Alles neu macht der Mai

….klingt zwar abgedroschen, aber wenn’s stimmt, dann stimmt’s halt einfach. Denn dieser Mai macht nicht weniger neu als mich selbst. Und das kommt so.

„Das ist eine Alterswarze“, sagte meine Hautärztin letztens zu mir, als ich erstmals in meinem Leben bei einem Hautscreening war. „Ich habe nicht gefragt, was das ist, wenn es nichts Schlimmes ist“, antwortete ich, worauf sie erwiderte: „Das ist nicht schlimm, aber ich mache es dir weg.“ Okay, dachte ich und zeigte ihr einen Fleck, der sich seit einigen Monaten in meinem Dekolletee tummelt, worauf sie nur meinte: „Den mache ich dann auch mit weg.“ Okay, dachte ich weiter und fragte mich, wie sie das wohl machen will. Sie schaute weiter und stellte zwar keinen medizinischen Handlungsbedarf fest, was ja auch schon mal schön war, aber sie schaute mich sehr ernst an, zeigte auf viele braune Flecken auf meinen schrumpeligen, ganz offenbar mehr als 52 Jahre alten Hände und sagte: „Und die mache ich dir auch wieder jung.“ Dann schaute sie mir ins Gesicht. „Und hier an der Stirn und um die Augen kriegst du ein Needling. Dann siehst du aus wie neu“, und sie fügte hinzu: „Meine Mitarbeiterin kann auf diese Weise ein wenig üben und du brauchst es.“ DU. BRAUCHST. ES.

Bis dato waren die Meinungen – offenbar nur von dermatologischen und geriatrischen Laien – einhellig, dass ich für mein Alter noch wenige Falten hätte. Gute Gene und gut gepolstert, dachte ich, aber die Hautärztin sah das anders. „Du brauchst es“ war eine klare Ansage. Und da sie mir die Behandlung schenken wollte und ich dachte, ich könne um eine Erfahrung reicher werden, stimmte ich zu und machte mich Ende April auf den Weg zum Jungbrunnen. Ich hatte schon vorher einiges über minimal-invasive Schönheits-OP’s recherchiert, weil ich darüber mal schreiben wollte. Ich wusste also, dass beim Needling der Haut mit kleinen Nadeln Mikro-Verletzungen zugefügt werden, die die Durchblutung und die Elastin- und Kollagenproduktion anregen und Reparaturprozesse in der Haut unterstützen sollen. Wer lässt sich denn sowas machen, dachte ich damals noch, und konnte mir kaum vorstellen, dass ich mich selbst bald auf den Weg genau dahin machen würde. Allerdings befand ich mich zu dieser Zeit bereits in lebhaften Diskussionen mit anderen Frauen, in denen es darum ging, was an Verbesserung und Anti-Aging noch vertretbar sei und was nicht: Ganz klar vertretbar ist Haarefärben. Daran kann auch der Hype um das natürlich-schöne graue Haarkleid von Promifrauen, dem sich letztens sogar die Emma anschloss, nichts ändern. Auch verschiedene Pflegemittel mit verschiedenen Wirkstoffen in unterschiedlichen Preisklassen sind ein probates Mittel, ebenso wie ein Besuch bei der Kosmetikerin dann und wann. Kontroverser wurde es bei medizinischen Maßnahmen, also im Prinzip bei allem, was man nicht selbst kann, und wozu man den Facharzt oder die Fachärztin aufsuchen sollte: Kleinere Filler-Behandlungen mit Kollagen, Eigenfett, Polymilchsäure oder dem Klassiker Hyaloron oder Unterspritzungen mit dem – wenigstens stark verdünnten – Nervengift Botulinumtoxin, besser bekannt als Botox (wahrscheinlich, damit sich alle Kundinnen und Kunden den Namen auch merken können). Einmal in Fahrt, recherchierte ich weiter und fand so vertrauenserweckende Methoden wie das „Vampir-Lifting“, für das man zunächst sein eigenes Blut abgibt, welches man später als zentrifugiertes und konzentriertes Blutplasma wieder zurückbekommt. Ich stieß auf die „Ultherapy“, die mit Hilfe von Ulraschallwellen Spannkraft und Elastizität im Gesicht, am Hals, im Dekolletee und an den Armen wiederherstellen kann. Und an den Armen, fand ich, ist das echt ein Argument, auch wenn man hinterher vorübergehend mit Schwellungen und Schmerzen, Blutergüssen und Taubheit zu rechnen hat. Und es gibt Cellfina – gegen Cellulite an Oberschenkeln und Po, und darauf hat die Welt ja wirklich gewartet, also zumindest hier bei mir. Unter örtlicher Betäubung werden verkürzte oder verhärtete Bindegewebsfasern durchtrennt, und durch ein Vakuum wird Haut eingezogen. Hört sich merkwürdig an, ist es wahrscheinlich auch, aber was soll’s: Hier heiligt der Zweck die Mittel, oder etwa nicht? Denn der Zweck, das sind dellenfreie Oberschenkel. Dellenfreie Oberschenkel, meine Damen! DELLENFREI!

