Ausputzer

An dieser Stelle sind Sie es gewohnt, jeden Samstag maßgebliche Beiträge von gesellschaftspolitischer Relevanz zu lesen. Auch heute widme ich mich – mit den letzten Ausläufern der EM – einem Thema, das uns alle tagtäglich betrifft: dem Klopapier. Klopapier ist wichtig, das wissen wir ja alle, die wir schon mal auf dem Örtchen saßen und grade keins hatten. Klopapier ist aber auch ein Tummelplatz für Klopapier-Designer und Wortakrobaten, die sich nach Lust und Laune dort austoben können und das auch tun, obwohl alles, was sie sich ausdenken, letztendlich für den A….llerwertesten ist. Das nenne ich Resilienz – zu wissen, dass die Früchte meiner Arbeit im Klo landen und dennoch unverdrossen dran bleiben. Obwohl – das tue ich ja letztendlich auch ständig: Als Schreiberin landen die meisten meiner Sachen im Altpapier, und mit dem Thema gemeinsam haben sie, dass ganz früher die Zeitungsseiten gerne zur Zweitnutzung auf der Ablage vom Plumpsklo ausgelegt wurden…

Zu dieser Kolumne inspiriert hat mich der Fund eines EM-Klopapiers in einem hiesigen Supermarkt. „Ausputzer“ hieß es, seine Verpackung war verziert mit der Deutschen Flagge, und ich bin mir immer noch nicht ganz schlüssig, ob das jetzt besonders nationalistisch ist oder das Gegenteil davon. Auf jeden Fall war ich, wie immer, bei so tollen Marketing-Gags, auch ein wenig neidisch auf diesen Einfall, wenngleich mir die Bezeichnung „Ausputzer“ so ein kleines bisschen aggro erschien. Daneben lag gottseidank die etwas freundlichere Klopapier-Ausgabe „Happy End“. Da griff ich dann doch beherzt zu. Inzwischen haben wir noch letzte Reste von Klopapier mit aufgezeichnetem Tor und Spielverlauf auf dem Örtchen liegen, aber auch das wird bald aufgebraucht sein. Dann kann ich mich endlich wieder voll auf Motive wie kleine Hündchen oder goldige Delfine konzentrieren und frage mich dennoch, was die unschuldigen Tiere ursächlich mit dieser Art Papier zu tun haben.

Da ist es eine willkommene Abwechslung, dass die einschlägigen Toilettenpapierlieferanten hin und wieder auch Sonderausgaben herausgeben – und zwar nicht nur mit speziellem Muster, sondern auch mit speziellem Duft. Besonders engagiert ist in dieser Hinsicht der Marktführer mit den vier Buchstaben. Bei ihm kann man sich beispielsweise mit der „Sonderedition Zarte Blütenpracht den Frühling ins Badezimmer holen“ oder sich mit „vier goldschimmernden Lagen und dem Hauch von verwöhnender Mandelmilch-Lotion“ so manche Sitzung verschönern. Kein Wunder, dass da viele andere Hersteller nachziehen. „Indian Summer“ beispielsweise wird bald schon wieder einen herbstlich-frischen Duft hinterlassen, wo es sonst nicht so…. Und zu Weihnachten gehen die einen oder anderen Anbieter natürlich mit Nikolaus-Klopapier und Spekulatiusduft an den Start. Wahrscheinlich für den Fall, dass man seine Plätzchen dann doch nicht mit aufs Örtchen nehmen will…

Unnötig zu sagen, dass man auf die wildesten Motive stößt, wenn man sich erstmal der Recherche hingegeben hat: massenhaft Geburtstagsmotive, Geldscheine, Herzchen, Stacheldraht, Sudoku, WC-Witze, Sinnsprüche – sogar „Klopapier für echte Männer“ habe ich gefunden. Was das kann? Naja, das Übliche wohl. Es ist schwarz – das macht es wahrscheinlich männlich – und verkauft wird es mit dem Hinweis „farbecht bei bestimmungsgemäßem Gebrauch“.

Zum Abschluss dieses hoffentlich überaus interessanten Ausflugs in eine zu Unrecht so vernachlässigte Domäne noch ein richtiges Highlight für fortgeschrittene Nutzerinnen und Nutzer mit klitzekleinem Hang zur Dekadenz: Ein bayrischer Hersteller bietet für besondere Anlässe 110 Blatt „Edel-Tissue“ mit 24-Karat-Echtgoldprägung eines beliebigen Motivs für den besonders anspruchsvollen Hintern an. Die in Handarbeit gefertigte Rolle wird nach der Veredelung mit Goldband umfasst und in einer mit Swarowski-Kristallen verzierten Designer-Dose und natürlich mit Echtheitszertifikat versendet und kostet 178,50.

Ich denke, ich bin dann doch mehr so der Ausputzer-Typ.