Bond Girl

Über das Frauenbild bei James Bond kann man durchaus geteilter Meinung sein. Für seinen Erfinder Ian Fleming waren Frauen ganz offensichtlich nur nettes Beiwerk, beschränkt auf ihre Funktionen, wie man an den Namen Miss Moneypenny, Pussy Galore, Honey Ryder oder Xenia Onatopp unschwer erkennen kann. Meist tummelten sie sich leicht bekleidet in Pools oder Betten, lagen komplett mit Gold überzogen in den Laken und hauchten kurz vor jedem vermeintlichen Höhepunkt „Oh, James“. Dieser hatte sie zuvor meist aus den Klauen des Bösewichts gerettet. Klar, dass sie ihm da wirklich dankbar waren.

Vielleicht kann man sagen, dass 1985 mit dem grandiosen Auftritt der noch grandioseren Grace Jones ein Umdenken seinen sachten und sehr langsamen Anfang nahm. Doch erst mit den letzten Bonds sind die Girls halbwegs auf Augenhöhe, haben Jobs, normale Namen, retten dem Agenten sogar hier und da das Leben – und brechen ihm das Herz. Selbst Miss Moneypenny, die jahrzehntelang ein vornamenloses Dasein (nein, „Miss“ ist kein Vorname) fristete, wurde im Jahr 2012 endlich zu Eve und bekam eine beachtliche Berufsausbildung in ihren Lebenslauf geschrieben. Von Judy Dench als „M“ ganz zu schweigen.Man kann also durchaus behaupten, dass sich die Bond-Girls inzwischen zu veritablen Women entwickeln durften, die Jobs haben, tough sind, ihre eigenen Pläne verfolgen und den stets zur intensiven Vereinigung bereiten Geheimagenten mitunter genauso ausnutzen wie er sie. Und dabei auch noch Spaß haben. Doch darum geht es mir gar nicht. Mir geht es um die Szenen MIT Bekleidung.

Wir hatten in einer regnerischen Urlaubswoche das Glück, dass unser bescheidenes Häuschen am Meer mit einem Kinosaal ausgestattet war (Keine weiteren Fragen.). Da ich diesen meistens erst spät nach meinen Mitreisenden aufsuchte, war ich in die Auswahl der Filme nicht involviert und kam in den Genuss von vier Bond-Verfilmungen (und zwei Mamma-Mia-Filmen). Obwohl man zugeben muss, dass Daniel Craig als erster Bond tatsächlich mal länger als einen Moment nach dem Fight eine Schramme hat und er sogar hier und da mit staubigen Klamotten gesehen wurde, war mir bald klar, worum ich ihn und seine weiblichen Gegen- oder Mitspielerinnen wirklich, wirklich beneide: Ganz egal, wo sie waren und was sie erlebt haben, in der nächsten Szene sehen sie nicht nur alle wieder aus wie aus dem Ei gepellt. Sie haben auch immer wieder nicht nur ordentliche und saubere, sondern auch extrem geile Klamotten an. Und das, obwohl sie ohne Gepäck reisen! Wie machen die das?

Ich schaute auf meinen Koffer, der mit etwa hundertzwanzig Liter Fassungsvermögen die magische Gewichtsgrenze von dreißig Kilo locker überschritt und doch so gut wie nie das passende enthielt, und wünschte mir, dass es mir einfach mal so ging wie den Bond Girls: Wann immer sie von Bond oder einem der Bösewichte in ein Hotel, ein unterirdisches Verlies oder eine einsame Burg auf einer Insel im Meer gelockt werden, immer hängt da was zum Anziehen in ihrer Größe und natürlich passend zum Anlass. Wobei das mit der Größenauswahl für die Bösewichte natürlich einfach ist: Size Zero wird vermutlich immer passen. Ich würde also im Sinne der Weiterentwicklung der Bond Girls auch für ein figurdiverses Casting plädieren, so dass mir von den bereit gelegten Designerstücken auch mal was passen würde, aber das nur am Rande. Zumal ich zugeben muss, dass ich mir im Naturzustand auch lieber Daniel Craig anschaue als John Goodman. Natürlich nur wegen der blauen Augen.

Ja, ich weiß, es sind die Drehbuchautoren und die Requisiteure, die stets für das perfekte Outfit sorgen. Aber man wird ja mal träumen dürfen. So wie man es bei Mamma Mia kann. Dieser Film, bei dem ich übrigens immer und immer wieder an denselben Stellen heulen muss, ist so schön, so sommerstrahlend und so voller Liebe und Glück, dass er gar nicht erst den Anschein erweckt, irgendeine Art von Realität abzubilden. Bond ja eigentlich auch nicht, wenn man ehrlich ist. Schon allein die Fahrzeuge, die ganzen Gimmicks und die Seile, die überall hängen, damit Bond sich daran festhalten kann, wenn unter ihm das Haus einstürzt. Das wäre auch noch was: Wenn überall im Leben Seile hängen würden, an denen man sich festhalten kann, wenn alles um einen herum brennt, explodiert und den Bach runter geht. Das würde ich dann, wenn ich einen Wunsch frei hätte, fast noch den immer passenden, sauberen und perfekt ausgewählten Klamotten vorziehen. Fast.

Aber so läuft das nicht, wie wir wissen. Wir müssen uns – wenn nötig – vor Gericht mit den drei potentiellen Vätern unserer Kinder einigen und nicht unter dem blauen griechischen Himmel. Wir entdecken bei Geldsorgen nicht den Brunnen Aphrodites und heiraten nicht am Ende Pierce Brosnan. Wenn es kommt, kommt es meist dicke, und mit ein wenig Pech sind wir dabei auch noch falsch angezogen. Manche Dinge sind einfach nicht zu ändern: Das Leben ist kein Hollywood-Schinken.

Macht aber nix: Dafür sind wir einfach alle echt. Mit ein bisschen Glück können wir uns gegenseitig mal ein Seil zuwerfen, wenn alle anderen Stricke reißen. Wir können uns eine Brücke bauen, wenn die anderen einstürzen. Und wenn es ganz toll läuft, dann legt die eine oder der andere für uns auch mal den perfekten Look raus. Und das ist viel besser als Bond oder Bond-Girl sein. Meistens jedenfalls.