Wie dem auch sei, ich fand Needling da eigentlich noch die harmloseste, um nicht zu sagen niedlichste Variante und stand also vor kurzem – mit dem Mut der Abenteuerin und nur der wissenschaftlichen Erkenntnis wegen – in der dermatologischen Praxis meines Vertrauens. Dort war man kurzfristig umgeschwenkt auf eine neumodische Lasermethode, mit der man zwar meinen Falten und den Flecken, nicht aber der Alterswarze zu Leibe rückte, die ich nun vorerst behalten werde. Nach ein paar Erklärungen und einer Unterschrift wurde gelasert. Es bitzelte ein wenig auf der Haut und roch etwas unangenehm nach verbrannten Falten und überflüssiger Flaumbehaarung. Irgendwas ist halt immer. „Die Plisseefältchen um die Lippen, da wo immer der Lippenstift reinläuft, machen wir auch weg, oder?“, fragte mich die Expertin mit dem Laserhandstück, und ich dachte, wenn schon, denn schon.

Als ich die Praxis verließ, dachte ich, ich müsste jetzt irgendwie anders aussehen als vorher oder meine Familie würde wenigstens was sagen. Nichts! Ist das nun gut oder schlecht? Die erste Sitzung zur Hautverjüngung habe ich nun zumindest schon hinter mir – zwei müssen es noch sein. Und während mir das gesamte Praxisteam einbläute, dass ich nun unbedingt, also unbedingt jede Art von Sonnenstrahlung meiden müsse, was mir als Sonnenfan richtig, richtig schwerfällt, und dass ich mich jetzt erstmal intensiv und oft mit Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 eincremen muss, was mir als Pflegemuffel auch richtig, richtig schwerfällt, frage ich mich und jetzt auch Sie: Sieht man schon was? Lohnt sich meine Mühe mit der Sonne und die Mühe der Ärztin und ihrer Assistentin mit dem Laser? Und wie werde ich mich fühlen ohne meine vertrauten braunen Flecke auf den Händen und wenn ich nicht mehr alleine sagen kann „Gute Gene und gut gepolstert“, sondern noch ein kleines verschämtes „und top gelasert“ hinterherschieben muss? Wie dem auch sei: Alles neu mach der Mai, und weil ich schon mal so schön dran war, machte ich einen Termin zur Zahnreinigung, bei der Friseurin und zum Nägelmachen. Denn die sind brüchig und es sind immer so Streifen drauf, Rillen, wie sie auch meine Oma immer hatte. Der machte das natürlich nichts aus, die war ja normal alt. In ihren Zeiten ging das noch, da konnte man als Frau einfach so altern. Da war fünfzig fünfzig und siebzig siebzig und nicht das neue Dreißig oder Vierzig, aber heute? Da muss man sich schon echt anstrengen, finden Sie nicht?

Fehlen noch die Fußpflege und die nächste Diät. Letztere kann ich leider nicht machen lassen, sondern da muss ich selbst ran. Das kann also noch ein wenig dauern. Und über den Erfolg der nächsten Lasersitzungen halte ich Sie auf jeden Fall auf dem Laufenden, jetzt, wo ich Sie so neugierig gemacht habe…