Fünfzig werden, ist gar nicht so schlimm – ich hab’s auch geschafft!“ – „Tröste dich, es trifft jeden mal!“. So oder so ähnlich waren die ganzen gutgemeinten Tipps und verkappten Beileidsbekundungen in den letzten Tagen und Wochen. Ganz so, als ob man einen Ausschlag kriegt, gegen den man sich nicht wappnen kann, den man nie wieder loswird, an dem man aber auch nicht stirbt. Wenn man Glück hat. Und natürlich fragt man sich dann, was dran ist, an dem Mythos Lebensmitte. Und was soll ich sagen: Keine Ahnung! Für mich persönlich gilt: Ich habe mich selten so wohl gefühlt. Ich war selten so viel unterwegs wie die letzten Jahre, und ich habe das Gefühl, dass die ganze Generation 60er-Jahre jetzt, nachdem viele Dinge (wieder) in trockenen Tüchern sind, ihr Leben genießt. Wohlwissend, dass das Glück nicht angeflogen kommt, manchmal nur kurz reinschaut, so kurz, dass man es gar nicht merkt. Dass das Glück, so es denn da ist, gehegt und gepflegt werden muss, dass man ihm immer mal eine Ruhepause gönnen muss – wie sich selbst vielleicht auch. Und man hat langsam eine Ahnung davon, dass das Leben endlich ist. Leider.
Oft wird ja propagiert, Fünfzig sei das neue Vierzig. Ich denke manchmal, es ist das neue Zwanzig: Viele in meinem Alter sind mehr auf der Rolle als ihre halbwüchsigen Kinder. Ich eingeschlossen. Unsere Geburtstagsfeiern finden nicht, wie früher, als die alten Leute fünfzig wurden, bei Schnitzel und gemischten Braten an einer u-förmig gestellten Tafel im Saal der Dorfwirtschaft statt, sondern sind einfach coole Partys mit jeder Menge Musik, netten Getränken und den Menschen, die man im Lauf einer inzwischen doch recht anschaulichen Anzahl an Jahren so aufgesammelt hat. In jedem Lebensabschnitt bleiben ein, zwei oder mehr an einem hängen: Schön ist das!
Da macht es auch nichts, wenn man sich morgens im Bad erstmal nicht erkennt, weil einen diese verknitterte Person, die einem da im Spiegel begegnet, stark an die eigene Großmutter erinnert. Eine Dusche, ein kleines Peeling und eine Runde Makeup später sieht alles schon gar nicht mehr so schlimm aus. Und irgendwie haben sie sich ja auch gelohnt, die ganzen Falten:
Die beginnende Alters-Nonchalance setzt jetzt mit Macht ein: Muss ich mich wirklich noch über alles aufregen? Nein, es sei denn, es ist männlich, trägt ein gelbes, abgewetztes Eichhörnchen auf dem Kopf und fasst Frauen in den Schritt. So langsam fängt man an, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, über Fehler aller Art, falls es geht, gnädig hinwegzusehen, und seine Energie auf das wirklich Wichtige zu lenken. Soweit der Mythos. Aber ich will es zumindest versuchen. Das mit der Altersmilde und später vielleicht auch mit der Altersweisheit. Obwohl ich, wie ich heute Morgen beim Verschütten meines ersten Geburtstagssektes festgestellt habe, wohl wenig Chancen habe, eine andere zu werden: Ich werde hyperaktiv, multi-interessiert, chaotisch-kreativ und schusselig bleiben. Die Gene halt. Da machste nix.
Zum Abschluss noch ein Wort an alle, die vorhaben, in diesem Jahr fünfzig zu werden – und das sind schon allein in meinem Freundeskreis fast alle: Wir haben herrliche Zeiten hinter uns! Bei der Zusammenstellung meiner Playlist habe ich festgestellt, dass es seit den Neunzigern eigentlich kaum noch gute Musik gibt – von einigen Ausnahmen abgesehen. Wir sind vermutlich die Letzten, die sich an ein Leben ohne Handy und Computer erinnern können, und daher noch imstand wären, per Postkarte zu kommunizieren. Wir kennen Zeiten, in denen wir atemlos vorm Radio saßen, weil wir über Mikrophon die Hitparade auf Kassette aufgenommen haben, unsere Chats waren heimlich verschickte und von der Freundin hin- und hergetragene Briefchen in Streichholzschachteln… Ach jaaaa……
Und noch was: Es liegen herrliche Zeiten vor uns. Ich bin mir da ganz sicher. Auch wenn wir vielleicht wieder ein bisschen mehr dafür tun müssen, sowohl in kosmetischer als auch in politischer Hinsicht. Also: Hoch mit dem Allerwertesten und Weitermachen – das wünsche ich mir und allen Neu-Fünfzigern und –Fünfzigerinnen in diesem Jahr. Eine geile Party ist dafür sicher nicht der schlechteste Start!