Advent, profan

Böse Zungen behaupten ja, dass ein Paar dann heiratet, wenn so nach der ersten Verliebtheit die Luft raus ist. Die ersten gemeinsamen Reisen sind gemacht, die erste Wohnung bezogen, die Spannung fällt. Und damit wieder ein bisschen Action in den tristen Alltag kommt, plant man dann seine Hochzeit. Einmal mit allem bitte, sodass man auch mit der Nachbereitung noch eine ganze Weile beschäftigt ist. Vorher, nachher oder gleichzeitig wird meistens noch gebaut, und wenn die Eventplanung richtig gut funktioniert, kommt auch bald ein Kind. Oder zwei. Oder mehr. Nun kann man davon ausgehen, dass die Langeweile erstmal eine ganze Zeit lang vorbei ist. Irgendwann allerdings, wenn man das Gefühl hat, die Kinder seien aus dem Gröbsten raus – man kann ja nicht ahnen, dass nach dem Gröbsten das Allergröbste, Pubertät genannt, folgt -, beginnt man wieder, so ein bisschen unruhig zu werden. Da könnte doch noch was gehen, oder? Zu dieser Zeit beginnen Paare gerne mit einer gemeinsamen Sportart, etwa Fahrradfahren oder Tanzen. Die etwas Fauleren unter uns haben es da schon schwerer. Sie könnten Vorstände in irgendeinem Verein werden oder Elternbeirat oder beides. In jedem Fall hilft es, wenn man sich ein Haustier anschafft, vielleicht einen Hund. Ein Hund bietet wegen der Notwendigkeit des Gassigehens, Bürstens und Tierarztbesuchens auch jede Menge Anknüpfungspunkte für Kommunikation innerhalb der Familie. Er bietet die Möglichkeit zu gemeinsamen Spaziergängen und zum einsamen Abseilen. Ein Hund ist – auch was den Schmutzfaktor angeht – ein perfektes Familienmitglied. An das man sich dann doch recht schnell wieder gewöhnt. Und schon klopft erneut die Langeweile an. Man sieht sich um und stellt fest, dass es vielleicht doch so ein bisschen eng geworden ist im Haus, etwa weil man sich seinerzeit bei der prognostizierten Kinderzahl geringfügig verschätzt hatte oder weil die Sprösslinge plötzlich und unerwartet an der Zwei-Meter-Grenze kratzen und im Bad auf einmal Platz für ihre Rasierapparate, Deos und Pickelcremes beanspruchen. Dann hilft nur noch eins: Anbauen. Man selbst hatte ohnehin schon über die eine oder andere Renovierungsmaßnahme nachgedacht, warum also nicht aus dem Vollen schöpfen und gleich mal den Architekten des Vertrauens bemühen?!

Wie ich gerade jetzt auf dieses Thema komme, fragen Sie? Ich verrate es Ihnen: Vor wenigen Tagen hat der Advent begonnen. Adventszeit bedeutet, dass man auf die Ankunft wartet, und sie ist eine Zeit voll leiser Spannung und Aufregung, eine schöne Zeit, wie wir alle wissen. So gesehen hatten wir es das ganze Jahr über spannend und aufregend, denn wir verbrachten viele Tage und Wochen in Adventsstimmung, wartenderweise also, allerdings nicht immer in leiser Vorfreude: Pünktlich mit dem ersten Sonnenstrahl des Sommers rissen wir unseren Balkon ab und brachen auf zu neuen Ufern, unser Advent begann: Zuerst warteten wir auf gute Ideen, dann auf Geld, dann auf Kompromisse, schließlich auf die Handwerker, die uns zwischendurch immer mal wieder kleine, gechillte Verschnaufpausen gönnten und unserer Baustelle auch. Wir lernten die durchschnittlichen Zerfallszeiten von Terminplanungen kennen, während wir mal auf gutes Wetter, mal auf schlechtes Wetter warteten. Manchmal warteten wir auf Material und auf neue Einfälle, weil die alten sich als nur so mittel herausgestellt hatten. Und immer, wenn irgendetwas kam oder fertig wurde, bedeutete es, dass wir wieder auf etwas oder jemand anderen warten durften – eine herrliche Zeit, unser besonderer Advent, kann ich Ihnen sagen. Dazu ist jeder Tag am Bau wie das Türchen eines Adventskalenders: Man weiß nie, was er an Überraschungen bringt – nur dass er welche bringt, das ist klar!

Und nun, da fast alles fertig ist, hoffen wir, dass vielleicht die drei Heiligen Könige etwas verfrüht bei uns reinschneien und uns schnell noch Heizung, Treppe und Türen liefern (auf Myrrhe, Gold und Weihrauch würden wir verzichten). Schließlich ist jetzt ja nicht nur Advent, sondern auch die beste Zeit für kleine Wunder. Und die braucht man immer – besonders am Bau!