Abi 2017

Zwischendurch was Geistreiches, dachte ich gerade. Denn zwischen, Arbeiten, Haushalt und Vor-Ferien-Wahnsinn ist es SCHON WIEDER Freitagabend geworden. Freitagabend, nur vierzehn Tage später. Jedes Mal, wenn mir das auffällt, könnte ich darüber schreiben, wie die Zeit rast und wie schnell, wie unfassbar schnell alles vorbei ist, wie schnell ein Schuljahr um ist, und wie schnell der Wein immer leer ist und überhaupt…

Das dachte ich mir auch, als ich letzte Woche auf den Abiturveranstaltungen war. Zuallererst fiel mir natürlich mein eigener Abi-Ball ein: ein Abend im Fuldaer Propsteihaus, mit Orchester, weil meine Freundin da mitspielte, mit einem kleinen, aber geistreichen Programm, falls ich mich recht erinnere, und ich als Moderatorin in einem Kleid von C&A für 45 Mark und ohne Hochsteckfrisur – trotz damals noch langer Haare. Das ging auch.

„Heute ist aber alles anders“ – der gute alte Spruch, den auch wir immer schon bemüht haben, ist eines jener Überbleibsel aus allen Zeiten, zu allen Zeiten, für alle Zeiten. Ja, sicher, heute ist alles anders. Statt Pausenbrot kommt der Pizzablitz, die Döner-Buden bieten Schüler-Specials an, ein Smartphone gehört so gut wie in die Schultüte, die Austauschfahrten führen schon mal nach New York und Peking – da ist es kein Wunder, dass so ein Abi-Jahrgang Zigtausende von Euros in die Hand nimmt, um dieses – durchaus denkwürdige – Ereignis noch ein wenig denkwürdiger zu machen. Nicht selten auch in Form eines kleinen Schuldenhügels. Aber wir wollen ja nicht pienzig werden, denn natürlich ist es immer noch so, dass diesen Abiturveranstaltungen ein ganz wunderbarer Zauber innewohnt. (Der gute alte Hesse lässt grüßen! An dem kommt man ja an so einem Anlass kaum vorbei…)

Da ist dieses Gefühl von Freiheit, von allen Möglichkeiten, gepaart mit der Ahnung zumindest, dass dies die Theorie ist, denn selbst für alle Möglichkeiten muss man die Möglichkeiten haben! Fakt ist aber: Mit viel Glück liegt ein ganzes Leben vor einem, das man ganz bestimmt hier und da selbst bestimmen kann und unbedingt muss, und gleichzeitig hat man bis zum Abitur auch schon ganz schön was geschafft. Man darf also durchaus auch stolz sein und (sich) feiern (lassen).

Was aber soll das sein, was so als Nächstes vor einem liegt?! Schwierig, schwierig! Denn nicht nur die Abi-Garderobe der Damen ist heute zehn- bis zwanzigmal so teuer wie vor dreißig (Wein-Smiley) Jahren, auch die Vielfalt der Möglichkeiten hat sich seit damals vervielfacht, für mein Empfinden – denn ich kam aus Heubach, dem Dorf der sehr begrenzten Möglichkeiten – sogar mindestens vertausendfacht, verhunderttausendfacht! Und dennoch habe sogar ich es geschafft, nach dem Abi nicht zu wissen, was ich wollte. Daran musste ich denken, als ich vor kurzem unseren Erstgeborenen und Bald-Abiturienten mit strengem Blick nach seinen Plänen fragte. Eigentlich wusste ich schon seit der Mittelstufe, was ich machen wollte, aber als ich dann an der Uni saß und Sprachen studierte und realisierte, dass es mir dann passieren könnte, dass ich mein Leben lang Reden von Ronald Reagan würde übersetzen müssen, habe ich es mir schnell wieder anders überlegt. Wir Glücklichen damals – wir wussten ja noch nichts von Donald Trump. Schön, wenn sich eine Entscheidung so nachhaltig als gut herausstellt.

Warum ich Ihnen das alles erzähle und worauf ich hinauswill? Ich habe Angst, wie die Zeit rast. Jedes Mal, wenn ich auf einem Abiball bin, um von dort zu berichten, fühlt es sich an, als wäre das letzte Mal erst vor vier Wochen gewesen. Es macht „wusch“ und schon ist wieder Abiball. Wo das Problem ist? Auf dem nächsten Abiball werde ich – mit ein wenig Glück – nicht zum Berichterstatten sein, sondern als Mutter. Und das ist unfassbar! Noch gefühlte vier Wochen, also noch vorm Urlaub eigentlich, und bevor das letzte Schuljahr meines Sohnes beginnt – „wusch“…. Tja, dann fragt man sich natürlich erst recht, was die Zeit so bringt, wie unsere Kids das Erwachsensein meistern werden. (Mein Ansinnen, die Volljährigkeit wieder hochsetzen zu lassen, wurde leider abgeschmettert.) Wie sie in ihrer Zeit stehen werden, wie sie alldem gegenübertreten, was an Neuem, nicht immer Erfreulichem auf sie zukommen wird. Ich werde jetzt schon nicht müde, gute Wünsche zu sammeln und weiß, dass der Adressat daran naturgemäß nicht interessiert sein wird. (Gut, dann behalte ich natürlich auch das Forschungsergebnis der Website www.hilfreich.de für mich, die kundtut, dass die sexuelle Leistungsfähigkeit des Mannes zwischen 18 und 20 am höchsten ist…) Vielleicht sollte ich schon anfangen, mir einen kleinen Beruhigungsmittelvorrat anzulegen, denn wenn ich mir überlege, wie ich dieses Jahr auf den Feierlichkeiten schon ständig maximalgerührt war, dann weiß ich nicht, wie man als Mutter so einen Einschnitt überstehen soll.

Geht aber irgendwie, habe ich mir von anderen Müttern sagen lassen. Na, ich bin aber gespannt!