Carola to go

Schon wieder zwei Wochen rum! Wie die Zeit aber auch rennt mit Carola. Wir hangeln uns von Mittwochskonferenz zu Mittwochskonferenz und hängen an den Lippen der Politiker und Wissenschaftler. Dabei können wir jede Menge lernen darüber, wie Wissenschaft funktioniert: These und Antithese, Trial and Error oder, wie mein alter Physiklehrer (und Ihrer wahrscheinlich auch) sagte: Versuch macht kluch. (Derselbe sagte übrigens auch: „Reden ist Silber, Schweigen ist Sechs“; wenigstens das habe ich mir gemerkt.) Schwer auszuhalten ist das alles in diesen Zeiten, in denen wir kaum eine andere Chance haben, als der Entwicklung auf unbestimmte Zeit beim Sichentwickeln zuzusehen und zu hoffen, dass alles, was wir tun und auf uns nehmen, richtig ist. Und während Woche für Woche vergeht, stellen wir uns nach den unterschiedlichsten Dingen an: Nach Sie-wissen-schon in den ersten Wochen, dann nach Hefe (von der ich jetzt gehört habe, dass sie in ausgewählten Läden schon wieder zu kriegen ist, aber jetzt will ich auch keine mehr haben), seit neuestem nach Gesichtsmasken in unterschiedlichsten Ausführungen. Vermutlich werden wir bald die passenden Accessoires dazu kaufen: Haarbänder, Krawatten, Handtaschen, Unterwäsche. Ich sehe es schon kommen, denn nach aktuellen Erkenntnissen sind die Masken der Schlüssel zur Freiheit – und das noch für lange!

Und während die Wochen so vergehen, kann man, sofern man den Nerv hat, sich als Zuschauerin betätigen und wundern: zuerst natürlich über das Hamstern und die besondere Dynamik desselben. Dann über die Gründung dubioser Parteien, deren Programm es ist, die Maßnahmen, die bisher das Schlimmste in Deutschland verhindert haben, Scheiße zu finden, und wieder stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Virus auf den Geist hat. Im Sinne dieser Frage kann man sich weiter wundern über den seit den Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren offenbar endlich legal auszulebenden Trieb, seine Mitmenschen zu verpfeifen. Ja, es ist verboten, sich zu treffen. Aber ich weiß nicht, ob mit diesen Verordnungen einhergeht, dass alle Bürgerinnen und Bürger informelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes werden müssen. Steht das irgendwo? Hab‘ ich das übersehen? Ich dachte, das hätten wir hinter uns gelassen… Mir persönlich fehlt da nämlich leider so ein bisschen das Vertrauen, dass alle Leute, die jetzt bei der Polizei und beim Ordnungsamt anrufen, nur ihr Wohl und das ihrer Nächsten im Sinn haben. Viel eher glaube ich, es sind die schon immer Miesepetrigen, die am Fenster hängen und Falschparker in ihrer Straße aufschreiben und die ohnehin nie Besuch kriegen. Egal, ob Virus, Hochwasser oder Hitzesommer. Niemand will mit ihnen grillen, und endlich dürfen es auch die anderen nicht mehr! Für Misanthropen aller Art spielen sich hier wahre innere und äußere Reichsparteitage ab – es ist zum Weglaufen. To go, sozusagen.

„To go“ gehört definitiv zu den Krisengewinnern – war dieser Begriff doch aufgrund des dazugehörigen Kaffees und dessen Plastikbecher zuletzt sehr in Verruf geraten. Heute ist „To go“ das Gebot der Stunden, Tage und Wochen, gewissermaßen auferstanden von den Halbtoten, und da ist ja kein Wunder, dass speziell die Kirchen sich dieses Begriffes in besonderer Weise angenommen haben. „Predigt to go“, „Andacht to go“, „Osterkerze to go“, „Segen to go“ (Weihrauchspritzpistole inklusive) – alles, was wir bei der Kirche sonst nur stationär und seit Ewigkeiten vor Ort vorfanden, kann nun geliefert und geholt werden. Und obwohl ich sonst gar nicht so der To-go-Typ bin – wie sich bei zwei mehr oder weniger verschütteten Kaffees im Gehen herausgestellt hat -, muss ich sagen, die Kirche hat sich im Schnelldurchlauf entwickelt und das nicht mal zum Nachteil. Also meistens nicht, zumal wenn man bedenkt, dass sich da sonst jeder Wandel eher in Jahrhunderten abspielt. Da entpuppt sich die Krise doch als echte Chance, vorausgesetzt „Kirche to go“ wird nicht mit „Kirche zum Weglaufen“ verwechselt.

Apropos „to go“: Nach sieben Wochen Kontaktverbot – oder waren es sechs oder schon acht? – wäre ich soweit, zu so ziemlich jeder Veranstaltung zu gehen, die als erstes im Umkreis von 50 Kilometern stattfindet. Sogar zu einem Tupperabend oder einer Putzmittelwerbe-Veranstaltung. Die Verzweiflung greift um sich, wenn auch auf immer noch hohem Niveau, wie wir alle wissen, und natürlich hoffe ich inständig, dass die erste Veranstaltung, die wieder für mehr als zwei Personen geöffnet ist, was richtig, richtig Geiles wird. Ich hatte schon Träume von geöffneten Gastronomien in der Nähe, in denen wir alle zusammen gefeiert haben…

Bis es wieder soweit ist, sehe ich der Zeit noch ein bisschen beim Vergehen zu, in der Hoffnung, dass all diejenigen, die größere Probleme haben als ich, sie auch überstehen. Gut überstehen. Und dass auch bald die Carola versteht, was „to go“ heißt. „To go away“, um es genau zu sagen, oder – nur falls sie schwer von Begriff ist, die Gute: HAU.ENDLICH.AB!