Das mit den Männern und den Frauen

„Der Kühlschrank ist ja wieder vollkommen leer!“ Immer wenn mein Mann das sagt, ist kein Leberkäse und keine Stracke mehr drin. Aber sonst so ziemlich alles: Sekt und Aperol, Joghurt, Käse, Eiersalat, Salatgurken, Hummus und Bulgursalat. Besonders die letztgenannten Waren sind keine Lebensmittel für Männer. Eigentlich sind sie gar keine Lebensmittel, ähnlich überflüssig wir Grillkäse oder Tofu. Ich sollte das wissen, ich lebe seit vielen Jahren mit vier männlichen Menschen zusammen, aber sie bleiben mir ein Rätsel. Wegen vielerlei Dinge – fangen wir mal beim Sehen an.

Letztens stieß ich bei Facebook auf eine diesbezüglich entscheidende Frage. „Wie konnten Männer früher nur Kontinente entdecken, wenn sie heute nicht mal die Salami im Kühlschrank finden?“ Jetzt war das mit Amerika und Kolumbus ja bekanntlich ein Versehen (das die Männer naturgemäß wieder zu einem großen Erfolg umgemünzt haben), aber man darf sich schon fragen, wie das mit dem männlichen Sichtfeld ist, wenn sie die Butter nur dann finden, wenn sie genau, und zwar ganz genau das steht, wo sie immer steht. Und in genau derselben Butterdose wie sonst. Gar nicht auszudenken, wenn die mal kaputtginge und man vielleicht mal eine andere, noch dazu in einer anderen Farbe kaufen würde? Farben gehen ja auch gar nicht bei Männern. Ich kenne eigentlich keinen Gegenstand bei uns, von dem mein Mann und ich behaupten würden, er hätte dieselbe Farbe. Wobei selbstverständlich ich die Deutungshoheit habe.

Das mit den Schränken ist ohnehin so eine Sache, besonders wenn man sie teilt. „Nimmst du eigentlich diese Expansion wahr?“, fragte mich mein Mann eines Abends zwischen Zähneputzen und Abschminken. Da er auch nach zwanzig Jahren noch nicht den Versuch aufgegeben hat, mir technische Zusammenhänge erklären zu wollen, dachte ich, er hielt es für an der Zeit, mir zu erklären, wie unser großer Badezimmerspiegel sich mit Hilfe einer Gasdruckfeder (habe ich grade extra nochmal nachgefragt) nach oben klappt. Könnte ja was mit Expansion zu tun haben, oder? Ich schaute ihn fragend an und blickte von den Aufhängungen des Spiegels zu ihm und wieder zurück und er blickte bedeutungsschwer zu der Reihe mit meinen Lippenstiften und Nagellacken, die sich mit der Zeit offenbar auf bedenkliche Art und Weise auf seine Seite hin ausgedehnt hatten. Da stand aber auch vorher nix von ihm, wirklich. Was sollen die sich auf meiner Seite so zusammenquetschen, wenn ich sie auf seiner Seite schön nach Farben sortiert aufreihen kann, dachte ich. Was braucht man acht rote Nagellacke, drei schwarze und wozu überhaupt gelbe, rote und blaue, dachte er wohl, und hätte er das gesagt, wäre ich von seiner Farberkennungsfähigkeit durchaus überrascht gewesen, obwohl ich natürlich keine acht roten Nagellacke habe, sondern die Farbtöne Bordeaux, Red Over Heel, Red Carpet, Rose Umber, Tangerine Red, Ultimate Red, Ruby Red und Berry Red. Die Sachen blieben natürlich stehen, und immer noch bietet seine Seite des Schranks genug Erweiterungspotenzial für Parfüms, Lidschatten, Body Lotions und Fußcremes aller Art.

Ein weiteres Problem ist das Hören. Wenn man mit Männern zusammenlebt, bekommt man in den seltensten Fällen eine Antwort auf seine Fragen. Oder sie kommt so spät, dass man in der Zwischenzeit schon so viele andere gestellt hat, dass man sie gar nicht mehr zuordnen kann, was meine Männer wiederum damit begründen würden, dass ich zu viel frage. Ich zu viel frage! Da lachen ja die Hühner. Alles wichtige Themen, die dringend, dringend besprochen gehören, jawohl! Und nicht nur einmal! Nun führte ich schon vor meiner Zeit mit den Männern gerne und häufig Selbstgespräche – eine Kunst, die es mir heute, umgeben von vier männlichen Menschen, sehr erleichtert, mich ab und zu gepflegt zu unterhalten. Als Mutter von Töchtern sollte man diesen unbedingt raten, sich frühzeitig darin zu üben.

Hört sich jetzt ein wenig so an, als lebte ich nicht gerne mit meinen vier Männern, doch das ist ein Trugschluss. Ich lebe mit jedem einzelnen von ihnen jeden Tag gerne wieder, schon allein aus dem Grund, dass sie es jeden Tag wieder mit mir aushalten. Für alles liebe ich sie, auch wenn ich ihnen die Illusion, dass Kühlschränke sich von selbst füllen und dreckige Wäsche nach einer Woche wieder ganz von selbst gewaschen und gebügelt im Schrank sitzt, gerne nehmen würde. Aber sie freuen sich immer so darüber. Dass sie so sind, wie sie sind, macht das Leben schön und bunt und reich und witzig und überhaupt, oder nicht?!

„…man meint doch, man käme nicht ohne sie zurecht“, sagte meine Oma, als ich einmal mit ihr über das Ding mit den Männern und den Frauen sprach. Meine Oma war sehr jung, wirklich sehr jung, Mutter dreier Söhne geworden. Sie hätte also Gelegenheit gehabt, in ihrem über neunzigjährigen Leben die Männer wirklich zu verstehen, aber auch im hohen Alter blieb ihr nur ihr Pragmatismus. „Weil man meint, man käme ohne sie nicht zurecht.“ Einerseits hatte sie damit natürlich recht. Andererseits ist diese Abhängigkeit heute glücklicherweise zumindest in unseren Breiten weitgehend doch einer gewissen Freiwilligkeit gewichen. Meistens jedenfalls. Also nicht, wenn ich die Winterreifen an meinem Auto gewechselt haben muss. Oder wenn die Heizung nicht geht. Oder wenn am Ende gar die Gasdruckfeder unseres Badezimmerspiegels versagt. Gar nicht auszudenken, wenn ich da ohne Mann dastünde….