BBQ

Früher haben wir einfach gegrillt. Zum Abendessen. Weil Sommer war. Da wurde der Grill, ein kleines, ausgebeultes rundes Holzkohleding, rausgeholt, Würstchen drauf, Brot drauf, Senf, fertig. Ein gemütliches Abendessen im Sommer, einfach so.

Ich weiß nicht, wann das Grillen von Bratwürstchen anfing zum BBQ zu werden. Zum Event. Zum Wenn-der-Tisch-sich-nicht-biegt-dann-ist-es-nix! Wahrscheinlich sagte irgendwann ein Nachbar zum anderen: „Wollen wir heute Abend nicht mal den Grill anschmeißen?“ Und der Nachbar antwortete „Mir passt es heute nicht, was hältst du vom Wochenende?“ In der Zwischenzeit traf er vielleicht noch jemanden, dem er davon erzählte, und die erste Person meinte, wenn auf einmal so viele kämen, könnte ja vielleicht jeder etwas mitbringen. Einen Kartoffelsalat vielleicht. Der Einladung, die eigentlich keine war, folgte die Gegeneinladung. Da sollte es dann schon mal etwas anderes sein als beim ersten Mal. Das war die Geburtsstunde des Nudelsalats. Und immer nur Würstchen? Man hatte auch Fleisch im Frost. Aber wie kommt das Öl ans Fleisch? Richtig, mit Marinade – der Anfang von Metzgertheken, in denen man unter tausend verschiedenen Fleischsorten mit tausend verschiedenen Marinaden wählen kann. Aber das machen ja nur die Ahnungslosen! Die Profis rühren ihre Marinaden selbst an – mit erlesenen Gewürzen und Ölen und Rubs. Letzteres, für die faulen Fertigfleisch-Verwender unter uns, sind „Trockengewürze zum Einmassieren”. Sie sollen mit der Marinade zusammen eine leckere Kruste auf dem Fleisch bilden, wie ich auf der Website „grillsportverein.de“ gelesen habe.

Ehrlich, und was man da und sonstwo alles findet! Wie kann man nur glauben, dass man heutzutage einfach so den Grill anmachen kann! Aber nochmal zurück!

Bald wurde das mit den Kartoffel- und Nudelsalaten auch langweilig. Wir erfanden den Tortellini-Salat, den Reissalat, später übernahmen wir von den Italienern Tomate-Mozzarella, aus dem Tütensuppenregal den Yum-Yum-Salat oder den ebenso köstlichen wie ein wenig perversen Taco-Salat. Die Grillsaucen-Industrie lief und läuft immer noch zu Hochtouren auf – Ketchup, pah, das ist doch was für ahnungslose Allesfresser! Wir nehmen natürlich nur BBQ-Saucen aus dem Mutterland des Grillens, wahlweise Spicy and Smokey, Smooth and Smokey oder Rich and Smokey. Was da drin ist? Keine Ahnung, irgendwas mit Rauch halt. Wir können auch Japanese Sticky Grill Sauce, Longhorn Bacon Style oder Mexican Chipotle nehmen. Und Senf? Sie wissen schon, den guten alten Thomy-Senf aus der blauen Tube? Ich bitte Sie! Wir verwenden natürlich nur noch Honigsenf, am besten American Mustard New York Deli Style Honey. Wenn schon, denn schon, dabei ist das alles nur die zweite Wahl. Der Kenner macht natürlich alles selbst. Und wenn ich sage, der Kenner, dann meine ich auch den Kenner. Grillen ist – abgesehen vom Einladen, Einkaufen, Salatemachen, Tischdecken, Getränkekühlen, Antipasti vorbereiten, Brotschneiden, Tischaufräumen, Geschirrmachen, Müllwegbringen – eine Männerwelt, ganz bestimmt. Da gibt es ja auch so viel zu wissen und richtig zu machen, das kann man einer Frau gar nicht alles zumuten! Und deshalb gibt es jetzt auch so viele Kurse für richtiges Grillen. Ja, für RICHTIGES Grillen: Die Grillakademien (!) bieten so schöne Kurse an wie den „Schlemmer-Grill-Kurs“, „Beef Party“, „Burger Grillen, „Meat Special“, „American BBQ“ oder auch immer mehr „Low Carb Grillen“ und natürlich „Vegan und lecker“. Also, ich finde, zumindest die ersten drei Basic-Kurse sollte man vom Gastgeber einfordern, wenn man irgendwo zum Grillen eingeladen ist.

Auch worauf man grillt, ist immer eine Philosophie für sich: Feststeht, der kleine verbeulte Grill vom Anfang der Geschichte ist Geschichte: Es gibt sie natürlich noch, die Holzkohlegrills, aber nicht einfach so: Rundgrill, Tischgrill, Kugelgrill, Smoker, sogar einen Dutch Oven – und das sind nur die, die ich auf die Schnelle gefunden habe. Daneben gibt es nämlich auch noch Holzpelletgrills, Gasgrills, Elektrogrills, Holzbacköfen, Feuerstellen – alles. Da ist selbstverständlich auch die Auswahl an Holzkohlen und Grillpellets genau zu überdenken und Gegenstand verschiedener Diskussionsforen und Themenabende! Und natürlich kann man – ganz gleich, für was man sich entscheidet, da nicht mit einer popeligen Grillzange arbeiten, klar, ne! Da braucht man Zubehör! Mann vor allen Dingen! In einem hiesigen Fachgeschäft gingen mir die Augen auf: Grillpfännchen mit Bambusschaber, Grillfön, Bluetooth-Grillthermometer, höhenverstellbarer BBQ-Organizer – mein Gott, wir haben vorgestern noch ohne all das gegrillt! Wie konnten wir nur!

Wir konnten. Natürlich mit etwas mehr Aufwand als früher, mit selbstgemachter Aioli und Ofenkartoffeln, mit ein wenig Tomatenbutter und verschieden eingelegten Steaks und Würstchen. Mit Honig-Senf-Soße und Sweet Chili. Aber manchmal, manchmal, wenn abends so der kleine Hunger kommt, dann gibt’s ‘ne Wurst auf den Rost, ein Brot dazu, Senf, fertig.

Nachtrag: Kaum hatte ich diese Kolumne fertig, war ich zu einem leckeren Grillen eingeladen. Pulled Pork, mariniert mit Rubs, gegrillt auf Buchenpellets, dazu selbstgemachte South Carolina Mustard Sauce, deren Rezept ich mir gleich mal notiert habe. Lecker! Vielleicht sollte ich doch mal über eine Mitgliedschaft im Grillsportverein nachdenken. Wenn die sich dann hoffentlich mal für Frauen öffnen…