Advent, Advent….

Da war es! Das erste Weihnachtsfilmchen. Am ersten Advent, pünktlich um 8.27 Uhr kam es über WhatsApp zu mir und war ein animiertes, blinkendes Weihnachtshaus, zu dessen bunten Lichtzuckungen eine ungenannte Person Amazing Grace sang. Ich ließ das Filmchen durchnudeln und schaute auf die YouTube-Leiste auf meinem Bildschirm, die mir weitere Weihnachtsgenüsse verhieß. Es folgte ungefragt ein Film, den jemand aus Aufnahmen von 1941 zusammengeschnitten hatte und mit einem Weihnachtslied Lied aus 1963 hinterlegt hatte, um schöne, altmodische Weihnachtsstimmung zu zaubern. Ich wunderte mich, dass in den Kriegsjahren ein schöner gutgenährter Mann auf dem Bild zu sehen war, doch bevor ich meine Gedanken darüber, dass es sich bei dem honorigen Mann vielleicht um einen Nazi-Funktionär handeln könnte, dem das amerikanische Stück „Merry Christmas Darling“ wohl nur so mittel gefallen hätte, weiterspinnen konnte, sprang schon das nächste Lied an:

„Staad, staad“, spielte eine bayrische Sängerin, namens karenmuenchen, die sich mit ihrer Klampfe hinter ein bunt geschmücktes Fenster gesetzt hatte, in dreifacher Erscheinung hingebungsvoll dieses volkstümliche Lied sang, das sie unten drunter – vermutlich für das geneigte amerikanische Publikum – auf Englisch erklärte: „This will be my last song this year…and it is a very special , very old Bavarian country song . This kind of songs which were sang and played traditional in the „pre-Christmas period“, called the „Adventszeit“ (time in Advent) and you could hear them in all Alpine Villages, the whole family comming together, sitting in their cottages and celebrating the Christmas festivity.“ Dann schreibt karenmuenchen den Text ihres Liedes darunter, der so schöne Passagen enthält wie „Staad, staad, heit is´Advent, wia unsa Kerzerl sche brennt, ham ma zum Denga grad gnua, gemma vo´soi ba a Ruah.“, um dann zu erläutern: „Well, to be short…it means: „Silent , silent…today is Advent, see how our candle burns…we have some time to think about“ und so weiter und so fort.

Da ich direkt mit dem Schreiben dieser schönen Kolumne angefangen hatte, die mir ja quasi als erstes Weihnachtsgeschenk zugeflogen war, während ich verzweifelt über das Thema einer neuen Weihnachtskolumne nachdachte, konnte ich nicht verhindern, dass ein weiteres Weihnachtslied am frühen Morgen mein kleines Büro erfüllte. Es hieß „Es wird scho glei dumpa“, und dargeboten wurde es in diesem Fall vom Familiendreigesang Kröll, drei in adrette festliche Dirndl gekleidete CSU-Wählerinnen mit einem hageren nicht weiter benannten Mann an der Zither. Während ich so drüber nachdachte, ob die Bayern jetzt auch noch die Kulturhoheit über weihnachtliches Liedgut im Land haben, stieß ich auf einen Kommentar unter dem Clip. Richard Himmelstoss (die Frage, ob er wirklich so heißt oder nicht, wollen wir mal dahingestellt lassen), sieht das nämlich so: „Dieses Lied hat schon sehr viele progressive Modeerscheinungen überstanden, von denen heute kein Mensch mehr spricht. Der Zugang zu dieser Darbietung erschließt sich besonders österreichischen und bayerischen Zuhörern, die intelektuell (intellektuell falsch geschrieben) und mental das Werk zu würdigen wissen.“

Ja, und jetzt weiß man auch, warum es keine hessischen Weihnachtslieder gibt, und man sich auf YouTube von den Perrseer Dirndln oder den Ursprung Buam weihnachtlich bedudeln lassen kann. Zwischen die Clips hatte sich übrigens der Ernährungscoach Patric Heizman geschlichen, der kurz vor Weihnachten damit warb, Menschen per Webinar und mit Hilfe ihrer Hormone schlank zu machen, aber das nur am Rande.

Ich schaute auf die Playlist neben den Filmen und war fast froh, unter Hansi Hinterseer, also jetzt nur in der Liste, Helene Fischer zu finden, die mit „Maria durch ein Dornwald ging“, eines meiner weihnachtlichen Lieblingslieder singen wollte, und ich frage mich, welcher Star wohl welches Lied noch nicht gesungen hat. Es ist natürlich schwer, eine vollständige Liste aufzumachen, aber es ist sehr leicht, den alten Karl-Valentin-Spruch zu variieren: „Es wurde zwar schon alles gesungen, aber nicht von jedem.“ Gerade die Stars der Volkmusik und des Schlagers müssen ja quasi irgendwann mal eine schwülstige Weihnachts-CD veröffentlichen – die Liste geht von den Amigos über Andreas Gabalier und Michelle bis hin zu – ich kann es Ihnen nicht ersparen – Wolfgang Petry. Bei uns kann es nun auch nicht mehr lange dauern, bis unsere hausinternen Helene-Fischer-Fans deren Weihnachtswerk wieder hervorholen, auf deren Cover sie in wunderschön weichgezeichnetem Sepia auch noch so unverschämt gutaussieht, dass man sich fragt, ob man nicht vielleicht doch mal die Dienste des Ernährungscoaches in Anspruch nehmen sollte. Wäre aber natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie man realistischer Weise sagen muss, von daher. Ohren zu und durch!

Weihnachten 1941 / https://www.youtube.com/watch?v=KYWIiaOsX9E

Staad, staad / https://www.youtube.com/watch?v=Pyec_UDaQmQ

Es wird scho glei dumpa / https://www.youtube.com/watch?v=ROwhuwqXDPE