Alte Liebe

Ob Sie mich heute mal in Alsfeld sehen, kann ich noch nicht genau sagen, denn ich muss zu einer wichtigen Geburtstagfeier. Eine alte, frühe Liebe von mir! Sie (oder er, keine Ahnung) wird 40!

Was haben wir nicht alles zusammen erlebt! Die ersten Küchenmöbel haben wir quasi zusammen gekauft – mit einem kleinen Inbusschlüssel habe ich (ICH!) sie in einer Nacht aufgebaut, und plötzlich wohnte ich nicht nur, ich lebte auch! In diesen Anfangszeiten war unsere Beziehung noch sehr innig: Andauernd brauchte ich irgendwas: ein Schlafsofa, einen Kleiderschrank. Mit jedem Umzug (insgesamt sieben bis zur Sesshaftwerdung in Altenburg) wurden meine Wohnungen ein bisschen größer und meine große schwedische Liebe war stets an meiner Seite. Sie schenkte (nur im übertragenen Sinn) mir den kleinen Billy, der immer so gut zu meinen Büchern war, und das Sofa Klippan, unzählige, um nicht zu sagen unendlich viele Teelichter, Kerzen, Servietten, Bilderrahmen, Stoffe, Bilder, Lampen und Weihnachtsdekorationen.

In den praktischen Umzugskisten Jättene fand alles Platz und hielt mir jahrzehntelang die Treue, egal wo – und selbst, als wir uns familiär vergrößerten, war die konsequent in Blau-Gelb Gewandete stets an meiner Seite. Mit ihr zusammen erstand ich so wichtige Dinge wie die Kommode Biallit, auf der ich drei Kinder wickelte, dazu jede Menge Knete, Straßenkreide, Stofftiere, kleine blaue Stühlchen mit passendem Tischchen und mit zunehmendem Alter der Kinder die Regale Expedit und Lack in den schönsten Farben! Apropos Kinder: auf der Suche nach nordischen Kindernamen wälzte ich in der Schwangerschaft den Katalog des geliebten schwedischen Möbelhauses – nur ganz knapp sind sie an so schönen Namen wie Brimnas, Nördli und Önsklig vorbeigeschrappt.

Wenn ich heute zu IKEA fahre, wünscht mir mein Mann nicht etwa „Gute Fahrt“, sondern fleht mich an, „nichts mit Schrauben zu kaufen“ und gibt leise zu bedenken, dass es in unserer Wohnung auch mal eine Stelle geben könnte, an der nichts hängt. Meistens kann ich ihn vom Gegenteil überzeugen, nur bei dem leuchtend roten Mobile „Glamourös“, das für unser Wohnzimmer gedacht war, blieb er hart… Überhaupt hat er nicht wirklich viel Spaß beim Einkaufen in dem schwedischen Möbel- und Krimskramsparadies. Wie viele seiner Artgenossen trottet er – wenn er überhaupt mitkommt – lustlos bis abwesend durch fantastische 28qm-Wohnwelten, vorbei an Regalen mit tausend Töpfen, Kerzenständern und Weingläsern. It’s a woman’s world, definitiv! Einzig, wenn das Restaurant angesteuert wird, hellen sich die männlichen Mienen ein wenig auf, und dort passiert Mal für Mal etwas ganz Eigenartiges mit mir: Ich überlege genau, ob ich lieber den Lachs oder die Gemüselasagne nehme, und dann, wenn mich die netten Menschen hinter dem Büffet fragen, was ich möchte, kommt es völlig unkontrolliert aus mir heraus: „Einmal Köttbullar, bitte!“ Ich kann nichts dagegen tun …

Ja, und dann natürlich das Småland: Mehrere Generationen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden dort sozialisiert – in Bällchenbad und stilisierten schwedischen Landschaften aus Pappe, Stoff und Schaumgummi. Ich denke, um die müssen wir uns keine Sorgen machen! Ein bisschen vielleicht, denn als ich letztens bei Ikea war und auf der Toilette der Kondomautomat kaputt war (nicht, dass ich welche hätte kaufen wollen), wurden die Interessenten aufgefordert, sich im Småland zu melden. Ehrlich! Ich weiß nicht, ich hätte die Kondome vielleicht doch eher in der Schlafzimmerabteilung zwischengelagert. Aber so sind sie, die Schweden, immer offen und gutgelaunt!

Und nun wird IKEA 40. Müssen wir jetzt Sie dazu sagen oder können wir uns weiter duzen? Werden endlich drei Besuche bei Ikea während der Schwangerschaft Vorschrift und im Mutterpass vermerkt? Und wann wird neben dem Småland endlich ein Mänland gebaut – so mit Biertheke, Sauna und Zusammenbautraining, in dem die Männer den Ballast aller bisherigen Handwerkerkenntnisse einfach hinter sich lassen können? Ich finde, mit 40 wird es dafür endlich Zeit! Darauf einen Kåldolmar mit Sylt Lingon!

Happy Birthday, IKEA, meine alte Liebe, wir sehen uns!